Wenn wir diesen Trump nicht hätten! Deutschlands Wirtschaft schrumpft seit dem Sommer. Und klar: Der Schuldige sitzt in Washington. Donald Trump mit seinen Strafzöllen und „America First“! Jetzt noch die drohende Verschärfung des Handelskrieges mit China durch die Festnahme der Finanzchefin des chinesischen Technologie-Konzerns Huawei in Kanada.
Noch mehr Globalisierung oder wenigstens in Teilbereichen Abschottung und Zölle, um die jeweils heimische Industrie und ihre Arbeitsplätze zu schützen? Diese Frage bewegt die Welt, seit US-Präsident Donald Trump China, aber auch einzelne Branchen in Europa mit Strafzöllen belegt hat. Auf die Botschaft des G20-Gipfels, wo es zu einem Burgfrieden zwischen den USA und China gekommen ist, reagierten die Aktienmärkte daher euphorisch – bis zu 2,5 Prozent legte der Dax zu. Insbesondere Autofirmen wie Daimler legten kräftig zu, wenigstens für ein paar Viertelstunden – die Gefahr schein zumindest vorübergehed gebannt.
Dabei wird übersehen: Trotz aller Befürchtungen erlebte der Welthandel in den letzten Monaten einen Aufschwung und erreichte im November ein neues Hoch. Im bisherigen Jahresverlauf ist der internationale Warenhandel um 10,6% gestiegen. Die Schwellenländer und ausgerechnet Nordamerika sind die wichtigsten Wachstumstreiber. Und trotz neuer Zölle auf exportierte Produkte profitiert China von der starken US-Wirtschaft. Und erste Analysen zeigen, dass dass sich dieser Trend im Dezember fortsetzen sollte: Die USA importieren so viele Güter zur Weihnachtszeit wie nie zuvor, und der Handel nimmt noch einmal um +0,3% gegenüber dem Vormonat zu.
Das jedenfalls zeigen neue Konjunkturinidaktoren wie der „gKNi World Trade Indicator“, dem Daten-Unternehmen von Kühne + Nagel. Dieser misst, was bei einem der weltgrößten Spediteure nicht zu verwundern ist, die Anzahl der Frachtflüge weltweit und den Frachtschiffverkehr. Benutzt werden dazu unter anderem Daten aus der Flugüberwachung wie „Flight Radar“ und der globalen Satellitenüberwachung. Die Späher aus dem All beobachten die Welt mittlerweile so genau, dass sie auch den Tiefgang der Schiffe erkennen – und daraus ableiten, wie voll sie beladen sind. Damit ist eine neue Kategorie vorausschauender Konjunkturindikatoren entstanden. Sie tritt an die Stelle von Umfragen und Statistiken über Produktion und Handel. Die Regel ist einfach: Wird viel geliefert, läuft die Wirtschaft. Und umgekehrt. Derzeit wird so viel transportiert wie nie zuvor.
Die eigentliche Neuigkeit allerdings liegt in der Interpretation der Daten.
Offensichtlich hat der vielbeschworene Handelskrieg bislang nicht dämpfend auf den Welthandel gewirkt. Die gegenseitigen Abhängigkeiten, die jeweiligen Spezialisierungen und die Logistikketten sind weltweit offenkundig schon so verknüpft, dass zusätzliche Zölle zwar lästig, aber nicht entscheidend sind. Wegen ein paar Zöllen wechselt man nicht den Lieferanten, wenn es überhaupt eine Alternative gibt. Allenfalls die Preise werden erhöht. Die Wirtschaft dominiert die Politik, wenigsten vorübergehend.
Haupttreiber ist die starke Inlandsnachfrage in den USA wie auch in China. Für China wird in der zweiten Jahreshälfte ein Importwachstum von 21,2% erwartet – die größte Exportnation kauft zunehmend auf den globalen Märkten ein, und liefert weiter im großen Stil: Die Exportschätzungen liegen bei einem Zuwachs von 10,6% (im ersten Halbjahr waren es stolze +14,3%). Die Importe überholen längst die Exporte in den Vereinigten Staaten mit einer jährlichen Rate von 9,1% bzw. 7,1%. Das Handelsbilanzdefizit der USA wächst also trotz aller Bemühungen der Trump´schen Handelspolitik weiter an. Das damit verbundene Problem der globalen Verschuldung auch. Und es geht weiter. Bisher deuten die Zahlen auf ein außerordentlich dynamisches viertes Quartal hin. Auch der Handel mit Lateinamerika wächst um fast 12 Prozent.
Es gibt aber auch eine Ausnahme, und die heißt: Europa.
Denn wesentlich schwächer als andernorts, gerade nur um 2 Prozent, wächst der globale Handel Europas. Das spiegelt die wirtschaftliche Entwicklung: In Deutschland und Italien, zwei Schwergewichten im Euro-Raum, schrumpfte die Wirtschaft im 3. Quartal leicht. In Deutschland war es die gesamtwirtschaftliche Folge, weil die Automobilfabriken ihren Ausstoß drosselten. Die Diesel-Verunsicherung und neue Regulierungen und Zertifizierungen führten dazu, dass auf Halde produziert wurde, wenn überhaupt. Sinkende Zulassungen verursachten eine konjunkturelle Bremsspur auch bei den Zulieferern quer durch Europa. Und bekanntlich kann sich dieser Prozess aus sich heraus beschleunigen: Weniger Geschäft bedeutet weniger Investitionen bedeutet weniger Geschäft. Volkswirte lernen das im 1. Semester, es nennt sich „Multiplikator-Akzelerator-Modell“, zu deutsch: Abschwung verstärkt den Abschwung, und zwar in immer größerer Breite. Dass das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit damit rechnet, dass allein die Automobilindustrie durch E-Autos zukünftig 100.000 Arbeitsplätze verlieren wird, zeigt eine weitere Gefahr: Man kann sich mit staatlichem Druck und öffentlicher Subventionierung auch in die Arbeitslosigkeit hinein organisieren. Ein paar hundert ebenfalls subventionierter Arbeitsplätze in den hochautomatisierten, derzeit noch fiktionalen Batteriefabriken ändern daran nichts. Und irgend jemand muss auch die Subventionen finanzieren. Die deutschen Autobauer jedenfalls haben die Konsequenzen auf ihre Art gezogen: Sie kündigen neue Werke in den USA an. Auf Hilfe aus Berlin oder Brüssel setzt keiner mehr: Die Autoindustrie geht dahin, wo sie noch gewollt ist. Den Export kann man auch aus den USA weltweit organisieren.
Während es also in Deutschland abwärts schwingt, bestätigt der Blick auf den globalen Handel : Die Ursachen der Schwäche in Deutschland sind hausgemacht – am immer wieder beschworenen Handelsstreit liegt es nicht und auch nicht an den USA: Dort feiern die Konsumenten die gute wirtschaftliche Lage mit einem Kaufrausch zu Weihnachten. Trump hat einen Boom ausgelöst.
Die Analysen zeigen eine besonders robuste Nachfrage nach Konsumgütern: Im November waren die Einfuhren von Möbeln in die USA um über 10% höher als im Vorjahr. Auch die Importe von Fahrzeugen sind tendenziell noch höher als bei Elektronikprodukten und Investitionsgütern. Gut, dass es Donald Trump gibt. Der taugt als Sündenbock für alles, auch für wirtschaftspolitisches Versagen in Deutschland. Wenigstens dafür ist er hier gut.