Jüngst schrieben im US-Magazin „The Globalist“ die Autoren Stephan Richter und Uwe Bott einen bemerkenswerten Beitrag darüber, wie es den Republicans in den USA gelungen ist, ihre politischen Gegner von den Democrats durch die Neu- und Umdefinition von Begriffen aus dem Geschäft zu spielen. Die beiden Autoren machten dieses unter anderem am Begriff „liberal“ deutlich, welcher eigentlich im Sinne der US-Verfassung Kernelement des dort festgeschriebenen Rechts auf individuelle Selbstverwirklichung ist. Dieser Begriff „liberal“ sei durch die Republicans zu einem Schimpfwort gewandelt worden, stehe heute für das genaue Gegenteil seines ursprünglichen Inhalts, indem er mit sozialistisch-kollektivistischen Zielen verknüpft werde, welche dem politischen Mainstream der USA zutiefst verhasst seien.
Wenn „progressiv“ zum Hoax wird
Als dieses „Branding“ des Liberalen nicht mehr zu korrigieren gewesen sei, hätten sich die in der Defensive befindlichen Democrats nunmehr dem Begriff „progressive“ zugewandt – angefangen bei Barack Obama, dessen vorgeblich progressive Attitüde über eine grundsätzliche Erneuerung einen fortschrittlichen Neuanfang der USA schaffen sollte. Spätestens jedoch, als sich dann noch Hillary Clinton das Mäntelchen einer „Progressiven“ überwarf, wurde auch dieser Versuch, sich als geschmähte Liberale neu zu „branden“, zu einem „Hoax“ – einem schlechten Witz. Denn die enge Vernetzung der Clintons mit den reaktionären Eliten in Wirtschaft und Geld ließ jedermann erkennen, dass diese selbsternannten Progressiven alles seien – nur nicht fortschrittlich. Insofern sei es den traditionell nicht für die einfachen US-Arbeiter stehenden Republikanern mit Hilfe der Doppelbödigkeit der Democrats gelungen, selbst zum Ansprechpartner jener unteren sozialen Schichten zu werden, die sich von ihrer ursprünglichen Partei verraten fühlten. Konsequenz: Die Wahl des „populist plutocrat“ Donald Trump.
Die USA und ihr Negativ
Tatsächlich neu ist die Erkenntnis nicht, dass in der Demokratie Wahlen auch über das Besetzen wie das Brandmarken und Neudefinieren von Begriffen gewonnen werden. Die Masse des Volkes ist politisch denkfaul – und vor allem zieht sie es vor, nicht gegen den Strom zu schwimmen. Hat sie den Eindruck, die Masse folgt bestimmten Auffassungen, folgt der Einzelne mit, ohne groß darüber zu reflektieren, dass er hier einer ständigen Manipulation, vielleicht auch Indoktrination erlegen sein könnte, die durchaus sogar gegen seine ureigensten Interessen gerichtet sein mag. Der Zug der Masse folgt blindlings seinen Führern – weshalb zu früheren Zeiten es das Ziel beispielsweise eine Franz Josef Strauß gewesen ist, die „Lufthoheit über die Stammtische“ zu erobern, die Grünen und ihr Kurzzeitableger der „Piraten“ zeitweilig auf eine nicht vorhandene „Schwarmintelligenz“ setzten, und heute nun der Begriff des politischen „Branding“ die Strategiekammern der politischen Parteien prägt.
Bemerkenswert – um auf Richter und Bott zu schauen – ist jedoch aus der Sicht eines deutschen Bundesrepublikaners nicht nur die jenen Überlegungen innewohnende Logik hin zur Wahl eines Trump – wir dürfen auch, so wir dieses bislang noch nicht taten, erkennen, dass „Branding“ auch den Status Quo der Bundesrepublik in einem kaum vorstellbaren Maße prägt. Nur – und das ist das eigentlich Erstaunliche und gleichzeitig die Erklärung dafür, warum es zwischen den Merkelianern von Linkspartei bis CSU und den Trumpisten zu überhaupt nicht überein gehen will – erfolgte das Branding in der deutschen Republik in jeder Hinsicht dem genauen Gegensatz der US-Entwicklung. Denn während es in den USA die Konservativen waren, die jene von der politischen Linken okkupierten Begriffe zu Unwörtern werden ließen, gestaltete sich die Entwicklung in der Bundesrepublik inhaltlich wie auf der Zeitschiene genau entgegengesetzt unter Verwendung der identischen Begriffe.
Vorwärts immer, rückwärts nimmer
In Deutschland folgt der publizierte Mainstream einem Branding, bei dem „liberal“ und „progressiv“ als gute Worte des Erstrebenswerten gelten. Schlechte Worte hingegen sind – ganz oben auf der Liste und damit für jede tabuisierende Herabwürdigung gut – der Begriff „rechts“, gefolgt vom Begriff „konservativ“. Das bundesdeutsche Branding ist derart perfektioniert, dass selbst die in der Wählerarithmetik immer noch mehrheitlich rechts der Mitte angesiedelte Union alles daran setzt, nicht als „konservativ“ und schon gar nicht als „rechts“ zu gelten.
Die politische Linke war hier auf breiter Front erfolgreich. Sie prägte bereits in den frühen Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts die Auffassung, dass „links“ gleichbedeutend sei mit „progressiv“. Fortschritt – so hatte es bereits Karl Marx gebrandet – ist IMMER links – Rückschritt IMMER konservativ. „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ deklamierte noch kurz vor seinem Untergang der real existierende Sozialist und Vorsitzende des Staatsrats der DDR, Erich Honecker, anläßlich des 40. Jahrestages des Bestehens der DDR und beanspruchte damit Fortschritt als alleiniges Gut der Kollektivisten.
Konservativ gleich rechts gleich nazi
Die Konservativen, die Fortschritt darin erkennen, in einer evolutionären statt einer revolutionären Entwicklung das Gemeinwohl voranzubringen, gerieten in die Defensive. Es gelang ihnen nicht, den evolutionären Weg gegen die Revolution der Überwindung des Bestehenden, die das Denken der selbsternannten „Progressiven“ prägt, zu verteidigen. So gingen die Vertreter der ständigen Überwindung des angeblich reaktionär-konservativen einen Schritt weiter: Sie brandmarkten das Konservative als „rechts“ und rückten es damit in die unmittelbare Nähe zu jenen Vorstellungen des nationalen Kollektivismus jener aus dem klassisch linken Millieu stammenden NSDAP.
Es war – das ist neidlos einzugestehen – eine absolute Meisterleistung der internationalen Kollektivisten, die sich selbst als „progressive Linke“ verstehen, die ihnen geistesverwandten nationalen Kollektivisten in das Bett der Konservativen zu schieben. Damit lenkten die selbsternannten „Progressiven“ nicht nur davon ab, dass Sozialismus und Nationalsozialismus einer identischen Grundidee menschlich-identitärer Gleichheit folgten – sie konnten auch die Konservativen als jene, deren Hauptaufgabe im Sinne des Grundgesetzes die Bewahrung eines demokratischen Staates deutscher Nation gewesen ist, aus dem politischen Diskurs der Masse verdrängen und in die Tabuzone verdammen.
Die zweite Säule des Bürgerlichen gekapert
Parallel hierzu gingen die selbsternannten „Progressiven“ daran, auch die zweite Säule bürgerlichen Politikverständnisses zu zerstören.
Gelang es beim Begriff „konservativ“ in Folge von Fehlern, die konservative Politiker bei der Machtergreifung Hitlers gemacht hatten, diese inhaltlich absurde Nähe zwischen Konservatismus und Nationalsozialismus zu kreieren, so war dieses bei der zweiten Säule des Bürgertums nicht so einfach zu bewerkstelligen. Denn während die negative Besetzung des Begriffs „konservativ“ recht problemlos gelang, war dieses bei dem anderen Begriff des Bürgerlichen nicht zu erwarten. Dieser Begriff war der des Liberalismus – jener Idee, die ähnlich der US-Verfassung die Eigenverantwortung des Menschen als selbstbestimmtes Individuum in den Mittelpunkt ihres politischen Wollens stellt.
Es ist unschwer zu erkennen, dass Liberalismus ebenso unmöglich mit Sozialismus zu vereinen ist, wie dieses bei Konservatismus und Sozialismus der Fall ist. Jedwede Weltanschauung, die den Menschen als selbstbestimmtes Wesen in den Mittelpunkt ihres Denkens stellt, steht in diametralem Widerspruch zu jener ent-individualisierenden Diktatur des Kollektivs, wie sie hinter jedem Gedanken der politischen Linken steht.
Umso bemerkenswerter ist es, dass es den Brandern der sozialistisch—kollektivistischen Weltanschauung gelungen ist, den Begriff „Liberalismus“ gleichsam zu kapern. Aus dem Grundprinzip bürgerlicher Verantwortungsethik wurde ein Synonym für eine diesem Ursprung diametral entgegenstehende Weltsicht. Hierbei ist in besonderem Maße bemerkenswert, dass die Partei, die ursprünglich die Inkarnation des Liberalismus war, daran vorsätzlich mitgewirkt hatte. Die FDP, die noch in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine eher national-liberale und damit klassisch bürgerliche Position vertrat, verstand sich zunehmend mehr als „linksliberal“ und schrieb sich damit ein Oyxmoron als Verbindung zweier sich widersprechender Inhalte auf ihre Fahnen.
Der Irrtum vom linken Mainstream
Nicht nur die FDP folgte so dem Branding der Kollektivisten in der irrigen Annahme, sich damit breiter aufzustellen und Wähler der gefühlten „linken Mitte“ zu binden. Gleichzeitig hoffte sie, dass eine positive Interpretation des Begriffs „liberal“ sie beim Zug der Masse obenauf schwimmen lassen würde.
Was sie verkannte: Dadurch, dass der Liberalismus-Begriff aus dem bürgerlichen Lager in das sozialistisch-kollektivistische Weltbild verschoben wurde, änderte er seinen eigentlichen Wert. So, wie von den Begriffsokkupanten gewünscht, wurde der Begriff Liberalismus von seinen bürgerlichen Wurzeln entfremdet und erhielt im Bewusstsein der Masse ein linksgestricktes Kleid.
Dadurch, dass die Kollektivisten nun nicht nur den Konservatismus zum Unwort gestempelt hatten, sondern den Liberalismus an sich rissen, wurde aus dem ursprünglichen Zweiklang des „sozialistisch gleich progressiv“ nun ein um das liberale erweiterter Dreiklang. Die Vertreter des sozialistischen Kollektivismus – gleich ob in der SPD oder den grünen Umweltsozialisten – schmückten sich als links-progressive Liberale und behaupteten so die im Kern positiv belegten Begriffe der Fortschrittlichkeit und der Freiheitlichkeit als Kernelemente ihrer rückschrittlich-unfreiheitlich politischen Utopie. „Liberal“ – dass ist in diesem Zusammenhang der eigentliche Treppenwitz der Geschichte – wurde in Deutschland positiv belegt zu dem, was die Konservativen in den USA ihm erfolgreich negativ angedichtet hatten: Synonym für eine „linke“ Politik der Bevormundung der Bürger durch die Funktionäre.
Der Weg in die linke Republik
Der Sieg der grünsozialdemokratischen Bundesregierung 1998 wurde so in einer Gesellschaft, die sich trotz allem mehrheitlich immer noch rechts der Linken verortete, überhaupt erst möglich. War „links“ noch in den Fünfzigern das Synonym für kommunistisch-kollektivistische Systemüberwindung, galt „links“ nunmehr, weil „liberal“, als chic, denn es wurde sowohl als fortschrittlich wie als freiheitlich missinterpretiert. Darauf aufbauend konnten nun sowohl die Wohlstandsverteiler der SPD ebenso wie die Umweltdiktatoren der Grünen ans Werk gehen, ihre Agenda der Fremdbestimmung der Masse durch den Staat zu realisieren.
Das grüne Eigenbranding und die Alternative
Apropos Grüne. Diese als „Alternative“ gestartete, radikal-linke Bewegung erkannte schnell, dass „alternativ“ bei der Masse ebenfalls negativ belastet war. Das Gros der Bürger verband und verbindet mit „alternativ“ zutreffend die Vernichtung ihres vertrauten Lebensumfeldes zu ihren Lasten. Insofern war die Übernahme des Begriffs „grün“ der Schlüssel zum Erfolg der maßgeblich aus dem maoistischen KB gesteuerten Bewegung.
Grün – darüber ist sich die Psychologie einig – wirkt sich auf den Menschen beruhigend aus und schafft eine positive Grundstimmung. Nicht mehr „alternativ“ (nur in den Szenestädten Berlin und Hamburg hielt die Partei für ihre radikale Klientel der Anfangstage noch ein wenig an dieser negativ belasteten Bezeichnung fest), sondern „grün“ war das Branding, mit dem sich Personen wie die aus linksradikalem Umfeld stammenden Jürgen Trittin und Joseph Martin Fischer als angeblich Liberale in scheinbar bürgerlichem Gewand nun ihre erfolgreiche Karriere starten konnten. Das „Alternative“ hatte ausgedient – und diente in der Regierungsphase der weder bürgerlichen noch liberalen CDU-Frau Angela Merkel in sophistischer Doppeldeutigkeit sogar dazu, deren wiederholte Wiederwahl zu sichern. Wenn Merkel ihre Politik und damit sich selbst als „alternativlos“ beschrieb, dann signalisierte sie damit unmittelbar auch, dass der Wahlbürger sich nicht zu fürchten habe davor, dass unter ihrem Regime der gesellschaftliche Status Quo nicht uneingeschränkt vor unliebsamen Alternativen bewahrt bleibe – die ideale Voraussetzung, um im Zuge des linken Branding Deutschland aus einer freiheitlich-bürgerlichen Republik beharrlich in eine autokratisch gesteuerte des Meinungsdiktats zu wandeln.
Das Umflaggen der Flaggschiffe des Bürgertums und die Freibeuter
Das Branding der Kollektivisten über das Brandmarken des Konservatismus und das Kapern des Liberalismus war derart erfolgreich, dass auch jene medialen Flaggschiffe, die ehedem eine konservative und liberale Grundhaltung vertraten – genannt seien hier Springers „Die Welt“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ebenso wie die vom liberal-konservativen Gerd Bucerius gegründete „Die Zeit“ – redaktionell von Vertretern des neuen Liberalprogressivismus übernommen wurden. Die Verlagsleitungen ließen es geschehen in der irrigen Annahme, damit dem Zeitgeist der Masse zu entsprechen. Die Folgen waren teilweise erhebliche Rückgänge bei den (verkauften) Auflagen, weil die klassische Leserklientel sich nicht mehr angesprochen fühlte.
Wenn dieser Tage zu beobachten ist, dass Vertreter des gefühlten liberal-progressiven Meinungsmonopols zunehmend mehr mit selbst den absurdesten Vorwürfen gegen Publikationen wie Henryk Broders „Achse des Guten“ und mehr noch gegen Roland Tichys „Einblick“ in Stellung gehen, dann ist dieses ausschließlich eine Folge des Gewahr-werdens, dass diese sich gleich Freibeutern trotz des über ein halbes Jahrhundert erfolgreichen, sozialistischen Branding bürgerlicher Identität Fahrt aufnehmen, um die ihnen gestohlenen Begriffe zurück zu erobern.
Konservatismus als Prinzip der evolutionären Weiterentwicklung des im Sinne des Gemeinnutzes gesellschaftlich Erfolgreichen ebenso wie Liberalismus als uneingeschränktes Bekenntnis zur Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit des Individuums setzen nicht nur über diese Wege an, zu ihrer gestohlenen Identität zurück zu finden.
Die Panik der Brander
Jene, die meinten, über Brandmarken und Okkupation der beiden bürgerlichen Grundprinzipien den Weg frei geräumt zu haben für den Zug der Masse in den sozialistisch-totalitären Einheitsstaat, wittern die Gefahr und ziehen in die Schlacht. Hierfür ist ihnen als geschulte Begriffs- und Wahrheitsverdreher jedes Mittel recht. Doch sie haben die Zeichen der Zeit erkannt, wenn sie davon ausgehen, dass das an seinen Werten festhaltende Bürgertum nicht länger bereit ist, sich im Kampf der politischen Systeme dem Märchen-erzählenden Narrativ des sozialistischen Branding zu unterwerfen.
Nur in der ursprünglich bürgerlichsten der bürgerlichen Partei, der CDU, haben einige diese Zeichen der Zeit noch nicht wahrgenommen und gründen ihrerseits in einem besonders originellen Abwehrkampf gegen sich selbst Gruppen, die sie dann als „Union der Mitte“ bezeichnen. Und so dokumentieren sie, dass sie immer noch geprägt sind von der linken Begriffsokkupation, wonach das „Liberal“-Sein nur dann das Nonplusultra der Masse sein kann, wenn es sich der bewusst gebrandeten Fehlinterpretation seitens der Kollektivisten unterwirft.