Tichys Einblick
Von da an ging's bergab

Wahlen in Bayern: Vogel Strauss

Die dritte Generation setzt es in den Sand. Das gilt nicht nur im Geschäftsleben, sondern offenbar auch in der Politik.

© Getty Images

Das waren noch Zeiten. Als sei er dem Buch «Erfolg» von Lion Feuchtwanger entsprungen, konnte Franz-Josef Strauss Bierzelte begeistern und immer wieder das höchste Lob einheimsen, das ein Bayer zu vergeben hat: «A Hund isser scho.» Heute würde Strauss wohl den Kopf in den Sand stecken, wenn er den Zustand seiner CSU erleben müsste.

Häufig von Skandalen begleitet, stolperte Strauss 1962 über die «Spiegel»-Affäre und musste als Verteidigungsminister zurücktreten. Vorher und nachher liess er kaum ein Fettnäpfchen aus, immer wieder gab es fundierte Gerüchte um Bestechungen und mehr als anrüchige Geschäfte. Im Bundestag lieferte er sich legendäre Rededuelle mit dem SPD-Politiker Herbert Wehner. Auch wenn er in der Bundespolitik auch als Kanzlerkandidat scheiterte, herrschte er in Bayern unangefochten, war von 1961 bis zu seinem Tod im Jahre 1988 Vorsitzender der CSU und von 1978 bis 1988 Ministerpräsident.

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Ihm lag dabei nicht nur das Krachlederne, sondern mit der Ansiedlung der Airbus-Industrie legte er einen Grundstein dafür, dass Bayern bis heute das wirtschaftlich erfolgreichste Bundesland ist. Abgesehen von einer Delle im Jahr 1950 fuhr die CSU in Bayern immer traumhafte Wahlergebnisse ein, unter Franz Josef Strauss fast 60 Prozent. Den absoluten Rekord stellte Alfons Goppel, sein Vorgänger, 1974 auf: traumhafte 62,1 Prozent. Auch Edmund Stoiber knackte diese Marke im Jahr 2003: 60,7 Prozent. Während Strauss an der Mass nicht nur nippte, sondern aus vollen Zügen trank, war Stoiber eher ein Anhänger von stillem Wasser, trotz aufgesetzter Schärfe nicht so rhetorisch begabt wie Strauss und im Vergleich zu ihm mit dem Charisma eines Kleiderständers ausgestattet. Aber bienenfleissig und, so rum geht’s auch, weitgehend skandalfrei intrigierend.

Strauss spielte souverän auf der politischen Klaviatur. Einerseits war er ein Kommunistenfresser und Feind alles Roten, andererseits zeigte er sich vom neuen sowjetischen Führer Gorbatschow angetan. Einerseits wetterte er gegen die Schandmauer, die bis 1989 Deutschland trennte, andererseits fädelte er einen Milliardenkredit ein, der die DDR noch einige Jahre überleben liess. Vor allem aber dekretierte Strauss, dass es rechts von der CSU keine bedeutende demokratische Partei geben dürfe. Ohne dass Strauss damals als Faschist oder Nazi beschimpft wurde, schaffte er das; die NPD oder die Republikaner hatten in Bayern nie eine Chance.

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Aber nach Stoiber ging’s bergab. Oder erinnert sich noch jemand an den Spitzenkandidaten der CSU im Jahr 2008? Eben. Das war Günter Beckstein, der mit 43,4 Prozent das drittschlechteste Ergebnis seit 1946 einfuhr. Horst Seehofer schaffte dann 2013 nochmal 47,7 Prozent und die Alleinregierung der CSU. Damit ist nun Schluss. Wie konnte das geschehen? Bayern geht es weiterhin gut, im Vergleich zu München sieht Berlin teilweise wie eine Drittwelt-Stadt aus, das weltweit grösste Massenbesäufnis ist auch dieses Jahr wieder ein Erfolg, auch die Bayerischen Motorenwerke leiden etwas unter dem Abgas-Skandal, aber insgesamt hat Bayern Wirtschaftszahlen, von denen Berlin und fast alle anderen Bundesländer nur träumen können.

Dennoch sackt die CSU von Umfrage zu Umfrage weiter ab, zurzeit liegt sie knapp unter 33 Prozent. Eine Ursache ist klar: Die AfD, die bei den letzten Landtagswahlen nicht antrat, kommt auf knapp 13 Prozent. Zusammen wäre also Seehofers Resultat vor fünf Jahren egalisiert. Dass die SPD auch in Bayern unter ferner liefen aufschlagen wird, ist dort nichts Neues. Interessant ist höchstens noch der unaufhaltsame Aufstieg der Grünen. Aber auch das ist leicht erklärbar: Die wetterwendischen, opportunistischen, alle ursprünglichen Ziele über Bord geworfen habenden und karrieregeilen Grünen sind ja eigentlich nichts anderes als die AfD in Grün. Eigentlich noch schlimmer, da sie in diversen Bundesländern in der Regierung sind und dort nochmals alles in die Tonne treten, wofür sie einstmals antraten.
Aber der dramatische Niedergang der CSU ist eindeutig einem Führungsproblem geschuldet.  Zuletzt Stoiber mit seiner oft überschnellen Redeweise, bei der er sich schnell verstolperte, erwarb sich noch das Qualitätsprädikat «a Hund isser scho». Seehofer wäre das gerne, ist aber stattdessen ein Problembär, der wie Strauss in der Bundesregierung auf den Tisch zu hauen versucht, dann aber mit schmerzverzerrtem Gesicht die Pranke schüttelt und von Mutti Merkel eins ums andere Mal ins Eck gestellt wird. Strauss konnte seine Niederlagen wenigstens wegreden, das ist dem «Ähm-Ähm»-Horst nicht gegeben. Und Markus Söder? Dem tropft eben aus allen Poren: «Ich möchte gerne, aber ich kann nicht.» Söder möchte so populistisch wie Strauss sein, kann aber nicht. Möchte so machiavellistisch wie Stoiber sein, kann aber nicht. Es war schon eine Qual, bis er endlich Seehofer weggebissen hatte, das ging bei Strauss, bei Waigel, bei Stoiber ganz anders, nämlich schlagartig.

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Und Söders grösster Fehler: Er möchte mehr AfD sein als die AfD selbst. Das kommt aber nie gut, ein Original zu kopieren. Die AfD hat, muss man ihr lassen, mit einem ziemlich cleveren Slogan darauf reagiert: «Wir halten nämlich, was die CSU nur verspricht.» Das ist echt bayerisch hinterfotzig. Denn die AfD wird garantiert nicht in die Verlegenheit kommen, überhaupt etwas zu halten, da sie nicht mitregieren wird. Also kann sie locker Versprechungen machen und der CSU um die Ohren hauen, dass die zwar auch verspreche, aber nicht liefere. Das hat Niveau, das könnte aus dem grossartigen Sittengemälde «Erfolg» von Feuchtwanger sein. Der damalige Erfolgsautor, bekannter als Thomas Mann, ist heutzutage leider weitherum vergessen. Bedauerlich. Zumindest Söder sollte ihn lesen. Sonst erfüllt sich auch für die CSU das Diktum von den Generationen als Firmenbesitzer. Die erste baut auf, die zweite baut aus, und die dritte baut ab.
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