Tichys Einblick
Spare in der Not, da hast du Zeit dazu

Sonntags-Glosse: Dicke Taschen, schmale Hoffnung

Der Weihnachtskonsum ist ein Indikator für Konjunktur und Vertrauen. Noch ist beides robust - oder gelten in der Null-Zins-Welt ganz andere Gesetze?

Die Einkaufstüten, die man jetzt in den Einkaufsstraßen sieht, sind prall gefüllt. Das ist mein persönlicher Konjukturindikator: Wenn zu Beginn der Weihnachtssaison die Tüten und Taschen ordentlich dick sind, wird es ein gutes Jahr. Klar, wer konsumiert, bringt den Laden zum Brummen.

Wird es ein brummendes Jahr?

Heuer soll es sogar ein besonders brummendes Jahr werden, sagen die Umfragen: 460 Euro für Weihnachtsgeschenke wollen die Bundesbürger in diesem Jahr durchschnittlich ausgeben, das sind 18 Prozent mehr als 2014 und fast ein Rekord: Es ist der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Lassen Sie sich also nicht lumpen, noch können Sie es sich leisten. Jetzt zahlen sich die höheren Gehälter aus und die vielen neuen Jobs, die in diesem Jahr wieder entstanden sind – so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.

Allerdings glaube ich diesen Zahlen weniger als meinen Tüten. Denn solche Statistiken werden immer vor Weihnachten veröffentlicht. Sie haben meist den Zweck, uns dazu zu bringen, mehr Geld auszugeben.

Nach Weihnachten ziehen die Kaufhaus-Manager dann meist wieder ein verdrießliches Gesicht. Dann war es doch nicht so gut. Schlimm ist das nicht; die Klage ist das Lied des Kaufmanns, heißt es im Sprichwort.

Konsum ist Psychologie pur. Konsum ist Vertrauen in die Zukunft, Vertrauen darauf, dass der Job sicher ist und Vertrauen darauf, dass es keine größeren wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen gibt.

Wer Angst hat, spart, lautet die alte Regel

Wer Angst hat, spart, lautet die alte Regel der Konjunkturpolitik. Noch haben die Deutschen Vertrauen, das aus den letzten Jahren kommt. Obwohl unsere letzten flugfähigen Tornados vielleicht schon zu Weihnachten über Syrien donnern werden. Obwohl keinMensch Ahnung hat, wie wir mit der Flüchtlingskrise umgehen. Wenn Weihnachten kommt, werden viele keinen Stall haben, wie Maria, Josef, Jesus, gewärmt von Ochs und Esel, sondern nur Zelte. Kommt dann der Flüchtlings-Soli doch?

Noch freuen sich alle über das Konjunkturprogramm durch Zuwanderer, nicht nur die Matratzen-Hersteller, Container-Verleiher und Wrackhotel-Besitzer. Dass die hohen Ausgaben dauerhaft bleiben, aber kaum Steuern und Beiträge kommen – das Gedächtnis ist kurz. Wachstum durch Schulden, das hat schon nicht in Griechenland geklappt. Die Frage ist: Bei wem wird dann gespart? Wer zahlt drauf? Besser, wenn wir das nicht wissen wollen. Noch nicht.

Der Weihnachtspunsch wirkt

Die Konsumenten haben noch Vertrauen, obwohl Terror immer schlecht ist fürs Geschäft, gut ist der Tod nur für die Waffenfabrikanten.

Und außerdem, was bringt schon sparen, wenn die Zinsen null sind? Eines ist gewißt im nächsten Jahr: Die nächste Euro-Krise kann  so schnell aus der Höhle kriechen wie ein Ungeheuer der griechischen Sagen. Politik in Deutschland ist, wenn man wegschaut, dann verschwinden die Probleme ganz von alleine. Wir kennen das von Kindern. Viele Menschen wollen gar nicht alles verstehen  – sie brauchen nur die Sicherheit, dass sich die Regierung drum kümmert, mehr links oder rechts rum, Hauptsache Vernunft. Das war die Stärke von Helmut Schmidt, und lange hat man das auch Merkel so zugetraut: Sie hat den Laden schon im Griff. Das glaubt heute kaum einer mehr. Der Kontroll- und Kmpetenzverlust der Regierung wiegt schwer.

Das Jahr hat gut angefangen und endet wacklig wie nach zu viel Punsch vom Weihnachtsmarkt. Aber noch lassen wir uns davon die Laune nicht verderben.

„Spare in der Not, das hast du Zeit dazu“, pflegte meine Mutter zu sagen.

Sie hat es nicht studiert, war aber eine klügere Volkswirtschaftlerin als viele der heutigen Zahlenknechte, die nur in ihren Computer schauen und doch, oder gerade deswegen, nichts kapieren. Wir verschieben gerade die Not auf Januar, und das ist gut so.

Deshalb also: Schleppen Sie dicke Taschen nach Hause. Wer hat, der hat und macht mehr daraus. Das ist das beste Rezept gegen drohende Not. Konjunktur ist auch, wenn sich Prophezeiungen selbst erfüllen. Die Not  kommt schneller, wenn wir schmale Taschen tragen. Und übrigens immer zuerst bei jenen, die nur dünne Taschen kennen.

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