Tichys Einblick
Experiment Regionalkonferenzen

CDU: Kandidaten-Kür außer Kontrolle?

Der Generalstab im Kanzleramt plant schlecht, eigentlich gar nicht, sondern wie seine Herrin nur auf Sicht. So kann es sein, dass mit den Regionalkonferenzen etwas passiert, was nie gewollt war: die Mitglieder glauben zu machen, sie hätten etwas zu sagen.

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Der Generalstab im Kanzleramt plant schlecht. Für die ursprünglichen drei Kandidaten, den 26-jährigen Berliner Jura-Studenten Jan-Philipp Knoop, den hessischen Unternehmer Andreas Ritzenhoff (61) und den Bonner Staatsrechtler Matthias Herdegen (61) hätte es keine Regionalkonferenzen zu ihrer Vorstellung gegeben. Daran hätte auch die Kandidatin der Kanzlerin, Annegret Kramp-Karrenbauer (56) allein nichts geändert. Als aber Jens Spahn (38) und Friedrich Merz (62) hinzutraten, war die Deutschlandrundreise der drei prominenten Kandidaten unvermeidlich: besser die Medien selbst beschäftigen, als völlig wild und frei durch die Landschaft spekulieren lassen.

Aber da der Generalstab im Kanzleramt schlecht plant, eigentlich gar nicht, sondern wie seine Herrin nur auf Sicht, von steuern keine Rede, kann es sein, dass mit den Regionalkonferenzen etwas passiert, was nie gewollt war. Die Mitglieder der CDU könnten auf die Idee kommen, dass sie etwas zu sagen haben. Nicht auszuschließen, dass diese exotische Idee auf etliche der 1.000 Delegierten des Bundesparteitages übergreift. Regionalkonferenzen sind ein gefährliches Instrument. Ich weiß, wovon ich rede. Und erinnere mich an welche, wo in der FDP damit die Mehrheit gegen den Willen mächtiger Landesfürsten gedreht wurde.

Regionalkonferenzen gehören nicht zur Machtstruktur von Parteien: Die ist in Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesvorstände gegliedert. Diese diszplinieren die Mitglieder durch von ihnen gewählte Delegierte auf Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesparteitagen. Bei Regionalkonferenzen kommen nun Mitglieder quer durch diese Parteiebenen zusammen, sogar aus verschiedenen Landesverbänden: für die Dauer der Konferenz außerhalb der Kontrolle durch Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesvorsitzende. Was daraus wird, weiß keiner. Zur Homogenisierung der Partei im Sinne der Führung tragen diese Konferenzen gewiss nicht bei.

Vielleicht geht es harmlos aus, vielleicht zieht nur eine positive Gefühlswelle durch die zum Abnickverein verkümmerte CDU, die zwar bald wieder vergessen ist, aber im Moment entspannend wirkt. Vielleicht aber kommen da welche, vielleicht viele, auf den Geschmack und wollen in Zukunft mitreden, nicht nur abnicken. Ein Experiment, von dem nur eines sicher ist: Die im Generalstab im Kanzleramt haben das nicht überlegt. Jedenfalls haben sie es nicht im Griff.

Nicht auszuschließen, dass es trotzdem so läuft wie bei Frau Merkel bisher in Personalfragen mit Ausnahme des Kauder-Sturzes immer. Aber wenn es einmal daneben ging, warum nicht ein zweites mal?

Ob Merz sich damit schon aus dem Rennen genommen hat? Möglich. Erst widerspricht ihm Boris Palmer, das schadet Merz auch in der CDU, wo er doch die Grünen zuvor schon als Partner ins Visier nahm. Dann lobt die AfD Merz für seine erst sehr kritisch klingenden Asylrechtsgedanken. Das hätte sich einer, der den Kontakt zu Politik und Medien nicht verloren hat, denken können. Jedenfalls hat Merz damit seine USP, seinen Unterschied zu den beiden anderen, verspielt. So dass die Karikatur, mit der Robin Alexander dieses Alleinstellungsmerkmal von Merz zeigt, als allzu kurzlebig schon nicht mehr stimmt:

Als schade sein Zick-Zack zum deutschen Asylrecht ihm nicht genug, verliert Merz Journalisten gegenüber die Selbstkontrolle:

„Offene Häme schlägt AKK von den mehr als 400 Leuten aus dem Saal entgegen, als sie einräumt, dass man zu spät über den Migrationspakt diskutiert habe.”, berichtet Ralf Schuler von der vierten Regionalkonferenz für 400 Mitglieder aus Sachsen und Sachsen-Anhalt in Halle: »Ein langgezogenes, gespieltes „Ohhhh“ durchzieht den Saal. – Als sich Kramp-Karrenbauer für den Migrationspakt ausspricht, rührt sich kaum eine Hand.«

Punkte bei den verbliebenen Konservativen in der CDU wie Merz mit dem Asylrecht will auch Kramp-Karrenbauer machen, wenn sie die doppelte Staatsbürgerschaft zu kippen verspricht. Spahn hat hier vielleicht das beste Gespür, indem er für eine Abstimmung über den UN-Migrationspakt auf dem Parteitag und eine Verschiebung der Annahme des Abkommens durch Deutschland ist.

Zur Halbzeit der acht Regionalkonferenzen präsentiert das ZDF im Politbarometer, wer von den drei Kandidaten wie bei den Befragten abschneidet:

„Im Vergleich zu vor zwei Wochen kann Annegret Kramp-Karrenbauer bei den Unions-Anhängern mit 38 Prozent (plus drei) ihren Vorsprung auf Friedrich Merz mit 29 Prozent (minus vier) ausbauen.

Jens Spahn bleibt mit nur sechs Prozent (minus eins) deutlich abgeschlagen. Zwölf Prozent der Unions-Anhänger ist es egal, wer CDU-Vorsitzende(r) wird und weitere 15 Prozent können oder wollen diese Frage nicht beantworten.”

Den Ziffern stellt das ZDF voran:

„Zwar entscheiden nur die Delegierten des Parteitags, wer an die Spitze der CDU gewählt wird, bei dieser Entscheidung dürfte aber auch die Akzeptanz in der Bevölkerung und vor allem in der Unions-Anhängerschaft eine wesentliche Rolle spielen.”

Dass hier für die Kandidatin der Kanzlerin geworben wird, springt jedem ins Auge, der noch nicht wusste, dass Frau Merkel im ZDF und deren Forschungsgruppe Wahlen ihre zuverlässigsten Batallione der veröffentlichten Meinungsbildung hat.

Umso spannender wird es sein zu sehen, ob 1.000 Delegierte der CDU dem Politbarometer folgen oder sich nicht zuletzt ausgelöst durch die Diskussionen auf den acht Regionalkonferenzen in vielen Gesprächen danach ihre Meinung bilden. Es wäre ein Hoffnungszeichen für die Demokratie, wenn viele es täten.

Fußnote: Neues vom demoskopischen Parteienpegel.

Screenshot ZDF
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