Bei Anne Will: Nahles predigte, Altmaier gähnte – aber da müssen sie jetzt durch!
Stephan Paetow
Anne Will fragte: Der Machtverlust – gelingt den Volksparteien ein Neuanfang? Wir fragen zurück: Volksparteien? Welchen Volksparteien?
Tagsüber zauberte der Herrgott einen herrlichen Herbsttag übers Land – die Sonne strahlte wie bestellt an Roland Tichys Geburtstag –, Raucher freuten sich über die letzten Möglichkeiten im Biergarten zum Hefeweizen ein Zigarettchen anzuzünden, über das Mobiltelefon flimmerten zwischendurch die neuesten Nachrichten über Gottschalks Mühle in Malibu (abgebrannt), Ribérys Zusammentreffen mit TV-Experten (handgreiflich?) und Horst Seehofers Rücktritt (im nächsten Jahr).
Aber es gibt kein ungetrübtes Glück, am Abend wartete die Pflicht. Anne Will: journalistische Bemühungen im Ersten. Obwohl wir uns mehrmals während der Sendung bei der Dame unseres Hauses versicherten, dass wirklich nur 55 Minuten Sendezeit vorgesehen waren, kam es uns wie zwei Stunden vor. Natürlich war von Anfang an klar, dass das eine schreckliche Sendung würde. „Der Machtverlust – gelingt den Volksparteien ein Neuanfang?“ SPD und Volkspartei – was für ein Quatsch! Die Genossen liegen bei 15 Prozent.
Die Vorsitzende Andrea Nahles hätte ein aus fremden Gestaden Zugereister wohl, breitbeinig wie sie da saß, als Vertreterin der Arbeiterschaft eingeordnet, ihren Worten nach aber saß sie dort als Vertreterin eines Europas, finanziert von der deutschen Arbeiterschaft. Peter Altmaier aus dem Saarland, machte, nach allen Regeln der Butterfahrten-Kunst, Werbung für Annegret Kramp-Karrenbauer, als sei die eine Heizdecke. Seine innerparteilichen Gegner, sprich Parteifreunde, sollten den Mann nicht unterschätzen, wie er den Friedrich Merz abservierte, das war schon Bundesliga. „Der Friedrich Merz hat ja auch ein Papier unterschrieben, wo er dafür eintritt, die europäische Arbeitslosenversicherung einzuführen“, lobte Peter Fritzes Engagement für das Heilige Europa (EU), und gab Anne Will die Gelegenheit, forsch einzuwenden: „… und er hat sich davon wieder distanziert!“ Einzige Frage, die bleibt: Musste Peter die Volte mit Anne einüben?
Bevor wir zu den anderen Gästen kommen, für schnelle Leser die Quintessenz der Sendung in wenigen Worten aus dem Munde von Genossen, die bei Andrea Nahles’ Debatten-Camp der SPD in Berlin aufgenommen wurden.
Wofür steht die SPD, wurden Camp-Teilnehmer gefragt. Die Antworten in gegebener Reihenfolge: „Für nix.“ „Für Freiheit + Frieden + Frauen.“ „Für Soziale Gerechtigkeit, wenn man dieses blöde Wort noch verwenden darf.“ „Für Bildung.“ Das war wahrscheinlich lustiger als die heute-Show, obwohl wir das nicht beurteilen können.
Ein einst liberaler Zeitgenosse, nun ein SPD-Genosse, fällte abschließend das Todesurteil: „Wir können nicht kommunizieren und können kein Recruiting“. Womit wir als lebendem Beweis wieder bei Andrea Nahles wären. Erst aber kommen die anderen Gäste dran. Jürgen Trittin, der grüne Altkommunist, fragte süffisant, ob Alexis Tsipras der passende Gast im Debatten-Camp sei, schließlich habe der mit seiner Partei die griechischen Sozis endgültig verschrottet. „Und der regiert mit den National-Konservativen“, wusste Peter. Volksparteien hält Trittin für überflüssig, kleine Parteien unter Führung der Grünen wären viel besser.
Christoph Schwennicke von „Cicero“ berichtete von einem traumatischen Morgenerlebnis, als er im Radio einen Genossen Miersch in empathischen Worten leidenschaftlich über ein Thema parlieren hörte, und erst später erstaunt vernahm, worum es ging: Ob Ferkel bei der Kastration betäubt werden sollten. Zwar waren alle auf der Seite der Ferkel, aber bis auf Andrea begriffen sie gleichwohl, was Schwennicke sagen wollte: Die SPD habe eine eher suizidal gestimmte Funktionärselite, die keinen Kontakt mehr zu den Bürgern und deren Sorgen habe.
Wahrscheinlich rangiert das Thema beim Bürger knapp über dem Bedeutungsgrad von Ferkel-Kastrierung, aber die Öffentlichrechtlichen haben gerade nichts Wichtigeres: Die drei Fragezeichen der CDU. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, stellte fest „amüsiert ist man schon“, wenn man sieht wie sich Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn da abmühen. Aber was sollen sie machen? Eine Volkspartei muss nun mal alle Bereiche abdecken, von Sicherheit bis Sozialpolitik. So sei das auch zu verstehen, wenn AKK fordert, dass Vergewaltiger nicht mehr in den Schengenraum dürften. Trittin beruhigte die Schneeflöckchen vorm TV, das würden grüne Richter schon verhindern. Alle dürfen bleiben. Schwennicke analysierte: Jeder Kandidat tüncht sein Konterfei. „AKK kämpft gegen das Mini-Merkel-Image, Merz gegen das Neoliberale, und Spahn …“ Der scheint schon abgemeldet. Schwennicke wäre „Merz ganz lieb. Eine grün gestimmte Kanzlerin, die sozialdemokratisch regiert und in der CDU ist, da wäre ein Gegenpol gut.“ Wäre, wäre, Heckenschere – der Merkelwahlverein wird schon wissen, welche Kandidatin zu wählen ist.
Nahles durfte dann endlos referieren, was sie alles plant: Totalsanierung des Sozialstaats, Alle in die Rentenversicherung. Ende der Zwei-Klassenmedizin. Hartz 4 weg. Plus jede Menge Visionen auf Debatten-Camps. Eine unhöfliche Kamera fing dabei Peter ein, der kräftig gähnte. Professorin Münch kann die Tirade zur Bestätigung ihrer These nehmen „Es fehlt den Parteien der Kontakt zum Volk“. „Der Mensch nimmt die Parteien wie Staatsapparate wahr, als verlängerten Arm des Staates.“ Was uns an zwei sozialistische Phasen der deutschen Geschichte erinnert. Einzige Hoffnung: Nahles hat nur 15%. Damit es wieder mehr werden, will sich auch der ÖRR, bei dem viele, viele Genossen dienen, mehr ins Zeug legen. Die ARD plant eine Themenwoche „Gerechtigkeit“. Moderator Martin Schulz?
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