Tichys Einblick
„Straftat, ‚Flüchtling’, Abschiebung“

Hart aber fair, aber nicht zu sehr

Richtiges Thema, teilweise falsche Gäste und fehlende Fragen an der richtigen Stelle. Wenn sich Frank Plasberg schon mit dem Thema durchsetzt, dann darf er es nicht auch noch kontrovers gestalten.

Screenshot WDR

Ach Mensch, Herr Plasberg, schon wieder was mit „Flüchtlingen”? Und das, wo doch gerade eine aktuelle Studie bewiesen haben will, wie prima das klappt mit der Integration der nächsten Million? Nun gehen die Quoten immer hoch, wenn’s um Asylbewerber, Ausländerkriminalität und Asylmissbrauch geht. Nein, das muss kein Hinweis darauf sein, was den Bürger wirklich bewegt, könnte aber doch. Also springt Plasberg über die ganzen Nörgler hinweg direkt ins Thema schnelle Abschiebungen und Rechtsstaat. Konkret fragt Hart aber fair: „Warum müssen gut Integrierte gehen, während Straftäter oft bleiben dürfen?“ Ja, warum eigentlich? Warum macht sich der Rechtsstaat immer öfter so lächerlich, wen er nicht in der Lage ist, abzuschieben?

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Plasberg hätte auch fragen können: Warum gibt es neuerdings bei jedem idiotischen Hitlergruß ein flottes Schnellgerichtsverfahren, während hunderttausende von rechtskräftigen Abschiebungsanordnungen bei fehlendem Bleiberecht eine Anwalts- und Asylindustrie nebst Kirchenasyl für Monate, wenn nicht Jahre in Gang setzt, oft so lange, bis die Verzögerung selbst zum natürlichen Bleiberecht mutiert. Hätte er fragen können, hat er aber nicht.

Wer kommt? Jedenfalls kein Vertreter des Oppositionsführers im deutschen Bundestag. Dafür der Schwiegersohn von Schäuble, der heißt Thomas Strobl, ist ebenfalls CDU-Mitglied und unter dem grünen Kretschmann Innenminister des Landes Baden-Württemberg. Wir erinnern uns kurz: Dieser Herr Strobl hat schon eine Menge Unsinn erzählt in der Zuwanderungsdiskussion. Gerne verweisen wir da beispielsweise auf seine legendäre Verteidigung des Abendlandes gegen die AfD bei Maybritt Illner Anfang September 2016, als er befand: „Die CDU sind Christen für Deutschland und die AfD sind Atheisten für Deutschland.“

Ebenfalls mit dabei ist Thomas Oberhäuser, Anwalt für Asyl- und Ausländerrecht, und Harald Dörig, der war bis August 2018 Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Und weil die Polizeigewerkschaft nur den weltlichen Teil der Debatte vertreten kann, wenn sie Vorstandsmitglied Berthold Hauser entsendet, muss Dietlind Jochims den übersinnlichen Teil repräsentieren, sie ist Flüchtlingsbeauftragte der evangelisch-lutherischen Kirche Norddeutschland, gehört also zu jenen, die aktiv „Fluchthilfe” an der libyschen Küste querfinanzieren, die also Migranten nach Europa überführt, von denen eine Anzahl später möglicherweise kein Bleiberecht haben und im Kirchenasyl dann eben die Zeit absitzen dürfen, die es braucht, bis das Bleiberecht quasi automatisch ausgesessen und ertrotzt ist. Ach ja, Frau Lisa Fiedler ist später auch noch dabei. Sie ist Integrationsbeauftragte beim Outdoor-Sportartikel-Hersteller VAUDE.

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„Straftat, ‚Flüchtling’, Abschiebung“ – das wäre der neue Dreiklang, eröffnet der Moderator. Der Polizeigewerkschafter Berthold Hauser hat selbst Abschiebungen mit durchgeführt und weiß um die seelische Belastung auch für die „Rückführbeamten.“ Wenn ein Linienflugzeug nach Afrika fliegt und die weißen Beamten sitzen da mit schwarzen Abgeschobenen, erzählt der Polizist, das sei schon speziell, wenn da zweihundert weitere Farbige im Flugzeug sitzen, die genau schauen, was die weißen Beamten da so machen. „Abschiebling“ nennt Hauser fast verniedlichend Abgeschobene und weiß aber um die Gefährlichkeit solcher Personen.

Thomas Strobl kann gut verstehen, dass über 80 Prozent der Bevölkerung konsequentere Abschiebungen will. Er hätte nach seinem Amtsantritt 2016 die Zahl der Abschiebungen um 50 Prozent erhöht („von 1.400 auf 3.600“), gibt er dem Faktencheck schon mal die erste Aufgabe mit auf den Weg – mal sehen, ob der Check auch herausfindet, dass Abschiebungen 2018 in Baden-Württemberg deutlich zurückgegangen sind.

Bis der Wahrheitsgehalt geklärt ist, erinnern wir uns derweil an Strobls Aussage bei Illner im selben Jahr Richtung AfD: „Christen machen nicht die Tür zu, wenn Menschen in Not zu uns kommen, die vor Tod, Vergewaltigung und vor Gewalt fliehen, sondern dann haben wir eine offene Tür und auch ein offenes Herz. Wer sich da abschottet gegenüber solchen Menschen, der verrät abendländische Werte.“ Tja, lang ist es her. Und was 1.400 oder 3.600 Abschiebungen bedeuten, bei hunderttausenden illegalen Einwanderern ohne Bleiberecht in Deutschland, bleibt uns der Populist aus der Verwandtschaft Schäubles natürlich ebenfalls schuldig.

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„Abschiebungen sind ein hartes Geschäft“, befindet nun der Thomas Strobl im September 2018 und ergänzt, dass wir das Recht konsequent anwenden müssen. Ja, ja. Nun folgt der Anwalt der Abzuschiebenden: Für Thomas Oberhäuser ist zunächst einmal jede nicht vollzogene Abschiebung positiv. Angesprochen von Plasberg auf kriminelle Hintergründe, meint Oberhäuser, dass würde doch nicht vom Aufenthaltsstatus der Person abhängen. Dafür gibt es den erhofften Publikums-Applaus, was dann auch die Frau Pastorin freut. „Der Wechsel vom illegalen zum legalen Aufenthalt ist im Gesetz angelegt.“, erinnert Oberhäuser abschließend und meint damit beispielsweise Personen ohne Bleiberecht aber mit einer begonnenen Ausbildung.

„Wer kein Asyl bekommt, der muss gehen, ist ein Satz, zwischen dem fünf Nebensätze noch fehlen.“, erklärt die Pastorin dem Moderator mit – diese Bildbeschreibung sei hier gestattet – schräg gelegtem Kopf und einer recht wirkungsvoll ins Melancholische absinkenden Stimme. Auch hier der zu erwartende Applaus und eine Pastorin, bei der man fürchtet, dass sie für den Moment von ihrer eigenen Menschenliebe überwältigt sein könnte, wenn sie mit Augenaufschlag hoch zum fast erschrockenem Moderator ihre Gefühlslage offenbart.

„Es rührt mich schon an, dass eine solche Bluttat hätte verhindert werden können, wenn Behörden konsequent gehandelt hätten.“, kommentiert vorsichtig Richter Harald Dörig den Fall Anis Amri.

Der Aufhorcher am Rande, wenn der Richter der staunenden Runde erzählt, dass er einmal amnesty in der Türkei befragt hat, was ehemaligen Angehörigen des IS in der Türkei bei Abschiebungen drohen würde und amnesty Richter Dörig in etwa mitteilte: nichts Nennenswertes. Übersetzt heiße das also: Als Ex-IS-Kämpfer kein Problem, als kritischer linker Journalist aber besser nicht back too Erdogan.

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Wie ärmlich ist das eigentlich, muss man als Zwischenbemerkung fragen, wenn sich ausgerechnet der ausgewiesene Refugees-Welcome-Politiker Thomas Strobl in der Runde als Abschiebebefürworter irgendwie aufplustern soll, weil sonst niemand eingeladen ist, der diese Position sachgerecht und argumentativ einzunehmen in der Lage wäre. Frau Pastorin möchte „böse“ und „ganz böse“ mal erklärt bekommen. Wenn dann aber ein Thomas Strobl hingestellt wird, der aus sich heraus überhaupt nicht die Expertise mitbringt, Abschiebungen als solche zu vertreten, dann muss sich Plasberg fragen, was er da für eine Runde zusammengestellt hat.

Fragen wir Frank Plasberg mal direkt und von hier aus: Warum darf der Oppositionsführer hier eigentlich nicht teilnehmen? Immerhin wird der AfD doch ständig vorgehalten, sie hätte nur dieses eine Thema. Dann wird sie sich auch damit auskennen. Warum sitzt beispielsweise ein Herr Meuthen nicht bei Ihnen in der Runde? Wollen, können oder dürfen sie nicht? Beantworten sie uns das bitte gerne per Email oder rufen sie einfach an.

Polizist Hauser erzählt von freiwilligen Ausreisen, die finanziell begleitet werden und von denen man nun weiß, dass viele, wenn das Geld alle ist, einfach wieder zurückkommen. Als Zwischenfazit kann man hier schon einmal festhalten: Die Runde streitet munter um die Verträglichkeit von Straffälligen und Kriminellen, als gäbe es das Asylrecht oder gar die kulturellen Barrieren der anderen überhaupt nicht. So macht es tatsächlich den Anschein, als wäre nur ausreisepflichtig, wer nicht brav war – alle anderen könnten bleiben, würden möglicherweise sogar gebraucht.

Wie formulierte es Alexander Dobrindt? „Die Anti-Abschiebe-Industrie nutzt die Mittel des Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen. 2015 wurden unsere Grenzen überrannt, jetzt versuchen Abschiebe-Saboteure das gleiche mit unseren Gerichten.“

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Der Richter am Tresen bei Plasberg informiert einmal über die aktuellen Zahlen: In der Vergangenheit hätte es in Deutschland etwa 120.000 Verwaltungsstreitverfahren im Jahr aus fast allen Bereichen gegeben, heute wären 370.000 Fälle alleine an Asylklagen hinzugekommen. Dörig teilt die Ansicht, dass es Anti-Abschiebe-Bündnisse gibt, von einer Industrie würde er allerdings nicht sprechen wollen und auch den Anwälten dürfe man hier keine Schuld zuschieben, die wären ihren Mandanten gegenüber mit aller Kraft verpflichtet.

Die Pastorin erklärt Kirchenasyl mal eben mit einem „anderen Rechtsempfinden“. Plasberg fragt klug nach, ob das dann auch für die Baumbesetzer im Hambacher Forst gelten darf oder für wen noch alles. Und dann eine noch viel bessere weil böse Frage von Plasberg wieder an den Richter: „Wie dankbar sind sie eigentlich dafür, dass die Kirche ihnen Gelegenheit gibt, darüber nachzudenken, ob sie richtig geurteilt haben?“

„Seelsorge, Begleitung, Integration“, versteht Richter Dörig als Kirchenauftrag, was Kirchenasyl angeht allerdings, seien die Kirchen „auf dem falschen Dampfer“ unterwegs. „Kirchenasyl gibt es in einem Rechtsstaat nicht. (…) Jede Verwaltungsentscheidung kann überprüft werden.“ Dörig kann nicht verstehen, dass wenn dann diese Vielzahl an Rechtssprechungen und rechtlichen Möglichkeiten erschöpft sei, die Kirche käme und so ein „vorchristliches Tempelasyl“ anbieten würde als Paralleljustiz, die Dörig tatsächlich für gefährlich hält für den Rechtsstaat.

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Dörig sagt es, aber der Innenminister mit dem -C- im Parteinamen widerspricht sogleich, gesteht den Kirchen hier tatsächlich die Mahnerfunktion zu. Ja, dieser Thomas Strobl ist schon ein echtes Biegemännchen. Gut, dass wir ihn hier bei TE schon so lange begleiten und diverse Talkshow-Auftritte der letzten Jahre hinreichend dokumentiert haben. Gut, dass wir einschätzen können, wie wenig ernst zu nehmen ist, wenn ihm die Hose wieder spannt beim Spagat und er damit leider alles andere als etwa geistige Potenz zum Ausdruck bringt. Die Pastorin will Kirchenasyl als Seismograph verstanden wissen. Mal schauen, wann der nächste spätere Schwerverbrecher oder gar Mörder unterm Kreuz sein Zimmerchen bezieht, der eigentlich schon außer Landes wäre. Man darf gespannt sein, wie Pastorin Dietlind Jochims den potentiellen Angehörigen der potentiellen Opfer dieser Kirchenasylanten diese potentiellen seismographischen Erkenntnisse vermitteln mag.

Dann darf noch Lisa Fiedler quasi als Integrationsbeauftragte der Industrie – namentlich des Sportartikel-Hersteller VAUDE – erklären, warum ihrer Meinung nach immer die falschen abgeschoben werden. Nun hat VAUDE aktuell zwölf Migranten beschäftigt, von denen sieben mit Abschiebung bedroht sind. Und da fragt man sich schon, was es da noch groß herumzureden gibt mit Frau Fiedler.

Es gibt ja nur zwei Alternativen: Entweder Arbeitserlaubnis wird nur erteilt, wenn die Fälle abschließend positiv entschieden sind oder es muss eben und kann, wenn schon im laufenden Verfahren gearbeitet werden darf, im Zweifel eine erworbene Kompetenz mit ins Heimatland zurückgenommen werden.

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Was ist eigentlich so schwer daran zu verstehen, dass Asylrecht kein Zuwanderungsrecht für die deutsche Industrie ist? War es nie, sollte es auch nie sein. Asyl ist keine Speerspitze irgendeines Raubtierkapitalismus. Und wenn sich aktuell das Handwerk über fehlende Fachkräfte beschwert, dann sollen sie diese eben besser bezahlen, dann werden Dienstleistungen wieder wertvoller, dann muss der Wert einer Ausbildung eben wieder mehr gewürdigt werden, dann müssen Anreize den Abiturienten zunächst in die Ausbildung anstatt ins Studium bringen.

Und leider merkt man dann auch bei Frau Fiedler, wie Marketing und soziale Verantwortung aus dem Ruder laufen kann, wenn das heilige Engagement eines Unternehmens in Sachen „Flüchtlinge” so merkwürdig plakativ und werblich vorgetragen wird, wie es Fiedler hier versucht, als wäre sie eine gewichtige politische Entscheiderin und nicht doch in Wahrheit lediglich die nette und couragiert auftretende Marketingdame eines Unternehmens, das mit seiner Produktpalette vornehmlich kritische ökologische Geister und Naturliebhaber anspricht und eben um deren politische Ausrichtung weiß, die man irgendwie anzapfen will.

Und dann war es das schon wieder. Eine Sendung mit dem richtigen Thema, aber den teilweise falschen Gästen und fehlenden Fragen an der richtigen Stelle. Frank Plasberg weiß das aber selber – ihm sind halt die Hände gebunden, wenn er sich schon mit dem Thema durchsetzt, dann darf er es nicht auch noch kontrovers gestalten.

Aber was dürfen wir von ihm auch verlangen in diesen Tagen? In denen der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) Frau Merkel den „Ehren-Victoria 2018” verleiht für „ihre bisherige politische Gesamtleistung” – „vom Beginn der Kanzlerschaft 2005 über die erfolgreiche Bewältigung der Finanzkrise bis zur Führung in einem turbulenten Europa”. Bewältigung? Führung? Wo? Amen.

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