Worüber sich der gemeine Steuerpflichtige immer dann ärgert, wenn er seine Einkommensteuererklärung erstellt, das können sich unsere 709 Bundestagsabgeordneten sparen: Ausgabenbelege überprüfen, um als Freiberufler oder Selbständige ihre berufsbedingten Ausgaben detailliert gegenüber dem Finanzamt zu belegen. Schon zu meiner aktiven Bundestagszeit, im Jahr 2000, wertete der inzwischen emeritierte Staatsrechtler Prof. Dieter Birk von der Universität Münster dieses Steuerprivileg der Abgeordneten in einem Gutachten als Bruch eines elementaren Grundsatzes des deutschen Steuerrechts. Weil „beruflich bedingter Aufwand dokumentiert werden muss“, handele es sich bei dieser Pauschale um nichts anderes als eine verdeckte steuerfreie Einkommenszahlung.
Dass diese steuerfreie Pauschale in Höhe von fast 58.000 Euro im Jahr üppig bemessen ist, zeigt nicht nur der Vergleich zum aktuellen steuerpflichtigen Durchschnittseinkommen aller gesetzlich Versicherten. Das liegt in diesem Jahr voraussichtlich bei knapp 38.000 €. Manche Kollegen im Bundestag klagen zwar, die Pauschale reiche nicht für die Zwecke aus, für die sie offiziell gewährt wird. Ich hege da aber große Zweifel, weil Miete und Nebenkosten für eine Zweitwohnung in Berlin sowie für ein Wahlkreisbüro und die Betreuung des Wahlkreises bei weitem keine 4.400 Euro im Monat kosten. Außerdem wird schlicht ausgeblendet, dass ein eingerichteter PC-Arbeitsplatz im Wahlkreisbüro samt Schreibtisch und Kommunikationsgeräten ebenfalls vom Bundestag kostenfrei gestellt wird. Weil in Berlin von den Abgeordneten kostenfrei Dienstlimousinen genutzt werden können, eine DB-Freikarte 1. Klasse zur Amtsausstattung gehört und selbst mandatsbedingte Inlandsflüge bezahlt werden, klingt das Lamento über eine zu niedrige Pauschale für mich heuchlerisch. Denn zusätzlich, allerdings auf Nachweis, können die Abgeordneten bis zu 12.000 Euro im Jahr für Büromittel (vom Smartphone bis zur IT-Ausstattung und dem üblichen Büromaterial) zu Lasten des Steuerzahlers in Anspruch nehmen.
Dass aus dem Etat des Bundestags außerdem bis zu 20.870 Euro monatlich auf Nachweis für die Gehälter der MdB-Mitarbeiter zur Verfügung stehen (für den Dienstsitz Berlin und die Wahlkreisbetreuung), darf ebenfalls nicht unterschlagen werden. Daneben nehmen sich die steuerpflichtigen monatlichen Diäten des Abgeordneten von 9.780,28 € schon fast bescheiden aus.
Am 28. August wird vor dem Finanzgericht Niedersachsen wieder einmal eine Klage gegen dieses Steuerprivileg der MdBs verhandelt. Kläger ist ein 69-jähriger IT-Berater. Kuriose Personalie auf der Richterbank: Einer der drei hauptamtlichen Richter in diesem Verfahren könnte ein gewisser Michael Balke sein. Wenn das betroffene Finanzamt nicht noch einen Befangenheitsantrag gegen Balke stellt, dann ist er bei dieser Verhandlung dabei. Allerdings geht Balke am 1. September, vier Tage später, in Ruhestand.