Hohe Empörungswellen umfluten die »Stasiopfer-Gedenkstätte« inzwischen auch im Berliner Senat. Dort sitzt noch der »eigentlich starke Mann der Linkspartei in der Hauptstadt« (Die Welt) Klaus Lederer als Kultursenator. Der wollte den sehr renommierten, aber aus Genossen-Sicht politisch höchst inkorrekten Gedenkstätten-Direktor Hubertus Knabe per Hauruck-Rauswurf nach 17 erfolgreichen Jahren erledigen.
Die Empörungswelle, die zunächst von CDU-, FDP- und AfD-Politikern rund um das Ex-Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen losgetreten worden war, wurde noch von vier Mitgliederinnen des Gedenkstätten-Beirats in einem offenen Brief weiter verstärkt.
Die DDR-Bürgerrechtlerinnen Heidi Bohley und Schriftstellerin Freya Klier, die Gedenkstätte-Beiratsmitglieder Professorin Barbara Zehnpfennig und die ehemaligen Fernsehmoderatorin Edda Schönherz, die selbst drei Jahre hinter Stasi-Gefängnisgittern auch in Hohenschönhausen saß, empörten sich über Lederers Dolchstoßaktion. Knabes Freistellung sei „entwürdigend“ und „von der Sachlage her keinesfalls gerechtfertigt“. Ohne den Angeklagten anzuhören hatte das Stiftungsrats-Gericht unter Vorsitz Lederers den SED-PDS-Die Linke-Feind aus der Gedenkstätte entfernt. Dies habe, so die vier empörten Protestbrief-Autorinnen, mindestens den „Anschein einer Strafaktion“ gehabt, die „sich eher als Reaktion auf seine politische Unangepasstheit denn als Antwort auf (vorgebliche) Verfehlungen deuten“ lasse. Ihre Forderung: sofortige Aufhebung des Urteils der Lederer-Strafkammer und damit die sofortige Wiedereinsetzung Knabes als Gedenkstätten-Direktor.
Zum Verhängnis sollte Knabe werden, dass er seinen Vize Frauendörfer wegen – angeblicher – sexistischer Angriffe auf sieben anonyme Frauen – Volontärinnen, Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen – nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern vor zwei Jahren nur verwarnt und ihm das Gelöbnis der angeblich »strukturell-sexistischen« Besserung abgerungen hatte. Anfang 2018 hatte Knabe gar Anzeige wegen der Flurfunk-Berichte gegen Unbekannt erstattet. Die Ermittlungen waren jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
Durchgestochen worden war die Knabe-Anklageschrift an den »Linke«-nahen öffentlich-rechtlichen Sender RBB schon fünf Tage, bevor Lederer sein Kurzprozess-Urteil über den Anti-SED-Die Linke«-Triebtäter Knabe verkündete. Fünf Tage später schrieb der Journalist und Historiker Sven Felix Kellerhoff in der Welt: »Entlassung von Knabe wird für Lederer zum Bumerang, Berlins linker Kultursenator will den politisch unbequemen Chef der Stiftung Berlin-Hohenschönhausen um jeden Preis loswerden. Er instrumentalisierte anonyme Vorwürfe.«
Verloren habe einerseits Knabe, aber auch sein Scharfrichter Lederer. Kellerhoff: »Ihm dürfte nur der Rücktritt bleiben, wenn tatsächlich, wie anzunehmen ist, gerichtlich die Rechtswidrigkeit seiner Vorgehensweise gegen Knabe festgestellt werden sollte. Denn einen Stiftungsverantwortlichen aufgrund von anonymen Beschuldigungen gegen eine andere Person zu entlassen, ohne ihn auch nur anzuhören, spricht dem Rechtsstaat Hohn.«
Kahl und bleich habe Hubertus Knabe die Gedenkstätte verlassen, das ehemalige Stasi-Gefängnis. Grußlos, nachdem ihm sein Rauswurf bekannt gemacht wurde. Das berichtet ein Mitarbeiter, einer von bald hundert Begleitern meist mit Historiker-Examen, die Besucher-Gruppen durch die Stasi-Opfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen führen.
Gespräch mit einem Historiker, etwa Anfang 50 Jahre, der seinen »Gedenkstätten«-Job nicht verlieren will und deshalb nur anonym berichten will. Treffpunkt eine ehemalige Stasi-Kneipe in der Konrad-Wolf-Straße nahe der »Knabe-Gedenkstätte« umgeben von einer Plattenbauten-Siedlung, die früher der »Proletarier-Intensivhaltung« (ehemaliger DDR-Jargon) diente und heute von zahlreichen Stasi-Offiziers-Pensionisten bewohnt werden.
»Über Flurfunk«, berichtet er, hatte längst zuvor schon im Kreis der festen und auch der zahlreichen freien Besucher-Betreuer die Runde gemacht, dass der »Hubertus« vom rot-rot-grünen Berliner Senat per »Stasi-Zersetzungsmaßnahme« endgültig zum Abschuss freigegeben worden sei – nachdem er sich auch mit dem damaligen SPD-Justizminister Heiko Maas wegen der stasi-belasteten neuen »Internet-Stasi« angelegt hatte, jener ominösen Amadeo-Antonio-Stiftung.
Nach exklusiver Einsicht der Stasi-Akte der Vorsitzenden der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, erhob Hubertus Knabe Vorwürfe gegen den damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Es sei unverständlich, wieso »das Bundesjustizministerium ausgerechnet Kahanes Stiftung für eine sensible Aufgabe wie die Kontrolle des Internets heranzog.« Das saß. Die Ex-SED-Linke hatte, wie schon zu konspirativen Honecker-Zeiten, einen maaslosen Partner in der SPD gefunden. Knabe war zum Abschuss freigegeben.
Offenkundig habe es in der Gedenkstätte rund um Knabe einen »Maulwurf« oder »Maulwürfinnen« gegeben, die konspirativ dem Senat alle belastenden Informationen habe übermitteln lassen – auch die über seinen Stellvertreter Helmut Frauendorfer.
Der habe – welcher Skandal – angeblich »Swingerclubs« besucht und Mitarbeiterinnen »sexuell belästigt“. Mitarbeiterinnen mit »Zwei-Jahres-Verträgen« würden sich jetzt, wundert sich der Mitarbeiter, gemeinsam an »strukturellen Sexismus« erinnern. Merkwürdig sei aber, dass sie eigentlich keinen dienstlichen Kontakt untereinander hatten, weil sie zu verschiedenen Zeiten beschäftigt waren.
Plötzlich erheben sie gemeinsam Anklage gegen Frauendorfer, der »Frauen im Kollegengespräch seine Hand schon mal zu lange auf den Frauenarm gelegt hatte«. Das seien die »Vergewaltigungen« gewesen. Knabe selbst übrigens habe sich zudem als offen Heterosexueller geoutet, was im heutigen Berlin nicht gerade gut ankam.
Belastendes Material zu sammeln – das ist eine Disziplin, in der sich ehemalige Stasi-Leute, SEDler und heutige Linke gut auskennen. Man darf nicht vergessen: »Die Linke“ hatte eine Vorgängerpartei, deren »Schild und Schwert« Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und Stasi hieß. Die hatte nicht nur Tausende von Ost-Geknechteten in Gefängnissen wie eben auch in Hohenschönhausen schmoren und auch ermorden lassen, sondern auch DDR-feindliche West-Bürger. Ihre Spezialität: »Mediale und politische »Zersetzungsmaßnahmen«.
Heute ist der Handwerkskasten um den »virtuellen Existenz-Mord« bereichert worden. Doch der Vorsitzende des Stiftungsrates bemüht sich nicht einmal um saubere Vertuschungsarbeit, wie das seine Genossen-Vorläufer früher getan haben. Der angebliche Protestbrief der Mitarbeiterinnen wurde von seinem Büro an sein Büro geschickt gefaxt, wie das aus dem Schreiben des »Frauenzusammenschlusses c/o Senatsverwaltung für Kultur und Europa« hervorgeht. Darüber wundert sich Martin Trefzer, der wissenschaftspolitische Sprecher der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus und fragt: »Wieweit und wann war die Kulturverwaltung informiert und wie weit hat sie sich am Brief beteiligt?« Klaus Lederer kommt im Berliner Abgeordnetenhaus arg ins Stottern beim Versuch einer Antwort. Er bleibt sie bisher schuldig.
CDU-Bundestagsabgeordneter Kai Wegner vermutet, was in Berlin viele denken: Knabe ist das Opfer einer Intrige von Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) geworden. Wegner im Cicero-Interview: »Ich weiß, dass er (Knabe) mehrfach versucht hat, vom Kultursenator Detail-Informationen über die erhobenen Vorwürfe zu bekommen. Er hat sie aber nicht erhalten. Ich frage mich, warum Klaus Lederer ihn bei der Aufklärung nicht unterstützt hat.« Hubertus Knabe habe ganz klar gesagt, so etwas würde er nicht dulden.
Wegner erinnert weiter daran, dass es nicht das erste Mal sei, dass Lederer einen Vorwand suchte, Knabe zu feuern. »Das war schon so bei der Kontroverse um den linken Baustaatssekretär Andrej Holm, der wegen seiner früheren Stasi-Vergangenheit in die Kritik geraten war. Hubertus Knabe hat Holm damals der Lüge beschuldigt und seine Entschuldigung als unglaubwürdig zurückgewiesen. Damals hat sich die SPD noch schützend vor Hubertus Knabe gestellt.«
»Für Klaus Lederer war Hubertus Knabe ein Stachel im Fleisch der Stadt, der gestört hat.« Knabe habe sich schon im Jahr 2016 öffentlich dagegen ausgesprochen, dass die Linke das Kulturressort übernimmt. Deshalb bezeichnete Stefan Förster, Sprecher für Wissenschaft der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Knabes Entlassung als «Sieg der SED-Erben». Es handle sich dabei um «die Rache des Senats an einem seiner schärfsten Kritiker».
Ins gleiche Protesthorn blies der Berliner AfD-Vorsitzende Gerd Pazderski, der auch erkannt hatte, dass da ein »politisch unbequemer Direktor« entfernt werden musste, da er die Gedenkstätte »zu einem Zentrum für staatlich geförderte Projekte gegen Linksextremismus weiterentwickelt« habe.
Ausgerechnet jene mit Knabe verfeindete Marianne Birthler wird Nachfolgerin, die früher als Nachfolger Gaucks als Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gearbeitet hatte. Sie segelte früher mit ihrer problematischen Stasi-Aufklärer-Vita unter der Flagge der Bürgerrechtler und dem Bündnis 90/Grüne. Die heute 70-jährige hatte nicht nur einen »Stasi-Schatten über dem Bundestag«, so die Welt 2006, ausgelöst, sondern mindestens einen Schatten auch über ihre »Restakten«-Behörde geworfen.
Sie hatte versucht, den renommierten Ex-Grünen und Stasi-Forscher Prof. Helmut Müller-Enbergs zum Schweigen zu bringen – per Abmahnungen. Müller-Enbergs hatte herausgefunden, dass zwischen 1969 und 1972, als Willy Brandt Kanzler war, das Ost-Berliner Ministerium für Staatssicherheit Kontrolle über dreißig Abgeordnete der SPD, zehn der CDU und drei der FDP hatte. Doch der entsprechende Bericht, in dem der Stand der wissenschaftlichen Kenntnis über diesen Zweig der West-Arbeit des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) festgehalten ist, liegt seit 2004 bei der Leitung der Behörde für die Stasi-Unterlagen. Birthler hielt ihn bis heute für »nicht publikationsfähig«.
Sie gab zum Besten, der Bericht der Forschungsgruppe Müller-Enbergs bedeute keineswegs, dass die IM-Fraktion im Bundestag zu Willy Brands Kanzlerzeit auch tatsächlich wie klassische IMs »gespitzelt« und der MfS-Spionagetruppe von Markus Wolf zugeliefert hätten. Damit hatte Marianne Birthler entweder wissentlich falsch informiert oder das Wesen eines IM vor allem in der Politik schlicht nicht begriffen. Denn »IM« heißt nicht »Informeller«, sondern »Inoffizieller Mitarbeiter«. Ein wesentlicher Unterschied, der die Tätigkeit beschreibt.
Unweit der Knabe-Gedenkstätte hatte der inzwischen verstorbene »Stasi-Verräter« Günter Bohnsack gelebt. Der hatte immer wieder darauf verwiesen, dass schon bei der Umwidmung der ehemals »Geheimen Mitarbeiter« in »Inoffizielle Mitarbeiter« intern deutlich gemacht wurde, dass der Einsatz als »inoffizieller« Einflussagent vor allem in Politik und Medien wichtiger war als Spionieren.
Ohnehin landete jedes Schreiben wichtiger deutscher Behörden auch in Ost-Berlin. Kein Telefon im Westen, das nicht angezapft werden konnte. Hunderte von Vorzimmerdamen und Umfeld-Spitzel in westdeutschen Büros ergänzten, was die MfS-Abhörtruppe erkundet hatte, die sogar die Telefone des Verfassungsschutzes anzapfen konnte.
2003 rückte die CIA die sogenannten »Rosenholz«-Dateien heraus. Auf fast 400 CD-ROMs mit 350 000 Dateien waren abgefilmte Karteikarten der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) mit ihrem berüchtigten Chef Mischa Wolf. Diese Dokumente erlaubten tiefgehende Einblicke, wer Stasi-zugehörig war. Darunter fielen zahlreiche West-Politiker, aber auch Journalisten wie beispielsweise der sehr DDR-nahe Günter Wallraf. Das Problem war jedoch, dass die Karteikarten auch die Namen von Personen enthielten, die möglicherweise ohne deren Wissen nur abgeschöpft wurden, wie aber auch solcher »Landesverräter«, die als Agenten angeworben worden waren. Die Verifizierung hätte den Einsatz von erfahrenen Stasi-Forschern erfordert.
Marianne Birthler war für regelrechte »Schwärzungs-Exzesse« auf Kopien von Dokumenten für Historiker wie Journalisten verantwortlich. Anforderungen von Akten aus »Rosenholz«-Dokumenten behandelte Birthler sehr restriktiv.
Wie zum Beispiel die von Hubertus Knabe. Ihm waren von über 190 Einsicht-Anträgen über zwei Jahre ganze 15 ermöglicht worden. Von der Behörde jener Marianne Birthler, die schließlich seine Interims-Nachfolgerin werden soll.
Extrem behindert und dann sogar per Abmahnung abgestraft wurde auch der Politologe Helmut Müller-Enbergs. Seine »Forschungsgruppe Rosenholz« wurde gar aufgelöst. Die FAZ unter der Schlagzeile »Die Stasi in Fraktionsstärke?« (im Bundestag): »Im Streit um diese Entscheidung wird lauter denn je Kritik an der Amtsführung von Marianne Birthler geäußert.«
Birthlers Zorn sollte den Stasi-Aufklärer Müller-Enbergs treffen. Der mutige Forscher hatte es doch tatsächlich gewagt, mit einer besonderen Veröffentlichung einer ganzen West-Generation schlaflose Nächte zu bereiten.
Den Skandal-Hammer deckte Müller-Enbergs mit einer Kollegin 2009 auf: Kurras war nicht nur Stasi-IM, sondern auch geheimes SED-Mitglied. Mit letzter Sicherheit konnte zwar nie geklärt werden, ob Kurras als Einflussagent in der West-Polizei auf Befehl oder im vorauseilenden Gehorsam das »Operationsgebiet« namens BRD in einen gesellschaftlichen Zersetzungsprozess ballern sollte, oder ob der SED-Genosse sogar einen Tötungsauftrag der »Firma« MfS ( Ministerium für Staatssicherheit ) exekutierte.
Die Folgen jedenfalls waren für die Nachkriegszeit fatal. Es formierte sich eine außerparlamentarische Opposition, kurz APO, deren »Marsch durch die Institutionen« sogar Straßenkämpfer wie Joschka Fischer in Ministersessel hieven sollte. Fatal war der Stasi-Fall Kurras auch für Müller-Enbergs. Der wurde von Birthler für seinen Forscherfleiß abgemahnt und musste sich in langen Arbeitsgerichts-Verfahren die Streichung seiner Abmahnung durch Birthler erstreiten. Sie bedeutete dennoch eine erhebliche Einschränkung seiner mutigen Forschungs-Arbeit.
Die Ex-FDJ-Aktivistin Birthler sollte als grüne Ex-Bürgerrechtlerin von der Stasi-Restakten-Behörde ins Bundespräsidialamt aufsteigen. Eine Belohnung für ihre Aufklärungs-Unterdrückung?
Vorgeschlagen als Bundespräsidentin von einer weiteren Ex-FDJ-Aktivistin, deren Akten bis heute trotz intensiver Historiker-Fahndung verschwunden blieben: die von Angela Merkel. Doch kurz vor ihrer Nominierung sagte Birthler telefonisch der Ex-FDJ-Genossin ab – sie fühlte sich angeblich »überfordert«. Statt Schloss Bellevue folgt jetzt das Ex-Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen.