Das Undenkbare wird geplant: Wie kann ein Land aus dem erlauchten Kreis der Euro-Währungsunion ausgeschlossen werden? Wer darf oder muss die Europäische Union verlassen, was passiert, wenn ein kleines, zwei mittlere und ein großes europäisches Land den Staatsbankrott erklären? In Brüssel und den europäischen Hauptstädten werden Rechtsgutachten erstellt, und es wird über milliardenschwere Hilfspakete nachgedacht. Im Jahre zwölf ihres Bestehens droht die gemeinsame Währung, der Euro, zu platzen, und dabei geht es nicht nur um ein bequemes Zahlungsmittel, das Touristen den mühseligen Geldumtausch beim Städtetrip nach Athen erspart: Schon bloßes Gerede über eine Währungskrise zerstört das Vertrauen, vernichtet Arbeitsplätze und führt zu politischen Spannungen. Wie ein eitriges Geschwür platzt auf, wovor Kritiker der gemeinsamen Währung von Anfang an gewarnt haben und wofür sie vom politischen Establishment der Panikmache bezichtigt wurden: Eine gemeinsame Währung kann nicht funktionieren, wenn die zwangsvereinigten Länder sich wirtschaftlich zu weit auseinanderentwickeln, wenn es keine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt, wenn die Regeln für Arbeitsmärkte, Lohnfindung und Gewerkschaftspolitik zu unterschiedlich sind.
Am Pranger steht das arme Griechenland, das sich den Zutritt in den Club der reichen Europäer mit gefälschten Zahlen erschwindelt hat. Aber das haben die Verantwortlichen in Brüssel sehr wohl gewusst; heute jammern sie wie betrogene Betrüger. Allen Beteiligten war klar, dass Griechenland mitgeschleppt wird und klein genug ist, dass das gemeinsame Europa dies schon packen würde. Aber jetzt geht es auch um Portugal, um Spanien mit seiner künstlich aufgepumpten Bauwirtschaft, um Italien mit seiner notorisch unsoliden Finanzpolitik. Irland hat das Desaster der Finanzkrise, die dies alles brutalstmöglich offengelegt und verschärft hat, mit seiner laxen Bankenregulierung mit verursacht. Aber Dublin spart die Insel knallhart gesund. Bis zu 15 Prozent Lohnsenkung für den öffentlichen Dienst – bei so einem Bußgang würden in Madrid, Athen und Rom die Straßen brennen, lichterloh.
Und wieder richtet sich der Zorn auf Deutschland. Nachdem es mit seiner Wirtschaftsmacht und der Härte seiner Währung Europa ökonomisch dominiert hat, sollte es durch den Euro eingezäunt und gezähmt werden. Aber es ist anders gekommen: Weil sich seine Arbeitnehmer-Heere mit niedrigen Lohnzuwächsen zufriedengeben, überrollt die Exportwalze erneut die europäischen Konkurrenten.
Vor der Einführung des Euro wehrte man sich mit Abwertung von Lira und Franc; aber im gemeinsamen Währungsraum gibt es gegen Angriffe mit sinkenden Lohnstückkosten und Produktivitätsfortschritten keine Gegenwehr. Zudem ist die Europäische Zentralbank in Frankfurt vom teutonischen Virus infiziert und betreibt eine strikte Stabilitätspolitik. Das macht europäischen Exporteuren den Verkauf nach Asien und in die USA noch schwerer; noch weigert sich die Bank, allzu windige Staatsanleihen aus Südeuropa anzukaufen.
Weil Deutschland der Gewinner und Profiteur der gemeinsamen Währung ist, wird es den größten Teil der Anpassungslasten bezahlen müssen. Es wird nicht so plump vor sich gehen, wie griechische Rechtspopulisten hoffen, die Kriegsreparationen von Berlin fordern. Das macht man subtiler über Liquiditätsspritzen aus Brüssel, also nur indirekt aus den Berliner Kassen, oder über eine gemeinsame europäische Staatsanleihe, die den deutschen Stabilitätsvorteil in Form niedriger Zinsen an die Partner weitergibt. Es darf auch eine schleichende Abwertung des Euro sein, die den Rohstoffimport der Deutschen verteuert.
So oder so wird der Euro ein bisserl zum Teuro.
(Erschienen am 16.01.2010 auf Wiwo.de)