Erdogan ist wieder abgereist. Und seine Deutsch-Türken/Türk-Deutschen wollen nun, wo ihre Kölner Großmoschee steht, wohl lieber auf dieses ganze Multikulti-Tamtam der Deutschen verzichten, die hier von einer Partizipation an der programmatischen Ausgestaltung der Moschee geträumt hatten.
Peter Altmaier war angekündigt, fehlt dann aber bei Frank Plasbergs hart aber fair zum Thema „Spalten statt einen – welche Folgen hat der Erdogan-Besuch?“
Macht nichts, denn dafür entsendet der Bundesminister Jürgen Hardt, den außenpolitischen Sprecher seiner Partei. Der ehemalige leitende Angestellte bei Vorwerk ist ein guter Vertreter. Hardt wirkt im Verlauf der Sendung immer dann besonders authentisch, wenn er in hektischen Sprachkaskaden seine Position vertritt. Ja, so einen möchte man an seiner Seite haben, wenn einem der Elan irgendwie abhanden gekommen ist und ein Mitstreiter gesucht wird, der noch für die gemeinsame Sache (b)rennt.
Ans andere Ende der hart-aber-fair-Theke gesetzt wurde der Doppelstaatsbürger Mustafa Yeneroglu. Er ist als AKP-Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei selbstverständlich der ausgewiesene Bösewicht des Abends. Und er ist Kölner, hier aufgewachsen, hier sozialisiert – trotzdem nicht angekommen?
Die Süddeutsche wird heute morgen zur Sendung und zu Yeneroglu titeln: „Moralisches Torwandschießen auf einen Erdoğan-Fanboy“. Fazit der Zeitung zum Auftritt des Erdogan-Verteidigers: „Plasberg und seine Gäste arbeiten sich an einem Befürworter des türkischen Präsidenten ab. Doch der AKP-Politiker lässt die Kritik an sich abprallen – notfalls fordert er einfach mal Respekt ein.“
Tatsächlich verliert Plasberg an einer Stelle mal wieder deutlich die Contenance, merkt es aber dann doch noch rechtzeitig und versucht es im Laufe der Sendung mit einer nachgereichten Höflichkeit gegenüber dem Gast Yeneroglu. Plasberg hatte zuvor auf die Aussage Yeneroğlus, „Aufgrund des Putschversuches mussten viele Justizbeamte entlassen werden.“ sichtbar erregt geantwortet: „Sie nennen also eine Säuberungsaktion als Begründung, dass die Justiz nicht vorankommt?“ Nun ist so ein Begriff zunächst mit dem sowjetrussischen Diktator Stalin verbunden, der zwischen einer bis zwanzig Millionen Menschen exekutieren oder in Lagern zu Tode kommen ließ. Also ein gegenüber Erdogan im Moment noch viel zu hoch munitionierter Schuss von Plasberg, der sich anschließend auch einsichtig zeigt, nachdem er ein paar Minuten etwas bedröppelt weiter moderierte.
Ja, solche Bilder hinterlassen eine intensive Wirkung, die zu solchen verzerrten Bildern führen kann. Bilder sind mächtig. Mehr noch, wenn Plasberg – wieder deutlich über seinem sonstigen Erregungslevel – erzählt, wie schwer es war, überhaupt Leute mit türkischem Hintergrund für die Sendung zu bekommen, viele hätten Angst, wollen weiter unbehelligt in die Türkei reisen dürfen.
Ebenfalls Gast der Sendung ist der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma. Als einer der wichtigsten Befürworter der großen Zentralmoschee ist er die tragische Figur des Abends, wenn er unverdrossen an seinem Werk festhält, aber seine Enttäuschung über das Verhalten „seiner“ Türken kaum verbergen kann, die ihn, den Architekten und auch sonst keinen deutschen Würdenträger zum Festakt mit Erdogan in die Moschee eingeladen hatten.
Zwar streitet die Runde noch ein bisschen, ob nun DITIB oder Erdogan dafür verantwortlich sind, dass die Türken hier auf deutschem Boden ihr eigenes Süppchen kochen, aber am Ende spielt es keine Rolle, ob DITIB als der verlängerte Arm des Präsidenten gilt. Vieles spricht ja dafür, wenn Erdogans Parteifreund Yeneroglu kurz vor dem Besuch seines Präsidenten dann doch noch ein paar Einladungen ausspricht, wie er freimütig erzählt, fast so, als wäre er selbst Hausherr der neuen Moschee.
Nein, mit „Türkenfritz“ – so wird Fritz Schramma liebevoll von Kölner Türken genannt – möchte man nicht tauschen. Hier sieht es im Moment tatsächlich so aus, als wäre die politische Arbeit aus Jahrzehnten irgendwie für die Katz gewesen. In einem Interview sagt Schramma zur fehlenden Einladung an ihn: „Es ist ja auch, um es gelinde zu sagen, eine unverschämte Art, so mit Leuten umzugehen, die sich mehr als zehn Jahre für diesen Bau eingesetzt haben. Die DITIB ist da einzuordnen zwischen Unprofessionalität und Böswilligkeit.“ Von wegen, die DITIB arbeitet hochprofessionell – für Erdogan.
Schlimmer noch: Schramma musste nun erkennen, dass auch der geplante Moschee-Beirat mit ihm und auch der Kölner Bürgermeisterin so nicht mehr existiert. Die Türken wollen nun, wo ihre Moschee steht, offensichtlich lieber auf dieses ganze Multikulti-Tamtam der Deutschen verzichten, die hier von einer Partizipation an der programmatischen Ausgestaltung der Moschee geträumt hatten. Schramm trauert: „Es hätte ein Volksfest werden können und damit auch ein gutes Zeichen für Integration.“ Hätte, hätte … Sie wissen schon.
Auch an dieser Stelle schüttelt Yeneroğlu den Kopf, die Kamera wird es im Verlaufe der Sendung noch öfter einfangen. Nein, der Erdogan-Anhänger macht es einem nicht leicht, ihn zu mögen, hat aber bei hart aber fair den Bonus, auf der Anklagebank zu sitzen und gegen fünf Leute anreden zu müssen inklusive Moderator. Das macht er zweifellos ganz gut. Und so wird einmal mehr klar, wie schwer es ist, noch das offensichtlichste Unrecht so zu erzählen, dass einer wie Yeneroğlu eben keine Chance mehr hat, hier argumentativ gegenzuhalten.
Wird das gesprochene Wort also doch überbewertet? Sind wir gegenwärtig in vielen Debatten am Ende der Sprache angekommen? Und spielt hier dieser gewaltige Sprechmüll aus den sozialen Medien eine Rolle, der alles immer noch mehr zuschüttet und jenseits einer vernünftigen Dialektik unter sich begräbt?
Doch, Plasberg hat, wie schon letzte Woche, auch hier wieder eine gute Sendung abgeliefert. Selbst dann, wenn zwischenzeitlich die Pferde mit ihm durchgegangen sind, zum Schluss hat er versucht, die Attacke seiner Moderation gegen Yeneroğlu wieder ungeschehen zu machen, also geschenkt.
Viel nachhaltiger wirkt hier ein Bild aus dem Einspieler, wo der wohl als Musterkandidat gelungener Integration geltende, wo Schwiegermutters Liebling, wo der Fast-Außenminister Cem Özdemir vor Erdogan steht und Haltung zeigt. Auch wenn es in der Sendung fast klein geredet wurde, was Özdemir da abgeliefert hat, ist aller Ehren wert: Bilder sind heute Worten weit überlegen. Und diese Bilder bleiben hängen. Und sie haben eine klare Botschaft, wenn sie das versteinerte Gesicht Erdogans festhalten.