Wie viele der Wahlberechtigten haben zuletzt CDU gewählt? 20,2 Prozent (Union 24,8). Heute wären es Umfragen zufolge noch deutlich weniger. Deutschland hat etwas mehr als 80 Millionen Einwohner, wahlberechtigt sind 61,8 Millionen, die Wahlbeteiligung betrug 76,2 Prozent.
Das heißt also – wie ersparen uns hier die Rechnerei und schätzen – dass die CDU gerade einmal von einer echten Minderheit von kaum noch jedem Vierten der deutschen Bevölkerung per Wahlzettel aufgefordert wurde, die Geschicke des Landes zu managen. Warum also sollte es die Mehrheit scheren, wer in der CDU den Parteivorsitz hat? Der Karneval rund um diese Wahl hat Ausmaße angenommen, als hinge wirklich alles davon ab, als ginge es um Fortbestand oder Untergang.
Die Medien und die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gehen diesen Weg gerne mit. Auch TE hat sich in etlichen Artikel gefragt, ob beispielsweise ein Widergänger aus der Privatwirtschaft das Zeug haben könnte, das Land zu führen. Deshalb, weil die Parteiführung der CDU bisher auch der Weg ins Kanzleramt war?
„Falls Sie bei der Vorstellung ein paar Nebengeräusche gehört haben: Ein Zuschauer ist aufgesprungen und hat ein paar laute Sätze zum UN-Migrationspakt gesagt“, so Plasberg. „Natürlich hätten wir gerne auch in Ruhe mit ihm darüber gesprochen, aber das war nicht möglich. Wir haben ihn friedlich hinausbegleitet“ – hart aber fair.
Thema heute bei hart aber fair: „Erst die CDU, dann vielleicht Deutschland: Wer gewinnt das Rennen um Merkels Erbe?“
Und um es gleich vorweg zu sagen: der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag ist nicht eingeladen. Ja, man spricht auch in dieser Sendung ausführlich über, aber nicht mit der AfD. Die Gäste werden sich quasi der Reihe nach distanzieren, am lautesten macht das Christian Lindner, ebenso laut wird er sich allerdings auch der Dialektik der AfD bedienen, eben genau so ambivalent und nach allen Seiten offen, wie man es von ihm seit dem Bundestagswahlkampf gewöhnt ist.
Selten noch war der Widerspruch so deutlich, wenn einerseits von Politikberater Michael Spreng, einem weiteren Gast der Sendung, darauf gepocht wird, andere Themen als Migration zu besprechen, aber er selbst eben genau das damit macht: Migration besprechen.
Eine besonders frühe Bewerbung, denn noch sitzt die Saarländerin, die vom FDP-Vorsitzenden hier als so etwas wie eine Widergängerin der Zentrumspartei benannt wird noch nicht im Sattel, geschweige denn im Kanzleramt. Da sind ja noch Friedrich Merz und Jens Spahn im Weg. – Und ins Kanzleramt vielleicht sogar Wähler.
Gehen wir diese Werbeveranstaltung für die CDU – hart aber fair – einmal nicht chronologisch durch, sondern blitzlichtartig mit ein paar der interessanteren Wortbeiträge. Und unabhängig von seiner angespannten Bewerbung für einen neuen Durchgang von Jamaika, verbunden mit einem gewissen Fremdschämfaktor für den Zuschauer, hat Lindner sich hinreißen lassen. Bevor wir ins Detail gehen wozu, kurz noch zu Jamaika: Damals wären die Grünen mit halb soviel Prozentpunkten dabei gewesen, als sie wohl heute bekämen.
Haben wir es am Ende Linders Jamaika-Absage zu verdanken, dass die Grünen nicht eingehegt bleiben, wenn sie heute in Umfragen die Zwanzigprozenthürde kratzen und noch überschreiten? Nein, zunächst darf man dankbar sein, dass Katrin Göring-Eckardt nicht mehr in der vorderen Reihe der Grünen steht und vorübergehend als Bundesministerin erspart geblieben ist. Dafür ein Danke, auch wenn dadurch nichts wirklich besser geworden ist, wahrscheinlich nur eine politisch-ästhetische Frage.
Also zu Christian Lindner im Wortlaut. Und Plasberg macht das geschickt, nimmt Lindner erst ganz zum Schluss dran, die Kamera fängt gut ein, wie der Aufziehschlüssel im Genick des Parteivorsitzenden Minute für Minute mehr auf Anschlag gezogen wird:
„Die Menschen, die zu uns kommen, sind ja gar keine Asylberechtigten. Es sind illegale Einwanderer oder es sind Flüchtlinge, die aber kein Asylrecht erhalten. Als müssen wir am Asylrecht auch nicht rumdoktoren. (…) Gerechtfertigt oder nicht, in unserer Gesellschaft hat sich in bestimmten Kreisen eine enorme Ablehnung gegenüber Frau Merkel verfestigt. (…) Alle drei (Kandidaten) haben doch signalisiert, sie wollen die Migrationspolitik in Deutschland korrigieren. Zu Recht! (..) Frau Merkel hat eine ganze Partei, eine ganze Regierung in Geiselhaft für ihre Entscheidung des Sommers 2015 genommen, die sie auch in diesem Sommer nicht korrigieren wollte, weil sie das so zum Erbe ihrer Kanzlerschaft erklärt. Und es gibt jetzt die Hoffnung, dass jemand, der nach Frau Merkel an die Spitze der CDU kommt, das alles weniger emotional und ein stückweit pragmatisch-fachlicher sieht. Das wäre eine gute Nachricht.“
Aber ist das wirklich nur die Agenda der AfD? Oder doch eher die Agenda der Bevölkerung? Und darf man über Massenzuwanderung doch wieder sprechen, dann, wenn man sie gut heißt, nur eben nicht, wenn man ihre Verwerfungen aufzählt? Spreng hätte sich gewünscht, wenn Merz und Kramp-Karrenbauer mal über die hohen Mieten in Deutschland gesprochen hätte. Wirklich? Ist das so ein Masterthema der Bevölkerung? Oder soll es nur deshalb ein Masterthema sein, weil noch nicht von der AfD besetzt?
Ja und dann wird noch eine Weile über die Millionen von Merz gesprochen und AKK und Jens Spahn müssen dann zeitlich mit immer weniger hart aber fair auskommen. Gibt es Statistiken, wie viele Zuschauer schon weggezappt haben, als der Kelch auf der Zielgeraden endlich bei Spahn angekommen ist? Lindner empört sich irgendwann noch über ein Bashing gegen Merz in der Sendung.
Dann kommt noch der UN-Migrationspakt auf den Tisch, weil Jens Spahn ihn da hingelegt hätte, so Plasberg – hart aber fair. Und das, obwohl der Pakt doch schon im Bundestag durchgewunken sei: „Ist das legitim (…), einen Drops der schon gelutscht ist, noch mal auf den Tisch zu legen? Ihh.“ Die Frage geht an – na klar, von der AfD ist ja niemand anwesend – Christian Lindner. Der antwortet:
„In der Sache halte ich es für in der Tat fragwürdig, in dieser Weise über den UN-Migrationspakt zu sprechen. (…) Es ist ein schweres Versäumnis der Bundesregierung. Insbesondere des SPD-Außenministers Maas, dass wir jetzt am Schluss, wo kurz dieser Pakt kommt, dass wir jetzt davon erfahren, es öffentlich debattieren. Es hätte seine Verantwortung sein müssen, dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit weiß, was auf sie zukommt und was nicht. Es ist uns schon einmal durch linke Desinformation das Transatlantische Freihandelsabkommen kaputt gemacht worden.“
Und so weiter. Für Lindner also die Linken die Vernichter des Freihandels und die Rechten nun die potentiellen Verhinderer der dazugehörigen billigen Arbeitskräfte?
Ja, diese Sendung war viel Christian Lindner. Aber er hat nichts dazu gewonnen und auch nichts verloren. Für jemanden, der so zwischen den Stühlen sitzt und dann noch die Grünen brutal an sich vorbeiziehen sieht, sicher schon ein Erfolg. Und viel mehr bleibt dann leider auch nicht hängen von hart aber fair.
Ganz zum Schluss darf jeder noch mal einen Tipp abgeben, wer denn nun den CDU-Vorsitz für sich entscheidet und dann darf Ingo Zamparoni über die „UN-Klimakonferenz in Katowice 2018“ berichten. Die nächste große Baustelle – weitestgehend unbeachtet von den Kritikern im Schatten von Migrationspakt und Flüchtlingspakt.