Unter dem Titel „Die Stunde der glücklichen Grünen“ befasst sich der ehemalige Frankfurter Sponti-Grüne der siebziger Jahre und spätere Chefredakteur der WELT-Gruppe, Thomas Schmid, mit den derzeitigen demoskopischen Erfolgen der Grünen, die ihnen unter anderem bei der Landtagswahl in Bayern im Oktober ein Ergebnis von bis zu sechzehn Prozent (Infratest Dimap) prognostizieren. Nicht auszuschließen ist gemäß den derzeitigen Umfragen, dass die bayerischen Grünen nicht nur die SPD überrunden, sondern auch zur stärksten Oppositionspartei avancieren. Sollte die CSU gleichzeitig ihre absolute Mehrheit verlieren, wäre sie auf einen (oder mehrere) Koalitionspartner angewiesen.
Zum „unverhofften Glück“ der Grünen habe darüber hinaus der Wechsel in der Parteiführung beigetragen. Insbesondere Robert Habeck verkörpere eine „grüne Zeitenwende“ sowie „die Ankunft der Grünen in der ominösen Mitte der Gesellschaft.“ Grün wirke „durch ihn so normal wie VW, Persil und Angela Merkel.“ Schmid irritiert allerdings, dass Habeck seit kurzem „nach Kräften“ insbesondere den Konflikt mit Horst Seehofer eskaliere, etwa indem er diesem vorwerfe, „die CSU in eine rechtsnationalistische Partei zu verwandeln.“ So dürfe Habeck nicht mit seinem Koalitionspartner in spe umgehen. Ein „Rückfall ins Freund-Feind-Denken, bei dem ihm etliche prominente Parteifreunde kräftig assistieren“ sei angesichts einer möglichen Regierungsbeteiligung nicht zu rechtfertigen.
Die Grünen werden damit nicht nur zum entschiedensten Antipoden der AfD, sondern auch der CSU. Diese versucht nicht erst seit dem neuen Koalitionsvertrag in Berlin als eine Art „AfD-light“ auch all die Wähler an sich zu binden, die in der anhaltenden Massenzuwanderung von Asylbewerbern keine Stärkung, sondern eine Gefährdung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen ihres Landes sehen. Ob ihr dies gelingt, ist derzeit ungewiß. Die demoskopischen Prognosen für die AfD, die sich in denselben Größenordnungen wie für die SPD und die Grünen bewegen, sprechen jedenfalls dagegen. Derzeit liegt die CSU in den Umfragen sogar leicht unter vierzig Prozent.
Im bayerischen Fall würde dies allerdings bedeuten, dass eine entschiedene Refugee-Welcome-Partei, die neuerdings sogar „Klimaflüchtlingen“ einen Rechtsanspruch auf Zuwanderung nach Deutschland verschaffen möchte, in Gestalt der CSU mit einer „AfD-Light“ Bayern regieren würde. Das würde den migrationspolitischen Konflikt nicht nur zwischen CDU und CSU, sondern innerhalb der CSU derart befeuern, dass der national-konservative Teil ihrer Anhänger und Wähler scharenweise zur AfD überlaufen würde. Das von Alexander Dobrindt angekündigte Projekt einer „konservativen Revolution“ müsste er dann wohl ebenso der AfD überlassen wie Seehofer sein Projekt einer von Bayern ausgehenden und auf die anderen Länder übertragenen „asylpolitischen Wende“. Thomas Schmids Traum von einer schwarz-grünen Regierung in Bayern bleibt damit wohl selbst dann die Vision eines (alt-)grünen Journalisten, wenn die CSU ihre absolute Mehrheit verlieren sollte. Immerhin hofft die SPD insgeheim ja ebenso auf einen Wahlerfolg der AfD zu Lasten der CSU wie die Grünen. Auch sie kämen damit in Bayern unverhofft in die Reichweite einer Regierungsbeteiligung.