Wenn die Lage besonders unübersichtlich wird, sollte man mit dem ganz Einfachen anfangen – das gilt auch für die Krise des Euro.
Also: Geld- und Währungspolitik soll für Stabilität sorgen und die Kaufkraft des Geldes sichern. Nur wenn die Sparer darauf vertrauen können, dass ihre Guthaben nicht weginflationiert werden, tauschen sie ihre Geldmittel nicht in Gold, andere Währungen oder Sachanlagen um, sondern leihen sie für Investitionen her und ermöglichen so wirtschaftliches Wachstum. Die Investoren wiederum brauchen stabile Preise, Zinsen und Wechselkurse als Planungsgrundlage. Das ist schon eine komplizierte Angelegenheit, deshalb wurden unabhängige Zentralbanken geschaffen, deshalb beschäftigen sich viele Wissenschaftler mit diesen Kernfunktionen als Voraussetzung einer modernen Wirtschaft.
Und das Europäische Währungssystem mit dem Euro? Folgt man der Politik, dann geht es dabei um nicht weniger als Krieg oder Frieden in Europa. Der Euro ist nicht nur unser Geld, sondern sogar „unser gemeinsames Schicksal“, sagt die Bundeskanzlerin, und sein Schicksal gefährde gar die gesamte „europäische Zivilisation“ (Helmut Schmidt). Das klingt gut, das tönt mutig – aber geht’s nicht eine Nummer kleiner? Vor allem aber: Es ist ungewollt eine Grabrede auf den Euro. Eine Währung ist eine Währung ist eine Währung.
Wer die schwierige Frage der Geldwertstabilität mit immer neuen Aufgaben überwölbt, überfordert jede Währung. Weil die Politik es nicht geschafft hat, Europa politisch wirklich zu einigen, soll es jetzt der Euro richten. Die Kluft aber zwischen dem politischen Ziel der europäischen Einigung und den wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine gemeinsame Währung klafft immer weiter auseinander und muss mit immer höheren Beträgen zugekleistert werden.
Mittlerweile sind die, die sich am Euro-freundlichsten gebärden, seine größten Feinde, weil sie die wirtschaftlichen Konsequenzen ihrer politischen Rhetorik nicht überblicken. So fordert SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vollmundig „europäische Solidarität“ in Form von Euro-Bonds und riesigen Transfers ein, und für die Grünen fordert das Jürgen Trittin. Nur – was wäre die Folge? Damit würden die Zinsen, die aus dem Bundeshaushalt für die deutsche Schuld finanziert werden müssen, sehr schnell um über 20 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen. Da voraussichtlich in den kommenden Jahren aus den bereits gegebenen Garantien weitere Milliarden-Leistungen abgefordert werden dürften, würde die deutsche Staatsschuld weiter in die Höhe schießen.
Das mag rot-grüne Koalitionen nicht schrecken, die ja beispielsweise in Nordrhein-Westfalen trotz bester Wirtschaftslage und sprudelnder Steuereinnahmen die Neuverschuldung um satte 27 Prozent aufreißen. Auf Bundesebene würde die rot-grüne Schuldenmacherei und die Übernahme der Euro-Schulden der anderen dazu führen, dass Deutschland als letzter Garant in die Lage Griechenlands oder Spaniens gerät und zukünftig noch höhere Zinsen für noch schneller wachsende Schuldenberge aufbringen müsste. Ein Absinken der Bonität Deutschlands, eine Flucht der Gläubiger, auch aus Bundesschatzbriefen, und damit das Risiko eines gesamteuropäischen Staatsbankrotts wären die Folgen. Um das zu vermeiden, wären brutalstmögliche Sparmaßnahmen bei Renten, Bundeswehr, Hartz IV und Bildung unumgänglich – „bluten für den Euro“, nennt das Michael Rogowski, der frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Die Konstruktionsfehler der Währungsunion bedrohen unmittelbar auch Deutschland.
Wer jetzt aus falsch verstandener Solidarität und wirtschaftlichem Unverstand Milliarden zur Rettung des Euro verspricht, erreicht das Gegenteil des Erhofften und beraubt den Euro seiner Grundlage – das sind nun einmal solide Staatshaushalte. Nüchternes Kalkül hilft sehr viel mehr als das übersteigerte Euro-Geplapper der falschen Freunde Europas.
(Erschienen am 18.12.2010 auf Wiwo.de)