Gesellschaftliche Veränderungen beginnen häufig mit der Sprache. Erst wird die Sprache rauher, dann werden sprachliche Tabus gebrochen, was in der Folge von vielen übernommen wird. Ganz am Ende der Eskalationsstufe folgt dann die Regierung, die meint, die Stimmung aufgreifen zu müssen. Im internationalen Handel kann man das aktuell sehr gut beobachten. Erst haben die Linken eine internationale Kampagne gegen Freihandelsabkommen angezettelt. Der Rechtsstaat werde ausgehebelt, Umwelt- und Arbeitsstandards gesenkt und alles fände nur im Geheimen statt. Zehntausende gingen auf die Straße, um gegen dieses vermeintliche Unrecht zu demonstrieren. Gleichzeitig wurden Exegesen über Internationale Schiedsgerichte verfasst, Vertragstexte studiert und die Ungerechtigkeit des internationalen Handels apostrophiert. Endlich haben die Linken ihr Thema gefunden. Denn die Instrumente internationaler Zusammenarbeit sollen nicht verbessert werden, sondern werden grundsätzlich abgelehnt. Die Kritik zeigt Wirkung: TTIP ist tot und CETA liegt auf der Intensivstation.
Ungern hören die Protagonisten des Protestes, dass sie mit Donald Trump einen engen Verbündeten haben, der in den bisher verhandelten Freihandelsabkommen eine große Benachteiligung Amerikas sieht. Trump twittert zwar vom Abbau von Zöllen mit der EU, macht dann aber das Gegenteil und führt neue Zölle ein, ohne über den Abbau alter Zölle überhaupt zu verhandeln. Das ist natürlich kurzsichtig, aber wirkungsstark.
Doch mittelbar führt diese Verrohung der Sprache auch zur Verrohung der internationalen Politik. Es wird von „Handelskrieg“ und von „wir“ gegen „die“ gesprochen. Aus ehemaligen Partnern werden Gegner, aus ehemaligen Gegnern werden Feinde. Es gibt keine verbale Eskalationsstufe mehr. Wo soll das enden?
Als wäre das alles ein Nullsummenspiel, wo der eine zulasten des anderen gewinnt. Alles wird mit allem vermengt. Deutschland erfülle sein zwei Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben nicht, leiste sich einen Rekordüberschuss in der Leistungsbilanz und obendrein fördere die EZB-Geldpolitik die deutsche Exportwirtschaft. Wie meist findet sich auch in dieser Kritik ein Fünkchen Wahrheit. Eine deutsche Regierung hat mittelfristig die Erfüllung des 2-Prozent-Ziels zugesagt. Doch die Menge des Geldes für Verteidigung ist kein Selbstzweck. Die Frage muss doch lauten „wofür“? Und natürlich drückt die Geldpolitik der EZB den Wechselkurs zu anderen Währungen und macht damit Produkte von deutschen Herstellern im Export „billiger“. Doch während die EZB für ihr aktuelles Anleihenkaufprogramm 2,5 Billionen Euro auf den Markt geschmissen hat, hat die FED vor nicht allzu langer Zeit genau dasselbe gemacht – nur in noch größerem Umfang. Sie war sogar das Vorbild der EZB. Aktuell hält die FED immer noch Anleihen im Wert von 4,29 Billionen US-Dollar in ihrer Bilanz. Und in diesem Monat, am 15. August, jährt sich zum 47. Mal die Rede Präsident Nixons, in der er die Einlösung von Dollar—Devisenreserven ausländischer Notenbanken in Gold durch die amerikanische Notenbank aufkündigte. Mit der Beseitigung des Bretton-Woods-Abkommens hat Amerika nicht nur die Nachkriegsgeldordnung fundamental verändert, sondern gleichzeitig seine globale Politik durch die eigene Notenpresse finanzieren und international bezahlen lassen.
Erschreckend ist das kollektivistische Vokabular, das Eingang findet. Es geht um „America First“, es geht um „die“ Stahlarbeiter aus Pennsylvania oder um „die“ Autobauer in Detroit. Es geht nicht um den Einzelnen, der seine individuellen Wünsche und Ziele erstreben will. Dies würde offene Märkte und eine Abrüstung in der Sprache voraussetzen. Den Mächtigen geht es um Macht.
Macht wird durch Markt- und Eigentumseingriffe ausgeübt. Wer allgemeine, abstrakte und für alle gleiche Regeln schaffen würde, könnte Macht nicht willkürlich ausüben. Das Eigentum und die Vertragsfreiheit wären geschützt. Daher ist Macht so verführerisch. Verroht der Ton, dann ist es auch einfacher, Macht gegen Einzelne einzusetzen. Was für Trump die Deutschen sind, sind für die heimische Regierung die Chinesen. In meiner Heimat Westfalen gibt es zahllose „Hidden Champions“, die, klein, aber fein, in ihrem Marktsegment weltweit führend sind. Eines davon ist Leifeld Metal Spinning in Ahlen im Kreis Warendorf. Das 170-Mann-Unternehmen, das Werkzeugmaschinen herstellt, erwirtschaftet einen Umsatz von 40 Millionen Euro. Gestern hat das Bundeskabinett den Verkauf des Unternehmens an einen chinesischen Investor untersagt. Sie kann das rechtlich anhand der neuen Außenwirtschaftsverordnung tun, wenn die Investoren mindestens 25 Prozent der Stimmrechte erwerben wollen, und der Kauf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet. Dieser Eingriff in das Eigentum und die Vertragsfreiheit ist in dieser Form einmalig in der jüngeren deutschen Geschichte, und lässt böses für die Zukunft erahnen. Wenn schon der Verkauf eines mittelständischen Unternehmens im Maschinenbau „die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit“ Deutschlands gefährden kann, wo sind dann noch Grenzen? Regen wir uns nicht nur über Donald Trump und seine Verrohung der Sprache auf. Denn unsere eigene Regierung mag zwar eleganter in ihren Formulierungen und Begründungen sein, Maß und Mitte hat sie aber ebenfalls verloren.