Tichys Einblick
Lehrreich

Bei hart aber fair: Clan-Kriminalität auf Abwegen

Da spürt der ehemalige Rechtsextremismusexperte Sundermeyer mal am eigenen Leibe, wie sich so ein Vorwurf wie Rassismus anfühlt, wenn man ihn partout nicht teilen mag, wenn man nicht einmal versteht, wie er einen treffen kann.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Hat Olaf Sundermeyer begriffen, dass seine Tätigkeit als selbsternannter Rechtsextremismus-Experte inflationär ist insofern, dass ihm immer mehr Soziologen, Journalisten oder womöglich beides in Personalunion diesen talkshowkompatiblen Posten streitig machen wollen? Jedenfalls hat sich Sundermeyer offensichtlich ein zweites Standbein aufgebaut, wenn er bei Hart aber Fair als Clan-Kriminalitätsexperte auftritt. Thema der Sendung: „Das kriminelle Netz der Clans – sind Justiz und Polizei machtlos?“

Jetzt allerdings passiert etwas Kurioses. Ausgerechnet der Rechtsextremismus-Experte sieht sich plötzlich bei Hart aber Fair dem Rassismusverdacht ausgesetzt. Autsch. Der, der sich mit Sundermeyers Clan-Erkenntnissen nicht zufrieden gibt, ist Mitglied im Rat der Stadt Essen für Bündnis 90/Die Grünen und hat ein Problem mit seinem Nachnamen. Also er leidet richtig darunter, denn die Familie „Omeirat“ kennt man im Ruhrpott nur als libanesischen Clan.

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Und Ahmad Omeirat behauptet, wegen dieser Namensgleichheit hätte er einst über zweihundert Bewerbungen erfolglos geschrieben, während andere Migrantenkinder aus seiner Schulklasse schneller in Brot und Arbeit standen. So ganz versteht man es noch nicht, aber es muss wohl so sein, als wenn man im Kino-Epos Der Pate „Corleone“ mit Nachnamen heißt, aber nicht Gangster, sondern einfach nur Tischler werden will, alle Tischler der Gegend aber Fracksausen bekommen.

Nun wird auch der Faktencheck am nächsten Morgen nicht herausfinden können, welche Noten Ahmad auf seinem Zeugnis hatte. Möglicherweise war er Musterschüler oder auch das genaue Gegenteil. Letzteres kann dann schon mal zu zweihundert Bewerbungen führen, aber wir wissen es nicht. Der hessische Landtagsabgeordnete und TE-Kolumnist Ismail Tipi allerdings lässt so etwas nicht gelten, als er uns im Interview sagte: So etwas sei doch überholt. „Der Klang des Namens zählt schon lange nicht mehr. In Deutschland wird nach Leistung geschaut und beispielsweise danach, ob jemand Leerlauf in seinem Lebenslauf hat.“

Ahmad Omeirat veröffentlicht Hassbriefe, die er bekommt. Nun wäre es interessanter zu erfahren, wie viel Hass ihm von besagten Omeirats entgegengebracht wird, wenn er meint, sich öffentlich distanzieren zu müssen von deren Machenschaften, wenn er Zeitungen beispielsweise erzählt: „Ich bin nicht der junge Mann, den die Mafia vorschickt“.

Omeirat möchte zwei Dinge nicht mehr: Zum einen nicht, dass der Begriff „Clan“ verwendet wird und zum anderen sollen wir, wenn wir über arabische, libanesische, kurdische, albanische oder sonst welche Clans reden, nicht mehr den ethnischen Bezug erwähnen. Das wäre rassistisch. Da schüttelt nicht nur Sundermeyer den Kopf, sondern auch Petra Leister, Michael Kuhr und Herbert Reul. Eine Oberstaatsanwältin am Berliner Landgericht, zuständig für organisierte Kriminalität, der Betreiber eines Sicherheitsdienstes in Berlin und mehrfacher Kickboxweltmeister und der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen.

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Keinen Widerspruch erntet Omeirat bei Burkhard Benecken. Der Anwalt (oder Clan-Anwalt?) vertritt bzw. vertrat beispielsweise den palästinensisch stämmigen Abou-Chaker-Clan, in „Der Pate“ wäre er also so etwas, wie der Consigliere der Familie. Nun klappt es zwar noch nicht so ganz mit cineastischem Gestus und Mimik, aber phasenweise schimmert dann doch dieser minimalistisch bedrohliche Stil eines Tom Hagens durch, der im Film von Robert Duvall gespielt wird. Benecken macht das gut, aber es kann auch Zufall sein, denn immerhin ist er auch einmal Anwalt von Starkoch Frank Rosin, Fußballstar Leon Goretzka, Schauspiellegende Nastassja Kinski und Reality-TV-Star Gina-Lisa Lohfink gewesen; der Abou-Chaker-Clan leistet sich also keinen Unbekannten.

Plasberg eröffnet mit einem Schmunzler: „Nein, nicht jeder Besitzer eines hochglänzenden oder extra matten AMG Mercedes ist ein gefährliches Clan-Mitglied, vielleicht ist er einfach nur ein erfolgreicher Geschäftsmann oder entstammt einer wohlhabenden Familie.“ Oder alles zusammen Herr Plasberg? Clan, Erfolg im Business und aus einer reichen Clan-Familie, die nur pro Forma noch beim Sozialamt gemeldet ist? Fährt der Herr Anwalt einen AMG Mercedes?

Ein Einspieler legt Fakten vor: 22 Prozent der Ermittlungen im Bereich organisierte Kriminalität richtet sich gegen Tatverdächtige aus arabischen Clans.

„Sie sind erkennbar kein arabisches Familienmitglied“, so Plasberg zu Sundermeyer verbunden mit der Frage, wie er es denn geschafft hat, sich für seine Reportage Zugang zu den Clans zu verschaffen. Nun könnte man da geteilter Auffassung sein. Aber wir wollen Plasberg hier einmal alleine lassen, wenn er die Büchse der Pandora hin zu Physiognomien aufmachen will.

Sundermeyer hat – nach Selbstbekunden „unfassbare“ – dreißig längere Gespräche mit Clan-Mitgliedern geführt. Der grüne Ahmad Omeirat wird ihm gleich in etwa vorhalten, er würde den Cans auch ein Forum bieten. Diese Form der medialen Selbstdarstellung würde auch zum kriminellen Geschäft gehören. Aber es sei Teil seiner Arbeit, auch damit „reflektiert umzugehen“, so Sundemeyer. Der gibt zu bedenken: In der Öffentlichkeit stattzufinden sorgt dafür, dass man ihnen (den Clans) auch eine Wirkungsmacht möglicherweise zuspricht, die sie gar nicht haben, so wirkt Einschüchterung, so wirkt Angst, beispielsweise auf Zeugen vor Gericht.

Der Kickbox-Weltmeister Michael Kuhr ist ein interessanter Typ. Seine sportliche Karriere ist einzigartig. Längst ist er in die Hall of Fame seiner Sportart aufgerückt, sein Sicherheitsunternehmen schützt in Berlin die A-Prominenz. Kuhr arbeitet von Anfang an eng mit Polizei und LKA zusammen. Und seine Aussage trug mit dazu bei, dass ein spektakulärer Raubüberfall aufgeklärt werden konnte.

Dafür ging beim LKA ein Hinweis auf einen Mordanschlag gegen Kuhr ein, woraufhin die Mordkommission als Präventionsmaßnahmen die zwei ranghöchsten Brüder des Abou-Chaker-Clans zur Gefährderansprache ins Polizeirevier vorlud. Michael Kuhr erzählt davon, wie die Araberclans beginnend seit den 1980er Jahren die deutschen kriminellen Vereinigungen mit äußerster Brutalität vom Markt gedrängt haben, aus dem Drogenmilieu, der Prostitution, Raubüberfällen usw. „Die Araber waren bereit zu schießen, die Deutschen nicht unbedingt.“

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Schöne Kamera-Arbeit bei Hart aber Fair: Während Anwalt Benecken ausführt, wie schlecht über diese Clans öffentlich geredet und geschrieben wird, wird Sundermeyers Kiefermuskel eingeblendet, der ein paar wütende Kaubewegungen hinlegt, die man sonst nur von seinen Gegenüber kennt, wenn Sundermeyer als Rechtsextremismusexperte durch die Talkshows tourt.

Das darf hier erwähnt werden: Das Team hinter Plasberg leistet exzellente Arbeit, die Schnitte stimmen perfekt. Gibt es ein Bezug zu irgendetwas vorher Gesagtem, erinnert sich die Kamera sofort. Die Fußballberichterstattung kann hier noch einiges lernen, wenn der Pass zum Tor wieder nur zur Hälfte gezeigt wird. Beneckens Plädoyer für die Harmlosigkeit arabischer Clanfamilien jedenfalls lässt im Anschluss dessen berufliche Exzellenz durchblicken.

Der grüne Ahmad Omeirat mit dem im Ruhrpott kontaminierten Nachnamen möchte nicht, dass Delikte ethnisiert oder instrumentalisiert werden. Sundermeyer schüttelt den Kopf. Und er wird es im Laufe der Sendung Richtung Omeirat noch öfter tun. Vielleicht muss man auch das nicht erwähnen, so wie Plasberg die Physiognomie Sundermeyers nicht hätte thematisieren brauchen, aber Omeirats gesprochenes Deutsch verrät den Migranten, was verwundert, ist er doch in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen. Das soll hier nicht abwertend gemeint sein, sondern als ehrliches Interesse, woran so etwas liegen könnte (Elternhaus?).

Oberstaatsanwältin Petra Leister möchte solchen und weiteren Einlassungen nicht folgen. Ihr ist es egal, ob man nun Großfamilie oder Clan sagt, sie hat die Fälle auf dem Tisch und in der Runde den mit Abstand größten Überblick, was da wirklich an Kriminalität passiert, welche DNA-Spuren da immer wieder gefunden werden und welche immer gleichen Anwälte dann am nächsten Tag aufmarschieren.

Dann noch mal der Anwalt: „Mein Mandant Arafat Abu Abou-Chaker wird als der größte Clanchef hingestellt. Was hat der für ein Vorstrafenregister? Der hat eine saubere Weste.“ Und Richtung Sundermeyer: „Sie behaupten einfach. Das ist doch kein Journalismus, dass ist eine Hetzjagd.“, sagt der Anwalt zum ehemaligem Rechtsextremismusexperten, der jetzt plötzlich zum rassistischen Araberclan-Experten mutiert ist. Auweia. Lernt er aus solchen Anwürfen etwas? Erlebt er, was grade passiert als so etwas wie eine Konfrontationstherapie? Sundermeyer legt noch einen drauf: „Im Übrigen haben wir diese Clan-Kriminalität nicht nur bei arabischen Großfamilien, die finden wir bei Roma in Deutschland, die finden wir bei Jesiden, bei Albanern.“

Innenminister Herbert Reul (CDU) erinnert daran, dass diese Clan-Probleme auch ein stückweit hausgemacht sind, als geduldete Familien ab den 1970er Jahren in Deutschland keine Arbeitserlaubnis hatten und auch die Integrationsbemühungen gering waren, ging man doch davon aus, dass diese Familien bald wieder in ihre Heimatgegenden zurückkehren würden.

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Ahmad Omeirat versöhnen aber auch solche Töne des Innenministers nicht, wenn er ihm vorwirft: „Wer in seinem Wording so eine Art Framing wie ‚Clan’ betreibt, meint es mit der Integration gar nicht ernst.“ Als er dann wiederholt auch gegen Sundermeyer verbalisiert, fallen dem Sätze über Clan-Familien ein, wie dieser: „Mütter die ihre Kinder zum Klauen schicken.“ Einwand Omeirat: „Aber ihre ethnische Herkunft hat nichts damit zu tun.“ Sundermeyer: „Doch!“. Omeirat: „Jetzt müssen wir uns wirklich fragen, wie weit ist diese Debatte rassistisch?“

Und was macht der ehemalige Rechtsextremismusexperte Sundermeyer? Er lächelt kopfschüttelnd. „Sie haben doch bewiesen, dass es geht, schützen sie nicht die anderen.“, legt der Innenminister Richtung Omeirat nach.

Wenigstens im Gesicht von Sundermeyer scheint sich im Laufe der Sendung so etwas wie eine Erkenntnis einzugraben, jetzt, wo ihm Herr Omeirat das Gewand des Rassisten übergestülpt hat. Da spürt der ehemalige Rechtsextremismusexperte Sundermeyer mal am eigenen Leibe, wie sich so ein Vorwurf anfühlt, wenn man ihn partout nicht teilen mag, wenn man ihn nicht einmal versteht.

Abschließend besonders erwähnenswert ist ein Beitrag von Michael Kuhr, dem irgendwann der Kragen platzt, als er in Lautstärke Tacheles redet und den Fokus auf ein für ihn viel wichtigeres Problem zu lenken versucht: „Ich rede nicht von den Leuten, die jetzt schon seit dem Bürgerkrieg hier sind. Das sind Deutsche. Ich rede von der neuen Flüchtlingswelle. Wenn die mitbekommen, was die hier alles machen dürfen, was davor schon die Jungs gemacht haben und können nicht abgeschoben werden … das muss Ausmaße annehmen.“, warnt der Sicherheitsdienstler Kuhr. Und da versteinert dann die Runde angefangen beim zwischen die Stühle gerutschten Herrn Sundermeyer. Auf dieses dünne Eis traut sich nun keiner mehr. Muss auch niemand, denn die Sendung ist zu Ende.


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