Die AfD kommt erstmals auf 10 Prozent, zeigt Ellen Ehni uns und Karen Miosga, weil sich 950.000 Unionswähler sowie je 250.000 Wähler der Linkspartei und der SPD zu ihr umorientiert haben. Woher weiß das Infratest? Ehni erklärt, dass die Ermittlung der Wählerwanderung, wie sie sonst nur bei tatsächlichen Wahlen duchgeführt wird, erstmalig mit den Umfragen seit September im Vergleich mit den letzten Bundestagswahlergebnissen gemacht wurde. Das sei zwar etwas „grober“, aber „doch sehr aussagekräftig“. Das können wir nun glauben oder nicht, eine Begründung und Erklärung kriegen wir nicht.
Auch an Wahlabenden und in den Tagen danach vermisse ich die Aufklärung, dass diesen Wählerströmen Annahmen – also Thesen – zugrunde liegen. Wie bei den Klimaszenarien hängt die Qualität der Ergebnisse bei Wählerströmen nicht vom tatsächlichen Wetter-Geschehen und den tatsächlichen Wähler-Bewegungen ab, sondern von der Güte der Annahmen – der Thesen. In beiden Fällen wird die Öffentlichkeit über diese Annahmen weder als Methode noch ihre konkreten Inhalte informiert. Vor allem das Fernsehen hat die Öffentlichkeit längst an beide Prognoseformate so wirkungsvoll gewöhnt, dass praktisch alle die Präsentation der Ergebnisse für die Wirklichkeit, ja für eine unumstößliche Wahrheit halten. Vergessen der alte EDV-Merksatz: garbage in, garbage out, Mist rein, Mist raus. Deshalb haben wir einen Anspruch zu erfahren, mit welchen Annahmen da gearbeitet wird: bei Wahlumfragen und Klimaszenarien.
Aber abgesehen davon, ob die Methode überhaupt zuverlässig sein kann, kam ich dann bei der umfassenden und tiefschürfenden Interpretation der AfD-Zuströme aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Frau Ehni sagte nämlich, „die deutlichen Zuwächse der AfD speisen sich aus der Mitte und aus dem linken Parteienspektrum“. Donnerwetter, die AfD gewinnt also von den anderen Parteien. Wer von uns wäre selbst auf diese Idee gekommen?
Mit dem täglichen Fernseh-Bild korrespondiert die Verlaufskurve der Zufriedenheit mit der Bundesregierung im ARD-Deutschlandtrend:
Je mehr Sendezeit das Flüchtlings- und Migrationsthema in den Nachrichten einnimmt, desto schlechter für die Regierung. Sobald andere Themen mehr Raum kriegen, erholt sich die Zufriedenheit mit der Regierung wieder, schwächt sich die Unzufriedenheit mit ihr ab. So viel immerhin zeigen die Umfragen, auf einem soliden Meinungsfundament steht die Bundesregierung nicht.
Angst muss sie allerdings auch nicht haben. Denn die Antworten auf die Sonntagsfrage (ganz oben) zeigen, selbst wenn die Zahlen für Rot und Schwarz besser aussehen, als sie bei nächsten Wahlen tatsächlich sein werden: Die beiden können weiterregieren, allein oder notfalls plus Grüne.