Kaum hat man 13 Jahre lang wie verrückt behauptet, dass diese Kanzlerin sich durch die Weltgeschichte stümpert, schon kündigt sie an, in drei Jahren damit aufhören zu wollen. Das nenne ich Erfolg. Ich weiß gar nicht, womit ich in Zukunft meine Kolumne füllen soll. Es ist ein Kreuz.
I.
Merkelinischer war sie nie: Das Klammern am Kanzleramt als Loslassen zu verkaufen, ist große Kunst. Nur keine Staatskunst.
II.
Von Kohls unterschätztem Mädchen zur überschätztesten Kanzlerin der Nachkriegsgeschichte: Was für eine Karriere!
III.
In Deutschland wird seit jeher das Festhalten am Amt mit Festigkeit im Amt verwechselt.
IV.
Die Kunst des Rücktritts: einen Sturz so aussehen zu lassen, als erhebe man sich über die Niederungen des Machtkampfs.
V.
Historisch oder doch nur hysterisch? Verlustangst im Mainstream.
VI.
Ein Merz macht noch keinen Frühling.
Ein Spahn noch keinen Dachstuhl.
Eine Karrenbauer noch keine Triebwerkingenieurin.
Ein künftiger Vorsitzender noch keine bessere Zukunft.
VII.
Sitzt die Vorsitzende nicht mehr vor, sitzt die Partei nach.
VIII.
Seehofers Krokodilstränen sind echt. Sie gelten ihm selbst.
IX.
Die CDU soll „Freude haben“ an dem, was nun kommt, sagt die große Vorsitzende. Da hat sie recht. Sie wird noch ihre Freude haben.
X.
Das Kandidieren mehrerer Personen wird hierzulande schnell als Machtkampf denunziert. Diesem Volk ist nicht zu helfen. Es liebt die Demokratie, aber nur in Grenzen.
XI.
Paradox 1: Sie nennt es „persönliches Innehalten“. Was für ein Fortschritt!
Paradox 2: Merkel war nie weg, aber auch nie da, wo man sie gebraucht hätte. Wenn sie bald so weit ist, ist sie immer noch da, wo sie nicht sein sollte.
XII.
Andere Parteien tragen auch ihr Kreuz. Wenn „Merkel muss weg“ der Hauptgrund dafür ist, AfD zu wählen, ist der bald auch weg.
XIII.
Die SPD steckt in einem Dilemma. Bei Neuwahlen würde sie abgestraft. Also meidet sie Neuwahlen. Dafür wird sie abgestraft.
XIV.
Es ist noch nicht vollbracht.
UNVERMEIDLICHER NACHSATZ: Die Haltbarkeit von Hoffnungsträgern in Deutschland ist mittlerweile kürzer als die eines Hühnereis. Nichts gegen Jens Spahn. Aber der andere, Friedrich Merz, ist noch gar nicht richtig da, wird er schon beargwöhnt und demontiert. Er ist länger kein Berufspolitiker mehr gewesen, hat viel Geld verdient, auch noch bei einer mächtigen Geldfirma. Wie schändlich! Schon wird die Moralkeule geschwungen. Ach, wäre er nur ein cremiger Schwätzer! Die meisten Deutschen wollen ihre Politikerkaste genau so, wie sie leider ist.