Am 31. Dezember 2018 dürften bei VW die Sektkorken knallen. Zumindest von deutschen Autofahrern haben sie ab diesem Zeitpunkt nichts mehr zu befürchten. Sämtliche Ansprüche von betroffenen Autobesitzern in Deutschland werden ab diesem Datum verjährt sein.
VW zahlt rund 25 Milliarden Euro in irgendwelche amerikanischen Kassen für einen vermeintlichen Schaden. Menschen sind nicht gestorben. Im Gegensatz etwa zu Unfällen aufgrund gravierender Fehlkonstruktionen bei anderen Herstellern. Dabei sind aufgrund von Fehlfunktionen im Auto sogar Menschen gestorben, doch Amerikas Justiz sah das nicht so eng und beließ es bei Geldbußen im Portokassenbereich.
Anders bei VW.
Die 25 Milliarden schmerzen Volkswagen zwar, es sind etwa 10 % des Umsatzes, aber das bringt das Unternehmen nicht um. Weniger verschmerzen können es allerdings jene Städte, die bislang prächtig von Gewerbesteuern von Volkswagen gelebt haben und nun praktisch nichts mehr bekommen.
Bisher sollen nur rund 30.000, von insgesamt rund 2,4 Millionen betroffener Besitzer eines VWs klagen.
Der Anspruch, so Roosen, richtet sich nach dem Paragrafen 826 BGB. Volkswagen habe durch seine Manipulation eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen. Das betreffe auch Kunden anderer Hersteller, wie Skoda, Audi oder Porsche. Denn Volkswagen trete hier als Zulieferer auf.
Allerdings kann die Verjährung noch eintreten, so dass unbedingt eine Hemmung der Verjährungsfristen erreicht werden muss. Bei der Prüfung, ob ein Anspruch verjährt ist, kommt es auf den Einzelfall an.
Früher Kenntnis vom Mangel gehabt zu haben, kann voraussichtlich nur Volkswagen selbst vorgeworfen werden. Allerdings gibt es Fälle, in denen Volkswagen als Händler aufgetreten ist oder in denen ein Autohaus ein Tochterunternehmen des Volkswagen-Konzerns ist und damit eine sogenannte Wissenszurechnung in Betracht kommt.
Ansprüche aus dem oben erwähnten Deliktsrecht verjähren, sobald der Kunde Kenntnis von der Manipulation erhielt. Ab Ende des Jahres der Kenntniserlangung beträgt die Verjährung drei Jahre. Kunden können Ansprüche schriftlich geltend machen, um der Verjährung entgegen zu wirken.
Betroffene des Abgas-Skandals können den Verjährungseintritt durch Antrag bei einer staatlich anerkannten Gütestelle aufhalten. Sofern für eine Prüfung der Verjährung und/oder für die Ausarbeitung und Einreichung einer Klageschrift zur Hemmung der Verjährung nicht mehr genügend Zeit vorhanden sein sollte, bietet sich die vereinfachte Geltendmachung dieser Ansprüche bei einer staatlich anerkannten Gütestelle an. Der BSZ e.V. hält eine Liste solcher staatlich anerkannten Gütestellen bereit.
Durch ein solches Gütestellenverfahren kann eine schnelle, kostengünstige und nicht öffentlich verhandelte Lösung herbeigeführt werden, wenn die Gegenseite sich auf das Verfahren vor der anerkannten Gütestelle einlässt. Falls nicht, bleibt es bei der Hemmung der Verjährung durch den rechtzeitigen Antragseingang.
Sobald der Antrag rechtzeitig bei der Gütestelle eingegangen ist, tritt die Hemmung der Verjährung für die Verfahrensdauer plus sechs Monate ein, wenn »demnächst« nach Antragseinreichung die Bekanntgabe des Antrags an den Schuldner erfolgt.
Bei dem Verfahren vor der staatlich anerkannten Gütestelle entstehen im Vergleich zum gerichtlichen Verfahren, meist deutlich geringere Kosten. Lehnt die Antragsgegnerseite die Durchführung des Verfahrens ab, ist lediglich eine niedrige pauschale Vergütung zu bezahlen. Wird das Verfahren durchgeführt, wird seitens der staatlich anerkannten Gütestelle nach Zeitaufwand gemäß der Verfahrensordnung abgerechnet. Ihre eigenen Kosten trägt jede Seite grundsätzlich selbst, es sei denn, die Beteiligten treffen eine andere Regelung. Ziel des Güteverfahrens ist eine gütliche und für alle Beteiligten akzeptable Lösung. Da das Güteverfahren nicht öffentlich ist, gelangen keine vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit.
Erfahrungsgemäß lässt sich in den meisten durchgeführten Güteverfahren eine für alle Seiten akzeptable Lösung finden. Neben der Erörterung der Rechtslage können auch wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte angesprochen werden.
Es ist allerdings schon vorgekommen, dass die Verjährung nicht wirksam unterbrochen wurde, als Kanzleien durch massenhafte Einreichung von Güteanträgen die Verjährung verhindern wollten. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung in 2015 mittlerweile die Hürden so hoch geschraubt, dass vielfach die Anträge nicht korrekt formuliert sind und demzufolge eine Verjährungsunterbrechung nicht eintritt.
Es wurden damals standardisierte Mustergüteanträge verwandt, welche lediglich die Namen der Betroffenen sowie die Bezeichnung des Anlagefonds enthalten haben. Es wurde also weder die Zeichnungssumme, der ungefähre Beratungszeitraum noch andere individualisierende Tatsachen benannt, was der Bundesgerichtshof nachdrücklich kritisierte. Auch das erstrebte Verfahrensziel sei nicht ausreichend dargelegt worden, so das Gericht.
Eine Rechtsschutzversicherung erleichtert das Verfahren. Sie muß aber bereits abgeschlossen sein, bevor das Auto gekauft wurde.
Die zweite Klagefront wurde am Montag dieser Woche in Braunschweig mit großem Aufwand eröffnet. Anleger klagen gegen VW, die Informationspflichten gegenüber dem Kapitalmarkt verletzt zu haben. Der Hersteller habe schon früh gewußt, was aufgrund des Dieseldesasters drohe und keine entsprechenden Warnungen veröffentlicht. Die Anleger erlitten nach Bekanntwerden des Abgasskandals heftige Verluste und klagen in einem ersten Musterprozeß auf einen Schadensersatz von rund neun Milliarden Euro. VW dagegen sagt, es habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz der Aktie gegeben. Am ersten Verhandlungstag erlitten die Kläger einen Dämpfer. Richter Christian Jäde eröffnete mit der Vermutung, dass die Ansprüche der Kläger verjährt sein könnten, weil es schwierig werde, eine Verletzung der Informationspflicht vor 2014 festzustellen. Es handele sich beim Dieselgate um einen zeitlich langen Vorgang.
Die dritte Klagefront können betroffene Dieselfahrer gegen die Städte eröffnen, wenn sie Fahrverbote aussprechen. Dazu ist es erst einmal notwendig, dass die Durchfahrt von Straßen gesperrt wird. Autofahrer, für die nicht Ausnahmeregeln wie Anwohner, Handwerker, Lieferanten oder Taxifahrer gelten, können gegen das Durchfahrtsverbot klagen. Jeder Betroffene eines Fahrverbots kann jetzt vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht gegen das Fahrverbot klagen.
Die Bundesrichter beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sagten im Februar bei ihrem berühmten Dieselurteil, das Bundesrecht lasse »zonen- wie streckenbezogene Fahrverbote« speziell für Diesel zwar nicht zu. Das EU-Recht verpflichte aber dazu, dass Grenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden. Deswegen seien Fahrverbote zulässig, wenn sie sich als die »einzig geeignete Maßnahme« erweisen, um die Grenzwerte schnellstmöglich einzuhalten.
Zweifelhaft ist, ob ein Dieselfahrverbot die einzig geeignete Maßnahme darstellt. Der Autoverkehr trägt nur zu einem Teil zu den NOx Anteilen bei.
Das Gericht hat auch keine Fahrverbote angeordnet, sondern nur gesagt, daß beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge grundsätzlich zulässig sind. Jetzt kann man streiten, welche Dieselfahrzeuge. Ältere Dieselfahrzeuge können konstruktionsbedingt weniger NOx als Euro 5 oder 6 Norm ausstoßen. Erst Euro 6 d Temp gilt als »porentief sauber«.
Die ersten Messungen wie zum Beispiel in Hamburg zeigen übrigens bisher kaum Änderungen der Werte.
Experten halten Urteile, die auf solchen »Erkenntnissen« beruhen, für juristisch nicht haltbar.
Die Messstellen sind häufig falsch aufgestellt und entsprechen nicht den Vorgaben. Auf einer solchen windigen Messbasis gewonnene Ergebnisse können keine Fahrverbote begründen.
Auch muss laut Leipziger Gericht der Grundsatz der »Verhältnismäßigkeit« eingehalten werden. Hier eröffnet sich ein weites Spielfeld für Juristen. Was ist verhältnismäßig?
Und: Es wird nicht beim Diesel bleiben. Als nächstes ist der Benziner dran. Zeit, auch die juristische Seite von allen Seiten zu beleuchten.