Präsident Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch in seiner State of the European Union nicht überraschend für eine tiefere EU-Integration plädiert. Das Auffälligste: Er will eine EU-Grenzkontrollorganisation von 10.000 Beamten einrichten. Wie immer bei Junckers Vorschlägen: Welches Problem wird damit gelöst?
Es war ein merkwürdiges Treffen in Straßburg, Frankreich. Der Präsident der Kommission, ein Mann, zu dem ihn niemand wählen konnte, hielt seine jährliche Rede, für die es auch kein demokratisches Mandat gibt. Der „Staat” Europäische Union stammt schließlich aus der Europäischen Verfassung, die von den Franzosen und Niederländern im Jahr 2005 durch Referenden entschieden abgelehnt wurde. Nicht-hörende Regierungen setzten die Verfassung durch die Hintertür raus, um sie als Lissabon-Vertrag durch die Vordertür zurückzubringen. Und so wird die EU seit 2010 von einem Beamten, dem Kommissionspräsidenten, als unerwünschter Staat Europäische Union repräsentiert.
Junckers Rede forderte wie immer, die EU weiter zu integrieren – vertiefen. Am auffälligsten ist sein Vorschlag, ein EU-Grenzschutzorganisation zu gründen von 10.000 Grenzbeamten: davon 3.000 von der EU und die übrigen 7.000 müssen von EU-Ländern geliefert werden. Jährliche kosten: 12 Milliarden Euro. Dieser Vorschlag ist nicht neu, aber es lohnt sich, näher darauf einzugehen.
Denn welches Problem wird gelöst und ist es machbar? Gemäß Schengen-Abkommen müssen die Länder ihre Außengrenzen mit Nicht-Schengen-Ländern überwachen. Wer keine Zugangsdokumente hat, muss draußen bleiben. Südeuropa flehte endlos um EU-Solidarität (Geld) für die Kontrolle seiner Grenzen, aber als Nordeuropa die Grenzen schloss und Südeuropa isolierte, war diese Solidarität kein Thema mehr.
Junckers Vorschlag scheint ebenfalls unpraktikabel. Die Bewachung einer Grenze bedeutet, dass im letzten Fall Gewalt angewendet werden muss. Das Gewaltmonopol liegt in allen Schengen-Ländern beim Staat. Es ist schwer vorstellbar, dass Länder dieses Monopol als Teil ihrer Souveränität aufgeben. Stellen Sie sich vor, EU-Grenzschutzbeamte – zum Beispiel Deutsche – sind auf einer griechischen Insel stationiert und dürfen Gewalt gegen Personen anwenden, die illegal die Grenze überqueren. Oder dass diese EU-Deutschen mit Hunden herumlaufen und den Griechen Anweisungen geben, Gewalt anzuwenden. Das scheint kein Rezept zu sein. Wenn jemand erschossen wird, wer übernimmt die Verantwortung?
Das ist nicht nur unnötig, sondern auch unklug. Juncker macht die EU-Integration zu einem Ziel an sich. Ohne sich Gedanken über die Notwendigkeit, Machbarkeit und Nützlichkeit für den Bürger zu machen. Das is nicht überraschend. Juncker ist nicht gewählt. Für Technokraten sind Bürger immer Schachfiguren, die ihren erhebenden Reissbrettplänen im Wege stehen. Zentralisierung von Macht ist nun einmal die Natur von Technokraten.
Glücklicherweise sind Junckers Worte nicht viel Wert. Er hat angekündigt, 2019 in Rente zu gehen und hat damit politisch abgedankt. Die Pläne aus seinen drei vorangegangenen Reden zur Lage der Europäischen Union wurden meist nicht in die Tat umgesetzt. Wir erinnern uns noch an die Verteilung von Afrikanern und Asiaten auf die EU-Staaten aus Junckers letzter State of the European Union, den Wunsch von Merkel, um ihre innenpolitischen Probleme in die EU zu exportieren. Der Plan ist einen stillen Tod gestorben. Die Chance haben Junckers neue Pläne auch.