Tichys Einblick
Normalisierung?

Extreme Anfeindungen gegen Bademeister nach Burkini-Verbot

Burkini-Verbot in einem Schwimmbad in Salzgitter. Die Leser eines bisher unauffälligen regionalen Portals sollen abstimmen und sind sich dann auch in großer Mehrheit einig: „Wer in Deutschland lebt, hat sich deutscher Kultur anzupassen.“

ANOEK DE GROOT/AFP/Getty Images

Nun hat jede größere Stadt ein paar Online-Regionalzeitungen. Oft haben diese charmanten kleinen Seiten einen erstaunlichen Zulauf, der sie auch für größere Zeitungen interessant macht, die nicht selten eigene Mitarbeiter für diese Nischenprodukte abstellen.

Der Mehrwert ist eine schnelle Reaktionszeit und eine hohe regionale Kompetenz, welche die großen Anbieter nicht leisten können; die Presseagenturen als so genannte Content (Inhalt) Lieferanten schon gar nicht.

Und weil nun Braunschweig die Postleitzahl 38xxx hat, heißt so ein Portal der Einfachheit halber News38.de. Dieser Internetauftritt darf als Seismograph der Stimmungen in der Region gelten. Politisch werden solche Seiten selten, aber nicht selten wird die regionale Meldung zu einem Politikum, wie jetzt gerade wieder, wenn die lokalen Berichterstatter die Grundstimmung der Menschen vor Ort so exakt abbilden, wie sie sie an Ort und Stelle auch erleben.

Die Outdoor-Badesaison ist beendet und News38 schaut hinüber ins Nachbarörtchen in die Hallenbäder und fragt: „Salzgitter: Kulturkampf im Schwimmbecken?“ Abgebildet ist der Ausschnitt eines Schwimmbeckens, im Vordergrund der verhüllte Hinterkopf eines Mädchens im Burkini und die Bildunterschrift: „Burkini oder nicht Burkini? Zumindest im Hallenbad Thiede legt man Wert auf mitteleuropäische Bade-Gepflogenheiten“.

Was war passiert in einem Bad in der Stadt, in der der Oberbürgermeister als einer der ersten in Deutschland einen Zuzugstopp für Zuwanderer „ertrotzt“ hatte, wie News38 sich erinnert? Bei dem Vorfall über den hier aus einem Salzgitteraner Bad berichtet wird, handelt es sich um ein 13-Jähriges Mädchen, das mit ihren Freundinnen schwimmen gehen wollte, allerdings nicht im Badeanzug, sondern, so das Portal: „in einem Burkini für Muslima“.

„Wollte“, denn der Bad-Chef ließ das nicht zu. Als sich die 13-Jährige weigerte, so heißt es weiter au News38.de , „das – bis auf Gesicht, Füße und Hände den gesamten Körper bedeckende Gewand gegen ein „unserer Badekultur entsprechende Kleidung“ zu tauschen“, hätte „er sie der Schwimmhalle verwiesen.“

Nun kommt der Vater des Mädchens ins Spiel, der auf dem Portal mit Vor- und Zunamen genannt wird und der sich gegenüber News38 empörte: „Das ist Rassismus!“. Zudem sehe er im Verhalten des Schwimmmeisters „die Verletzung der im Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit.“ Der Vater erstatte Anzeige, die sei aber, so das Portal nicht „zustandegekommen“.

Weißen-Bashing, amtlich gefördert
Forderung von Migrantenverbänden - „Tag der deutschen Vielfalt“
News38 wechselt auf die Meta-Ebene, wenn der Artikel im Folgenden nach dem generellen „gesellschaftlichen Problem“ forscht und sich und seine Leser fragt: „Folge des Erdogan-Kurses?“ Für News38 ist die Sache klar: Seit dem Auftritt des Präsidenten vor acht Jahren in Köln, als er die türkische Community in Deutschland vor einer „zu starken Integration“ gewarnt hätte, und „Assimilation ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ genannt hätte, würde nicht nur in Salzgitter ein „immer selbstbewussteres, manche sagen auch provozierendes Auftreten von bis dahin gut integrierten Deutsch-Türken“ zu beobachten sein.

Nun ist, was es da zu lesen gibt, über weite Strecken Zitat bzw. Wiedergabe des Kommentars des interviewten Schwimmbad-Leiters, der offensichtlich beim Lokalredakteur Eindruck hinterlassen hat und nun Gelegenheit bietet, den Lesern mal ungeschminkt einen einzuschenken, ohne dass der Redakteur hier in den Verdacht gerät, einen Artikel zum politischen Kommentar umgebaut zu haben. Bemerkenswert ist das allemal. Und man kann hier durchaus von einer Art schleichender Zäsur sprechen, wenn solche Kommentare hier abbildungsfähig geworden sind. Denn eines ist auch klar: Gerade diese kleinen Portale stehen unter besonderer Beobachtung ihrer Leser und sind gleichzeitig viel empfindlichere Stimmungs-Seismographen, als die großen Zeitungen.

Wie weit man nun in Braunschweig und Region zu gehen bereit ist, diese Stimmung 1:1 abzubilden, erstaunt doch sehr, wenn news38 seine Leser im Anschluss des Artikels zur Abstimmung bittet: „Burkini-Verbot im Schwimmbad?“ und sich anschließend nicht scheut, das Ergebnis mitzuteilen, dass hier weit über achtzig Prozent der Leser der Aussage zugestimmt haben: „Richtig: Wer in Deutschland lebt, hat sich deutscher Kultur anzupassen.“

Auch die Offenheit des Geschäftsführers der Bad GmbH überrascht, wenn Helmut Fichtner gegenüber den fragenden Journalisten davon berichtet, dass die Anfeindungen gegen ihn „extrem“ geworden seien. Männliche Verwandte von weiblichden Muslimen hätten ihn als Nazi beschimpft, als er verhindern wollte, dass diese beispielsweise mit Rollkragenpullover und Leggins ins Wasser gehen wollten. Für Fichtner ist das nicht einmal zuerst eine Frage etwa von fehlendem Respekt gegenüber dem Islam, sondern hat zunächst ganz simple „technisch-hygienische“ Hintergründe.

Und weiter hätten er und seine Mitarbeiter bei Burkini-Badenden mehrfach beobachtet, dass sich unter dem Gewand „noch Unterwäsche abzeichnet“, das allerdings sei „unhygienisch und anderen Gästen nicht zuzumuten“. Auch Stammgäste hätten bereits angekündigt, nicht mehr wiederzukommen, wenn sich hier nichts ändern würde. Und dann, so Fichtner, hätte er als Geschäftsführer einer GmbH ein zusätzliches Problem.

Ein weiteres Bild zeigt ein Schwimmbad in Salzgitter mit der ungeschminkten Bildunterschrift: „Hier sollen sich offenbar türkische Männer als Sittenwächter aufgespielt haben.“ Eine Information, die auf Aussagen von Security-Mitarbeitern beruhen soll, die dem Portal berichtet hatten, dass Muslima im Schwimmbad von solchen Männern als „Nutte“ und „Hure“ beschimpft wurden. Und als sich andere Gäste eingemischt hätten, wären sie als „Nazis“ beschimpft worden.

Nun besteht laut Auskunft der Stadtverwaltung noch kein generelles Burkini-Verbot in Bädern in Salzgitter. Der Bad-Chef möchte deshalb nun endlich einmal Klarheit und bittet die Stadt zum Gespräch. Das Portal News38 vergisst an dieser Stelle übrigens nicht, zu erwähnen, dass solche Vertreter der Stadt einst „für ihr Integrationskonzept seit Jahren auch überregional als Vorbild“ gelten. Das Portal fügt dann fast genüsslich an: »Erst am Wochenende ist hier die interkulturelle Woche unter dem Motto „Vielfalt ist besser als Einfalt“ zu Ende gegangen.«

Der Schlusssatz bei News38 gehört wieder dem Bad-Chef: „Helmut Fichtner formuliert das Ziel viel einfacher: „Ich möchte hier Frieden haben.“

Die mobile Version verlassen