Während diese Zeilen entstehen haben wir immer noch das seltsame Klingeln im Ohr: Tinnitus? Oder die Nachwirkungen vom Annalena-Baerbock-Endlosmonolog? Mal sehen ob es irgendwann nachlässt. Trotzdem frisch ans Werk!
Sollten Sie allerdings erwarten, dass im Folgenden alle Sprüche von Paul Ziemiak (Typ Autoverkäufer im dritten Lehrjahr, „machen wir“, „können wir“, „kein Problem“, „ich freu mich drauf“) oder Annalena Baerbock (grüne Dauerwerbesendung-Moderatorin, die zum wiederholten Mal in Folge den Dieter-Thomas-Heck-Schnellsprechpreis im Hochfrequenzbereich gewonnen hat) zitieren, brauchen Sie gar nicht weiterzulesen. Das kann keine Redaktion bezahlen! Bei Ralf Stegner, dem dritten Berufspolitiker in der Plasberg-Runde, kommt es erfreulicher- wie bekanntermaßen eh nicht so sehr auf die Sätze an. Stegner ist das perfekte Gesicht zu jeder Wahl, der SPD-Sympathieträger aus dem Norden wirkt ohne Worte besser als mit, außerdem mault er, selbst wenn er jemanden lobt.
„Ich werde nicht wieder für den Vorsitz der CDU kandidieren“ hatte tatsächlich Angela Merkel in untypischer Klarheit gesagt, und nun ist das „politische Berlin“ völlig aus dem Häuschen. Demokratie in der Union! Unglaublich, die dürfen tatsächlich eine neue Vorsitzende wählen! Hätten nur die Dreisten Drei bei Hart aber Fair gesessen, wir hätten schnell abgeschaltet. Aber da war auch Werner Hansch in der Sendung, der betagte Sportreporter, der mit seinem vornehmen Ruhrpott-Akzent Heimatgefühle an ein altes Deutschland hochkommen ließ. Stan Libuda. Ente Lippens (Gib mich die Kirsche!), nä, is dat schön.
Dem alten Ballspielkenner ist klar, „es muss in der Nacht wat passiert sein, dass dieser Rücktritt heute kam“. Und Hansch setzte schon zum Nachruf an. „Irgendwann verbrauchst du dich“. Merkel sei nur so lange an der Macht geblieben wegen ihrem „kleinen Machtzirkel, plus Verdrängungstalent, mit vielen Menschen am Wegesrand, die im Laufe der Zeit entsorgt wurden.“ Merkel habe „immer abgewartet und ist dann aufn Zug aufgesprungen.” Der Gerd Schröder „der hätte einmal auffn Tisch gehaun, da hätten die Tassen geklingelt von Altötting bis Kiel.“ Und das hätte Hansch besser gefallen.
Mit Robin Alexander („Welt“) bereicherte ein Kenner der Berliner Verhältnisse die Gästeliste, der zu den möglichen Nachfolgekandidaten (AKK, Spahn, Laschet, Merz) erläuterte: „Mit AKK (das Merkelchen, Anm. d. Autoren) würde das Erpressungspotential der Kanzlerin (Posten, Wahllisten) erhalten bleiben.“ Bei den anderen würde Merkel wohl zur „lame duck“. Und Robin Alexander räumte mit manchen Klischees über die Kandidaten auf. Jens Spahn vertrete als Gesundheitsminister linke Positionen „und ist mit einem Mann verheiratet – wo ist das konservativ?“ „Friedrich Merz ist neoliberal“. Aber für AKK ist die Ehe nur für Mann und Frau. Übrigens helfe es der Union kaum, wenn der neue Parteichef bei den Grünen Beifall finde. Ralf flunkerte, Spahn sei der Lieblingskandidat der SPD, wobei das natürlich Friedrich Merz wäre. Annalena kannte Merz gar nicht.
Eine Berliner Straßenbefragung, bei der Bilder der Kandidaten gezeigt wurden, (Spahn „um Gottes willen“, so ein Mann. „Die fände ich gut“, sagte eine Frau über AKK, „weil sie eine Frau ist“ und bei Merz lautete der Kommentar: „Lange nicht mehr gesehen.“) ergänzte die Profile.
Und Plasberg, der knallharte Journalist, brachte dann das Thema, um das sich (fast) alle Parteien während der letzten Wahlkämpfe herumgewunden hatten, das aber dennoch wahlentscheidend war: „Flüchtlinge”. (Das hier die Nettogewinner der Hessenwahl, die AfD, nicht geladen war, hat inzwischen Methode.) So fragte Plasberg die Falschen: Ob Merkels 2015 die gleiche Wirkung für die CDU habe wie Schröders Agenda für die SPD?
Die Antworten der Dreisten Drei können wir mit den Worten Robin Alexanders zusammenfassen: „Das ganze politische Berlin war einverstanden mit Merkels Politik, aber draußen hörte sich das etwas anders an.“
„Die Wucht der Zahlen hat doch keiner geahnt“, stöhnte Hansch. Doch, verehrter Fußballfreund, Merkel, Regierung und Geheimdienste haben das nicht nur geahnt, die haben das gewusst. Annalena B. nutzte die Gelegenheit zu einem Vortrag, der, von Fakten kaum getrübt, von der Genfer Flüchtlingskonvention bis zum Verfassungsgericht mäanderte, und nur eine kurze Unterbrechung fand, als Alexander ein paar Fakten zum Thema Grüne und „Flüchtlinge” präsentierte: „Sie haben auch den Balkan nicht zu sicheren Herkunftsländern erklären wollen, obwohl 400.000 hier unberechtigterweise saßen, erst als die Syrienwelle losging, haben sie klein beigegeben.“ „Haben Sie gelernt? Nein, jetzt das Gleiche bei den Maghreb-Staaten.“ „Aber die Roma müssen geschützt werden.“ Deren Schutzzonen kann Ruhrpottler Hansch jederzeit von Duisburg bis Dortmund besichtigen.
Wie sehr das „Flüchtlingsthema” die Wahlen beherrscht habe, zeigten die Wählerwanderungen von den Volksparteien zur AfD und den Grünen. Alexander: Die grüne Klientel findet die Bereicherung super („Wenn man saturiert ist, kann man sich das leisten.“), die AfD lehnt sie ab. Die Volksparteien verharren mit Stimmverlusten im einerseits und andererseits.
Stegner durfte dann noch das Fehlen geeigneter Sympathieträger in der SPD kommentieren: „Dass einem manchmal die Herzen nicht so zufliegen, das kenn ich auch, (Mach kein Quatsch, Ralf!) aber man sei schließlich keine Castingshow.” Und einmal erschreckte Plasberg sogar Annalena Baerbock kurz mit der Frage „Haben Sie keine Angst vor den CDU-Wählern, die zu Ihnen gewechselt sind?“ Die sind vielleicht auch bald wieder weg. Aber Angst kennt Annalena nicht.
Die Merkel-Nachfolgefrage wurde von Hansch bereichert mit Christian Wulff, Röttgen und Bosbach, aber von Alexander deutlich eingegrenzt: Armin Laschet, der sich schlauerweise noch nicht auf eine Kandidatur festgelegt hat, habe „die meisten Leute auf dem Parteitag (aus dem Homeland NRW).“
Das Klingeln hat aufgehört. Doch kein Tinnitus.