Es ist ein typisches Merkmal von inszenierten Skandalen: Wenn sich einer oder sogar mehrere Vorwürfe als offensichtlich falsch herausstellen – wie das beispielsweise auch bei dem Skandal um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff der Fall war -, lassen die Medien und die Politiker, die sich vorgenommen haben, jemanden zu Fall zu bringen, nicht etwa von ihrem Opfer ab, sondern suchen nach weiteren angeblichen ‚Beweisen’ auf ganz anderen Feldern, um ihr Ziel zu erreichen.
Die Skandalberichterstattung gewinnt schließlich eine solche Eigendynamik, so der Wissenschaftler, dass selbst dann, wenn der ursprüngliche Vorwurf eindeutig widerlegt wurde, neue Vorwürfe erhoben werden, die der Berichterstattung weitere Nahrung bieten. Bei Lichte betrachtet bzw. bei nüchterner Distanz handele es sich bei diesen neuen Vorwürfen zwar um sehr geringe Verfehlungen, die normalerweise toleriert oder kaum beachtet würden, die jedoch vor dem psychologischen Hintergrund der Skandal-Dramatik auf einmal eine hohe Brisanz gewinnen, weil sie vermeintlich das negative Bild von der Verwerflichkeit und Schlechtigkeit der skandalisierten Person bestätigen. Genau das ist jetzt bei den angeblichen „Informationen“ der Fall, die Maaßen an die AfD weitergegeben haben soll und die in das – für Skandale ebenfalls sehr wichtige – Deutungsschema passen, das die Skandalisierer zuvor geprägt haben (in diesem Fall: Maaßen als klammheimlichen AfD-Sympathisanten bzw. – Helfershelfer darzustellen).
Technik der Skandale: Scheibchenweise neue „Vorwürfe“ platzieren
Und was ist die letzte Stufe, wenn dann auch die „neuen“ Vorwürfe entkräftet sind?
Auch dazu gibt es Erfahrungswerte aus anderen Skandalen. Kepplinger weist darauf hin, dass, wenn die Divergenz zwischen Anlass und der Aufgeregtheit der Berichterstattung allzu offensichtlich wird, die Skandalisierer die Erklärung nachreichen, der Angegriffene sei nicht über die ursprünglich kritisierten Verfehlungen, sondern über seine Fehler bei der Verteidigung gefallen – „er sei sozusagen wie das Wild bei der Treibjagd selbst Schuld daran, wenn es einen falschen Haken geschlagen und in die Schussbahn geraten sei“. Bis auf diese letzte Wendung ist bislang der ganze Skandal um Maaßen prototypisch so verlaufen wie andere Skandale.