Am 15. September 2008 verwandelten sich selbsternannte «Masters of the Universe» in arme Würstchen, die in Pappkartons ihre Habseligkeiten aus dem Büroturm der Bank Lehman Brothers trugen. Das Ende einer 158-jährigen Geschichte.
Vorausgegangen war ein beispielsloser Raubzug von reiner Geldgier und Skrupellosigkeit getriebener Banker, die sich in einem wahren Bonustaumel über 1.000 Milliarden Dollar abgegriffen hatten. Als Belohnung für Geschäfte, die sich als Luftnummern entpuppten. Der Trick war so einfach wie durchschlagend: Vorher nicht handelbare Hypothekarschulden wurden verbrieft, anschliessend verwurstet, also zu Päckchen verschnürt, mit klingenden Namen und Bestnoten der von den Banken bezahlten Rating-Agenturen verschönert – und verkauft.
Nun brauchte es nur noch eine vermeintliche Sicherheit, also etwas vom vorher Langweiligsten im gesamten Bankgeschäft: das Darlehen auf ein Haus oder eine Wohnung. Die Preise für Immobilien in den USA hatten eine längere Phase des Anstiegs durchgemacht, und wie immer bei Blasenbildungen stellte sich die Illusion ein, dass das unbeschränkt und endlos so weitergehen würde. Also wurden sogar Ableitungen auf Ableitungen erfunden, das Karussell drehte sich immer schneller. Bis es den ersten Teilnehmer, die altehrwürdigen Lehman Brothers, die sich in eine Zockerbank verwandelt hatten, aus der Kurve trug.
Befeuert wurde dieser Tanz der Milliarden von einer verbrecherischen Niedrigzinspolitik des damaligen Chefs der US-Notenbank, Alan Greenspan. Später erlangte er mit dem dummen Satz Berühmtheit, dass man eine Blase erst dann erkenne, wenn sie platze. Durch das billige Geld wurden auch harmlose Sparer in immer absurdere Anlagen getrieben, obwohl sie nur eine sichere Geldanlage suchten, die verhinderte, dass ihr angespartes Kapital durch die Inflation weggefressen würde.
Auch die Banken selbst benützten einen einfachen Trick, um ihre Aktionäre glücklich zu machen. Wer mit einer Million Eigenkapital 10.000 Franken Gewinn macht, hat einen Profit von einem schlappen Prozent eingefahren. Wer aber mit einer eigenen Million und 10 oder noch besser 100 geliehenen Millionen ein Prozent Gewinn macht, kommt auf 100.000 oder gleich eine Million Profit, also eine knackige Eigenkapitalrendite von zehn oder hundert Prozent. Das ist vor allem dann verführerisch, wenn Geld fast gratis ist. Wenn das Geschäft aber schiefgeht, und das kann ja passieren, weil Rendite und Risiko sich eben nicht voneinander trennen lassen, wenn nur ein Verlust von einem Prozent entsteht, ist das Eigenkapital aufgezehrt und die Bank blank.
Zuvor sind aber die Bonusbanker in den wohlverdienten Ruhestand abgezwitschert und schippern heute noch auf ihren Yachten in den Sonnenuntergang. Obwohl es unbestreitbar ist, dass hinter dem grössten Bankraub aller Zeiten kriminelle Energie, unersättliche Gier und skrupellose Verantwortungslosigkeit steckten, ist kein einziger Banker aus der Führungsriege der damaligen Zockerbanken zur Verantwortung gezogen worden. Weder in den USA noch in Europa noch in der Schweiz.
Den Schaden aufräumen durften die Steuerzahler. Schon am Tag nach der Pleite von Lehman schob der damalige US-Finanzminister Hank Paulson dem wankenden Versicherungsriesen AIG 85 Milliarden Staatshilfe rein, die sich am Schluss auf über 800 Milliarden summierten.
Am Aufeinandertreffen des damaligen CEO von Lehman, «the gorilla» Dick Fuld und «the hammer» Paulson lässt sich ein weiterer Aspekt des Wahnsinns beschreiben: die meisten Bankenlenker und Finanzchefs haben eine krankhafte Psyche. Alleine um in die oberste Position zu kommen, braucht es ein Durchsetzungsvermögen, das nur Egozentriker mit soziopathischen Tendenzen haben. In der Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen Goldman-Sachs-CEO Paulson und Fuld ging es nur um eins: ums Ego. Also antwortete Paulson am 14. September einfach nicht mehr auf die immer verzweifelteren Anrufe und Hilfeschreie des «Gorilla» Fuld und verweigerte eine Rettung der Bank.
Zehn Jahre später mag man sich fragen: Ist eine Wiederholung der Finanzkrise 2008 heute möglich? Die Antwort ist ein klares Nein. Eine Wiederholung ist nicht möglich, das nächste Mal wird es noch viel, viel schlimmer werden. Die wichtigsten Industriestaaten sind bis über beide Ohren verschuldet, die Notenbanken fluten den Markt bis heute mit Gratisgeld, der Konjunkturmotor stottert in Europa, diverse Schwellenländer haben sich in ausländischen Währungen verschuldet und haben, Beispiel Türkei, Beispiel Argentinien, gröbere Probleme mit den Schuldendiensten. Es ist also nicht die Frage, ob eine nächste, schlimmere Finanzkrise kommt. Es ist nur die Frage, wann.