Tichys Einblick
Isch over

Nur noch ein Ziel

Angela Merkel scheitert an mangelndem politischem Anstand: nicht jeder, der dazu gemacht wurde, ist ein „Rechter“.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Jetzt, da alles auf einen (End)Punkt kumuliert, die hessische Landtagswahl am Wochenende, darf sich bestätigt sehen, wer ziemlich exakt vor einem Jahr nach der Bundestagswahl das Ende der Regierungszeit von Angela Merkel dämmern sah. Und doch: wohl kaum einer der wackeren Prophezeier hat kommen sehen, was nach einem Jahr Realität ist. Rasend schnell ist die vor einem Jahr schon schüttere Autorität der Kanzlerin geschwunden, nun tanzen die Mäuse auch auf dem Tisch, wenn die Katze noch im Haus ist.

Die Kanzlerin hat einen wesentlichen Aspekt von Politik vernachlässigt, ach was, negiert: es gibt so etwas wie politischen Anstand in diesem Land. Es gibt Kriterien für die Beurteilung von Politikern und politischen Vorgängen, die Zyniker gern als „weich“ bezeichnen und die sich erst langsam durchsetzen. Die aber zunächst unterschwellig und dann offen zu einem Urteil beitragen: die nicht mehr! Es reicht! Wir sind hinlänglich vorgeführt worden, ohne jeden Anstand!

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Die Kanzlerin steht nackt da, ihre einst erprobten Machtmittel des „vom Ende her Denkens“, der völligen Absenz von emotionaler Inhaltsvermittlung haben sich überlebt, weil die Maske gefallen ist: all ihre Erfolge, all ihr Standing sind immer unter sträflicher Vernachlässigung von politischem Stil und Anstand erreicht worden. Und nun? Jetzt entscheiden eben doch „weiche“ Kriterien und nun fehlen Merkel plötzlich die Mittel, das zu verhindern, was zu verhindern noch vor zwei Jahren ihr ein Leichtes gewesen wäre. Sie ist plötzlich nur noch Getriebene von verantwortungslosen und/oder karrieregeilen Treibern. Manche japsen heftig rudernd ihren schon davongeschwommenen Fellen hinterher, manche träumen vom Skalp der ewigen Kanzlerin Angela, manche verstecken sich nach dem guten alten CDU-Motto „seid nicht feige, lasst mich hinter den Baum“ auch nur im Chor: „Haltet sie auf, sie ist schuld“.

Ihr Koalitionspartner SPD ist da schon weiter: die große alte Partei ist bereits in Agonie verfallen, wer taumelnd sie anführt, ist bereits völlig belanglos, schwer atmend auf dem Todeslager ersinnt sie halb besinnungslos die vermeintlich rettende Medizin Moralin und kämpft mit noch verbliebender Verve auf absurden thematischen Nebenkriegsschauplätzen. Frau Nahles hat sich nun vor allen Augen als das entlarvt, was Kenner immer schon vermutet haben: die vermeintliche politische Scharfschützin ist eine bestenfalls mittelmäßig begabte Kanonierin, die mit stark streuender Waffe um sich schießt und sich wundert, dass nur gelegentlich magere Beute vom Himmel fällt.

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Und so sind die Regierungsparteien wechselweise von ständigen Erregungswellen oder schon der nackten Existenzangst geplagt, sie lassen sich von Hysterien und Scheindiskussionen davontragen oder erzeugen sie gleich selbst. Selbstreflexion (auch das kann durchaus ein Mittel politischen Anstands sein) würde sie an den Punkt führen. In Wahrheit eint sie nur noch ein vermeintliches Ziel: der Kampf gegen alles, was gegen sie ist, der Kampf gegen das massenhaft aufgeklebte Etikett „Rechts“. Psychologen nennen solches Gebaren nicht selten „Wagenburgmentalität“: die Patienten fühlen sich umzingelt von bösen, ihnen nach dem Leben trachtenden Indianern, ziehen ihre Mauern höher und verstärken ihre Abwehrmechanismen. Es ist die Eigenart dieser „Krankheit“, dass sie meist eingebildet ist: es kommen gar keine Indianer. Denn die wissen: diese politischen Bleichgesichter erledigen sich selbst, sie sind keine ernstzunehmenden Ziele, sie sind für jeden anständigen und stolzen Indianer mehr Opfer als Feind. Also müssen sie herbeigeredet werden, müssen Apachen und Sioux erfunden und ihre Gefahr überhöht werden. So was schweißt nochmal zusammen, die Todgeweihten erwachen zum letzten Gefecht und richten die Truppen gegen die beschworenen Geisterarmeen.

Fakten spielen bei eingebildeten Kranken, deren Einbildung ja selbst verabreichte Medizin ist, keine Rolle mehr. Mehr noch: sie lenken ab, lassen am Ende Risse und Lücken in der Wagenburg entstehen. Der Feind ist da, wir haben ihn gesehen, massenweise auf den Straßen von Chemnitz, in den Parlamenten, in einigen (nicht öffentlich-rechtlichen) Redaktionen, in der „Gemeinsame Erklärung 2018“, in den Gegnern unserer Einwanderungspolitik: rette sich, wer kann, alles an die Gewehre, die „Rechten“ machen mobil.

Es brauchte den imaginären Feind, es brauchte das Etikett auf dem „tobenden Mob“, es brauchte den Verfolgungswahn, um die Wagenburg zu rechtfertigen, um zu verschleiern, dass innerhalb der hochgezogenen Brücken die Maladen zum letzten Gefecht gerufen haben. Das Hauen und Stechen untereinander hat längst eingesetzt, sollte aber nicht nach draußen schallen, es brauchte anderen Lärm zur Übertünchung des eigenen.

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Und so ward sich der alten Zeiten erinnert: da schickte man die Herolde aus, die die Kunde vom gefährlichen, näher rückenden Feind in die Dörfer und auf die Felder trugen: Ihr Bürgersleut, seit auf der Hut, die „Rechten“ kommen und verwüsten alles, was Euer ist. Heute heißen die Herolde Medien, sind notabene weniger mutig, erreichen sie doch die Dörfer und Felder auf digitale Weise und müssen sich aus den Schreibstuben nicht mehr hinausbemühen. Und so schwoll der Bocksgesang an, aus der Wagenburg wurde die Melodie von Angst und Hysterie vorgegeben und wandte sich allmählich, aber stetig gegen die Hysteriker.

Verehrte Frau Kanzlerin: isch over! Ihre Taktik, wenn es denn eine war, ist durchschaut, die Bürgersleut‘ haben ihr Urteil gefällt: unanständig! Wir werden Ihr Gebaren, vor allem das Ihrer „Parteifreunde“ mit der gleichen emotionalen Emphase verfolgen, mit der Sie seit 13 Jahren dieses Land regieren. Wir sind nicht rechts, wir sind keine Feinde dieser Demokratie, wir sind aber vielleicht stolze Indianer, die von Montag an mit Interesse in Ihre Wagenburg schauen werden!


Wahlwette Hessen:

Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Ihre Wetten nehmen wir ab sofort entgegen.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (28.10.2018 ) um 16:30 Uhr. Das Wettergebnis wird am Wahlsonntag um 17.45 Uhr veröffentlicht.

Auf die Gewinner wartet:

1. Platz: eine Flasche Champagner von Tante Mizzi
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl

Abstimmung geschlossen.

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