Noch vor wenigen Wochen surften wir auf der Begeisterungswelle über den BILD-Pranger durchs Internet und bauten mit großen Engagement und voller Vorfreude unsere Hassmeldestelle mypranger.de. Als das Projekt kurz vor dem offiziellen Start stand, als uns bereits die ersten Hasskommentare gemeldet wurden und auf Veröffentlichung warteten, mussten wir einen Rückzieher machen und prophylaktisch unsere Fachanwälte in Stellung bringen.
Was war passiert? Die BILD, die mit ihrem so erfolgreichen „Pranger der Schande“ dieses überaus inspirierende Initial zu mypranger.de gab, sah sich einer Welle von Beschwerden gegenüber gestellt, die beim Deutschen Presserat eingegangen waren. Nicht weniger als 38 Leser „hatten sich über die Veröffentlichungen beschwert und Persönlichkeitsrechtsverletzungen sowie Diffamierungen kritisiert“, wie der Pressrat verlauten ließ.
Pressekodex schützt hier Persönlichkeitsrechte nicht
Für BILD hätte das im Worst Case wohl bedeutet, gemäß Pressekodex in einer der nächsten Ausgaben die öffentliche Rüge des Rates zu veröffentlichen. Denn das gehört zu den Vereinbarungen, denen man sich als Mitglied des BDZV (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger) verschrieben hat. Dabei handelt es sich um ein wirksames Instrument: Wer Haßreden führt, kann jetzt also angeprangert werden und seinen Arbeitsplatz verlieren – weil sein Name gezielt weitergetragen wird.
Das alles verletzt die sonst so gepflegten Persönlichkeitsrechte nicht. Das ist gut so. Denn für mypranger.de, die nicht Mitglied dieses Verbandes sind, hätte es sonst, so die einhellige Meinung unserer Fachanwälte, aber möglicherweise strafrechtliche Folgen haben können. Das war zunächst also das „Aus“ für unseren Pranger. Also auch das „Aus“ für eine mögliche, zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal anvisierte Zusammenarbeit mit der mutigen Deutschen Vorreiter-Zeitung gewesen.
Auch Gewerkschaften sind eingeladen
Auch mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund suchten wir im Vorfeld das Gespräch: „Wer hetzt, fliegt“, hatte ja der neue DGB-Boss Hofman als Parole ausgegeben: Wer nicht sagt, was Gewerkschaftsbossen gefällt, verliert den Arbeitsplatz. Auch das wäre eine breite Einsatzmöglichkeit für mypranger.de: Stellen Sie sich vor, schlechten Gespräche in der Kantine ist man nicht mehr hilflos ausgesetzt. Zurück am Firmen-PC, kurze Meldung unter myPranger.de/Denuziere-Deinen-KollegIN oder myPranger.de/Denunziere-Gewerkschaftskritiker – und schon ist Luft am Schreibtisch oder Arbeitsplatz nebenan für brave, gewerkschaftskompatible Mitarbeiter. Das wäre doch eine feine Sache!
Denn das hatten wir uns als nächstes Ziel gesteckt: eine Art Joint Venture mit den ganz Großen der Branche, eine konstatierte Aktion, deren Reich- und Tragweite sicher tausende von Trolls zurück in ihre Katakomben getrieben hätte. Kaum Jemand, der nicht an diesen Erfolg geglaubt hätte. Bis auf diese ominösen 38 Beschwerde-Querschläger. Man ahnt bereits, was das für Menschen sein müssen.
Spielverderber an den Pranger!
Umso schöner, dass diesen sozial unverträglichen Spielverderbern jetzt offiziell vom Presserat die Grenzen aufgezeigt und der Riegel vorgeschoben wurde. Aber lesen wir kurz in der Begründung des Rates vom 01.Dezember 2015:
„Aus Sicht des Ausschusses war die Veröffentlichung der Äußerungen mit Name und Profilbild in beiden Berichterstattungen zulässig, da es sich hier nicht um private, sondern erkennbar um politische Äußerungen der User in öffentlich einsehbaren Foren handelte. Hieran besteht ein öffentliches Interesse, das die Persönlichkeitsrechte überlagert.“ Und, wagt man zu sagen, auch für die innerbetriebliche Öffentlichkeit.
Nun ist also endlich Schluss mit Hasskommentaren wie diesem hier, der aktuell auf Bild.de zu sehen ist: Da schreibt ein dort namentlich genannter „Hans-Hermann Metz“:
„Und dann gibt es Spaßvögel, die glauben allen Ernstes an eine Integration der Muselmänner. Die werden sich niemals integrieren, geschweige denn assimilieren.“
Auf dem ebenfalls veröffentlichten Profilbild erkennt man einen dieser verbitterten alten weißen Männer, die wohl eher für den Untergang des Abendlandes stehen dürften, als für ihre Errettung. Der Presserat hat also diese Form der Brandmarkung mit Recht offiziell gebilligt. Alte, weiße Männer gehören an den Pranger! Wir verweisen darauf, dass unser Mypranger.de 2.0 sicherstellt, dass politisch gewünschte oder konforme Hassreden wie beispielsweise „Deutschland, Du mieses Stück Scheisse“ und andere wertvolle Äußerungen der Antifa automatisch abgelehnt und der Petent selbst an den Pranger gestellt wird! Ein Klick, und Miesmacher richten sich selbst!
Bald Pflicht zur „antifaschistischen Wachsamkeit“?
Immerhin soll Denunziation als Zeichen „antifaschistischer Wachsamkeit“ anerkannt werden, wie Erich Mielke schon 1948 gefordert hat. Schade, dass seinem Ministerium für Staatssicherheit die moderne Technologie noch nicht zur Verfügung stand, daran sieht man die Überlegenheit des Westens. Leider müssen wir derzeit noch Satire ausnehmen; zukünftig sollte aber möglichst nur die politisch wertvolle Sendung „Heute-Show“ vom Pranger ausgenommen werden!
Für uns eine große Freude, denn dieses öffentliche Interesse legitimiert nun auch den Start des bereits vorinstallierten Prangerforums mypranger.de. Wir würden uns jetzt natürlich freuen, endlich befreit aufzuschlagen und bald schon direkt mit Zeitung und Gewerkschaft über mögliche Synergien ins Gespräch zu kommen.
Für BILD ist das Urteil des Pressrates übrigens schon deshalb ein großer Erfolg, weil man in den letzten Jahren wie auch 2015 immer prominent auf dem Pranger des Presserates vertreten war. So etwas haben die nämlich auch: Eine öffentliche Liste, einen Pranger, der ganz penibel alle Presse-Verfehlungen – genauer: alle öffentlichen Rügen – aufführt.
2015 können BILD/BILD Online bereits ein Viertel aller Rügen für sich verbuchen. 6 von 24. http://www.presserat.de/pressekodex/uebersicht-der-ruegen/ 2013 waren es sogar fast ein Drittel. Man darf nun mit Fug und Recht sagen: Dieser Freispruch erster Klasse für den „Pranger der Schande“, für BILD, ist auch ein Freispruch für die Verfehlungen der letzten Jahre und Jahrzehnte. Wer so feinjustiert und zielsicher agiert, der hat sich für alle Zeiten rehabilitiert.
Nun lasst uns auch endlich Schluss machen mit diesen ewig dummen Sprüchen in Richtung BILD-Zeitung. Denn wer kennt das nicht? Man steht am Zeitungskiosk, jemand kauft den „Pranger der Schande“ und wird von den Umstehenden manchmal noch schief angeschaut. Und es wird böse kommentiert, wie: „Pass auf, da tropft Blut raus!“
Das alles hat der populären Zeitung nicht gut getan. Trotz Diekmann und Pranger stark rückläufige Verkaufszahlen. Mit mypranger.de wollen wir der BILD unseren Respekt zollen. Wir wollen diese großartige Idee nun aufnehmen und mit den ersten Veröffentlichungen beginnen:
Hallo BILD, hallo lieber Kai, dürfen wir nun, da alles in trockenen Tüchern ist, mit Eurer Unterstützung rechnen? Uns würde es stolz machen! Für uns alle. Für alle Neuangekommenen. Für unser schönes sauberes Deutschland.
Erster steht schon am Pranger – ein arroganter Adeliger
Übrigens gibt es auch schon eine erste Eintragung bei MyPranger.de, sie betrifft einen gewissen August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Von ihm stammt die Zeile:
„Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“.
Wir weisen dies als Ausdruck der Auflehnung gegen den Presserat und unser Geschäftsmodell mit Abscheu und Empörung zurück. Arrogante Adelige dürfen keine Zukunft haben.