Tichys Einblick
Die Lawine rollt

Merkel und Prantl und überhaupt

Ein Bericht und ein Kommentar aus Süddeutsche online regten zu Fragen und Antworten an.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Die Zusammenfassung eines öffentlichen Interviews von Frau Merkel mit der Augsburger Allgemeinen auf Süddeutsche online gestern um 21 Uhr 24 lautet so:

Aus dem Kommentar von Heribert Prantl »Das Ende der Ära Merkel« am Donnerstag abends um 18 Uhr 50 zitiere ich den letzten Absatz:

»Die Nach-Merkel Kandidaten sind bekannt: Jens Spahn, 38; Daniel Günther, 45. Annegret Kramp-Karrenbauer, 56. Armin Laschet, 57. Peter Altmaier, 60. Im Hintergrund gibt es noch Thomas de Maizière, 64; Ursula von der Leyen, 59. Als CDU-Chef oder -Chefin kann man sich einen der Jüngeren gut vorstellen. Aber als Kanzler? Mag man sich vorstellen, dass ein Spahn mit Trump verhandelt? Schöner ist diese Vorstellung: Die CDU hat ein neues junges Gesicht; und das Land hat einen klugen alten Kopf. CDU-Chef war Schäuble schon einmal, die Zeit dafür ist vorbei. Aber das Land als Kanzler in einer Zeit des Übergangs zu stabilisieren, das könnte sein letzter Dienst sein. Die CDU bekommt derweil einen Chef oder eine Chefin, der oder die zeigt, was er oder sie kann. Ob Merkel das mit sich machen lässt? Vielleicht steuert sie es selbst so. Sie ist eine ungewöhnliche Frau.«

Abgesehen davon, dass ich Prantl ungewöhnlicher finde als Merkel, laden die zwei Beiträge auf der Süddeutschen online im Abstand von gut 24 Stunden zu Fragen ein.

Ist Frau Merkel wirklich so abgebrüht, wie sie sich darstellt? Nein. Wer nur ein paar Blicke auf ihre Gesichts- und Körpersprache werfen konnte nach dem Kauder-Niederschlag, sah, der Treffer zeigte schwere Wirkung. Aber ihr Wille, am Amt festzuhalten, ist bei ihr so identisch mit dem nackten Überlebenswillen, dass sie ziemlich schnell alle verbliebene Kraft mobilisiert, um wieder in den Ring zu steigen und zu demonstrieren, hier bin ich in alter Bestform, auf geht’s.

Ist die Ankündigung der Kandidatur zum CDU-Vorsitz feste Absicht oder Taktik? Bei Frau Merkel ist alles Taktik, aber die Absicht, im Kanzleramt zu bleiben, ist immer feste Absicht. Taktisch war ihre sogenannte Entschuldigung, mit der sie in Wahrheit nichts anderes wollte, als Luft aus der Abstimmung über Kauder in der Fraktion zu lassen, ein großer Fehler: Die Fake-Entschuldigung wirkte als das, was sie war, als Zeichen von Schwäche. Vor den Landtagswahlen kann sie sich kein weiteres Schwächzeichen leisten, der Verzicht auf die Kandidatur am Nikolaus-Parteitag der CDU am 6. Dezember in Hamburg wäre ein solches. Ob sie nach den Wahlen tatsächlich kandidiert, hängt davon ab, wie sie diese Frage dann in der Wirkung auf ihr Verbleiben im Kanzleramt einschätzt.

Was bewirkt die Ankündigung von Frau Merkel, wenn der sächsische Fraktions-Chef eine Koalition mit der AfD »weiterhin nicht ausschließe, müsse sie mit ihm ein persönliches Gespräch führen«? In der CDU nichts. Sie bestärkt ihre innerparteilichen Gegner und Anhänger gleichermaßen. Objektiv ist diese Aussage ein weiterer taktischer Fehler. So ein Gespräch führt man, das gewünschte Ergebnis lässt man den Gesprächspartner selbst beiläufig öffentlich machen. Es als Alpha-Frau anzukündigen, bedeutet, im vorhinein das gewünschte Ergebnis zu desavouieren. Bleibt der Sachse Hartmann unnachgiebig, wird der Fehler von Frau Merkel öffentlich als groß eingestuft. Gibt er nach, ist es Wasser auf die Mühlen der innerparteilichen Merkel-Gegner. So oder so: im Angelsächsischen eine klassische „lose-lose situation”, eine von Frau Merkel selbst geschaffene.

Wie lange kann Frau Merkel sich im Kanzleramt noch halten? Maximal bis zur Probe-Bundestagswahl, die Europawahl genannt wird, obwohl es sich nur um nationale Wahlen zum EU-Parlament handelt, das keine Parlamentsrechte hat.

Hätte Herr Prantl seinen Kommentar auch nach dem Bericht über das Interview so geschrieben wie vorher? Er hätte es jedenfalls ruhig tun können, denn er baute  ja bei seinen Nach-Merkel-Erwägungen den Hinterausgang ein: »Vielleicht steuert sie es selbst so. Sie ist eine ungewöhnliche Frau.«

Ich bleibe dabei, Prantl ist ungewöhnlicher als Merkel. Journalistisch überlebt er sie als Politikerin.

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