Düsseldorf, Köln und Bonn an Kanzlerin: Wir schaffen noch mehr!
Alexander Wallasch
Auch die Rheinische Post wollte es genau wissen und fragte konkret nach in den Rathäusern. Schnell kam die Entwarnung: Kommando zurück. Alles nur PR, nur bürgermeisterliche Lippenbekenntnisse.
Natürlich bin fich ür Wohlstand für alle und zwar weltweit. Ich bin für die Rettung der Umwelt, für alternative Wohnmöglichkeiten auf dem Mars und für ein Recht auf Glücklichsein für alle Erdenbewohner einschließlich Feldhamster, Ringelwurm und Sonnenblume. Wer würde hier sagen wollen, diese Forderungen wären falsch? Höchstens kann es passieren, dass mich der eine oder andere für ein bisschen bekloppt hält, aber das riskiere ich und sichere mir trotzdem den Applaus jener, die sich das auch wünschen. Die sich wünschen, was als Wunsch keinen einzigen Cent kostet.
Konkreter als meine Wunschliste waren jene, welche gerade die Städte Köln, Düsseldorf und Bonn formuliert und gemeinsam an die Bundeskanzlerin geschickt hatten. Im Wesentlichen teilte man Angela Merkel mit, dass man noch mehr „Geflüchtete” aufzunehmen bereit sei. Drei Städte, drei Einladungen: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
— ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen (@ZDFnrw) July 26, 2018
Nun ist es noch nicht so lange her, da schickten mehr als zweihundert Bürgermeister aus Nordrhein-Westfalen einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). „Darin weisen die Verwaltungschefs darauf hin, dass praktisch alle verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien und weitere Flüchtlinge nicht mehr aufgenommen werden könnten.“ Und obwohl NRW heute, drei Jahre später, mehr Neuzuwanderer beherbergt und rundum versorgt als ganz Italien, möchten die Bürgermeister der genannten Städte jetzt noch mehr Gäste einladen.
Der General-Anzeiger wollte genauer wissen, wie das sein kann und was hinter dieser Wunschliste steht, fragte also nach. Ergebnis: Alles nur heiße Luft. Ein Sommerloch der besonderen Art, wenn es doch nur um eine Solidaritätsadresse an jene Nichtregierungsorganisationen (NGO) geht, die vor der libyschen Küste Migranten aus Schlauchbooten aufnehmen und versorgen und an größere Schiffe weiterleiten zum Transport nach Europa.
Die Bonner Stadtverwaltung machte gegenüber der Zeitung klar, dass es hier nicht um zusätzliche Kontingente und neue Fakten gehe, „sondern die Zuweisung für Bonn weiterhin über den geltenden Verteilungsschlüssel ablaufen solle. Der ersten Reaktionen zu entnehmende Eindruck, die Stadt Bonn wolle kurzfristig außerplanmäßige Zusatzkapazitäten schaffen, ist somit falsch. Vielmehr vereint die drei Stadtoberhäupter offenbar das politische Ziel, „die Seenotrettung im Mittelmeer wieder zuzulassen“.
Die Bürgermeister dieser drei Städte haben sich also im Wesentlichen und in Umkehrung der Realitäten an die Bundeskanzlerin gewandt, mit der Behauptung, im Mittelmeer würden Migranten ertrinken, weil private Seenotretter bei ihrer Arbeit behindert bzw. kriminalisiert werden würden. Nun wissen auch die drei Oberbürgermeister, dass es eine intensive Diskussion darum gibt, ob diese privaten Rettungsschiffe fester Bestandteil der Schlepperaktivitäten sein könnten; also das Ertrinken eher noch befördern, als es zu verhindern. Interessiert im Oberstübchen von Düsseldorf, Bonn und Köln aber nicht, wenn die drei Bürgermeister weiter an die Bundeskanzlerin schreiben: „Unsere Städte wollen und können in Not geratene Geflüchtete aufnehmen.“
Ein Affront gegen die Arbeit des Innenministers? Ein Anruf an die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin, sich gegen Bestrebungen des Innenministeriums zu stellen, die ungebremste Zuwanderung zumindest in geregelte Bahnen zu lenken, also eben nicht auf Gedeih und Verderb vom Arbeitsergebnis der privaten „Seenotretter” vor der libyschen Küste abhängig zu machen? Auf jeden Fall stimmt wohl Folgendes: Keine dieser Städte darf überhaupt eigeninitiativ Migranten aufnehmen. Dazu gibt es keine Rechtsgrundlage. Wozu also diese symbolische Willensbekundung aus dem Rheinland?
Und warum die Stadträte nicht befragt wurden, bevor die Bürgermeister zur Feder griffen, erklärt die Bonner Stadtsprecherin Monika Hörig auf Anfrage des General-Anzeigers: Es ging den drei Politikern darum, „ein Signal zu setzen“ und nicht um Zahlen. Da es „nicht um ein konkretes Angebot geht“, deshalb sei auch eine Beteiligung des Stadtrates bislang nicht erforderlich gewesen. Peinlicher geht´s nimmer. Und die 3 vom Amt verlangen im übrigen, dass der Bund generell ALLE Kosten für Flüchtlinge übernehmen solle. Klar, man hilft gerne auf Kosten Anderer. Reden kostet nichts.
Unterm Strich bleibt es somit vorerst beim Appell an die Kanzlerin pro „Seenotrettung”. Nun ist es allerdings so, dass Angela Merkel nicht über eine Fortführung der Arbeit der NGO vor der libyschen Küste entscheidet. So bieten ihr die Bürgermeister lediglich Gelegenheit, ebenfalls zuzustimmen, es kostet auch die Kanzlerin vorerst nichts. Und eine nachgereichte Legitimierung der merkelschen Zuwanderungspolitik ist gleich mitverpackt in den paar Zeilen aus dem obersten Stockwerk der Rathäuser und direkt aus dem Sommerloch im Briefumschlag ans Licht empor.
ARD-Moderator Constantin Schreiber twittert dazu dennoch: „Statt „wir schaffen das“ sagen Köln, Bonn und Düsseldorf: Wir schaffen noch mehr. In einem Brief an Angela Merkel signalisieren die OB`s, mehr Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, um ein Zeichen zu setzen.“
Aber wie ist das zu verstehen? Sollen also doch ein paar böse Asylbewerber gehen und dafür gute kommen? Aber wer soll hier eine Auswahl treffen und wo soll sie stattfinden?
Die WAZ weiter: „Der Fall ist zudem eine bodenlose Unverschämtheit gegenüber dem Gastland, das diese so genannten Flüchtlinge aufnahm und seither in der Regel auf Kosten der Allgemeinheit versorgt. Alle Beteiligten wissen ganz genau, dass solche Verhaltensweisen in Deutschland höchst unerwünscht sind. Es kümmert sie nicht. Die Kulturen der Gewalt, vor denen sie angeblich fliehen mussten, sind mitgebracht worden und werden hier weiterhin ausgelebt – nicht von allen natürlich, aber von viel zu vielen.“
Nun hätte sich mindestens der Bürgermeister von Düsseldorf erinnern können, was die Bundeskanzlerin, der er gerade seinen Wunschzettel schickte, noch 2004 in seiner Stadt verlauten ließ: „Man muss natürlich darüber sprechen, dass es den Missbrauch des Asylrechts gibt. Dann muss man natürlich sagen, die Folge kann nur sein: Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung. Alles andere wird keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden.“ Ist das Gesagte nun schon zu lange her? Der Düsseldorfer Bürgermeister will sich nicht erinnern, ebenso wenig, wie die Kanzlerin und beide verbindet offensichtlich die Hoffnung, dass es die Düsseldorfer auch vergessen haben. Eine spannende Frage dürfte auch sein, ob dieser offene Brief möglicherweise sogar zuvor mit dem Kanzleramt abgestimmt wurde. Vorstellbar wäre auch das.
Aber wollen die Bürger Düsseldorfs vergessen, was ihnen Merkel noch 2004 ins Stammbuch schrieb, wenn heute alleine in NRW mehr Zuwanderer leben als in ganz Italien?
Auch die Rheinische Post wollte es genau wissen und fragte ebenfalls konkret nach in den Rathäusern. Schnell kam die Entwarnung: Kommando zurück. Alles nur PR, nur bürgermeisterliche Lippenbekenntnisse. Nur eine fiktive Solidaritätsadresse an die privaten NGO-Schiffe, wenn die Post schreibt: „Auch die Bonner und Kölner Stadtverwaltungen legen sich nicht auf konkrete Zahlen fest. Auch stellten sie klar, dass es nicht um zusätzliche Kontingente und neue Fakten gehe, sondern die Zuweisung weiterhin über den geltenden Verteilungsschlüssel ablaufen solle.“
Aber es hat sich doch gelohnt für die Bürgermeister, wenn es ansatzlosen Applaus beispielsweise vom Präses der evangelischen Kirche im Rheinland gab, der das Angebot, das ja eigentlich gar keines war, herzlich begrüßt. Nun ist die evangelische Kirche im katholischen Rheinland eine Minderheiten-Organisation. Auch haben sich Rathaus wie Kirche und weitere Player bisher nicht vernehmbar dazu geäußert, was der Kölner Stadtanzeiger ermittelt hat und so titelt: „Überwachte Stadt: Kölner werden mit mehr als 4.000 Kameras fast dauerhaft gefilmt.“
So überwachen mittlerweile an offiziell bekannten 3.866 Standorten inklusive Züge, Busse und Bahnen Videokameras den öffentlichen Raum in Köln. Dabei sind die privaten Betreiber solcher Überwachungsanlagen nicht einmal mitgezählt. Die Kölner Polizei plant für das kommende Jahr die Installation weiterer Kameras. Die Polizei Köln folgt hier einem Bundestrend und setzt auf die Ausweitung der Videobewachung von öffentlichen Straßen und Plätzen, die sie als Kriminalitätsbrennpunkt definiert – denn nur das ist gesetzlich erlaubt.
Nun sollte man sich allerdings hüten, diese Bestrebungen in irgendeiner Weise mit der wachsenden Zahl von Zuwanderung in deutsche Großstädte in Verbindung zu bringen. Solche und andere Mutmaßung sind politisch nicht korrekt. Korrekt ist es, der Kanzlerin einen Brief zu schreiben und sie zu bitten, sich einzusetzen für eine Fortsetzung der Aufnahme von Personen aus Schlauchbooten vor der libyschen Küste durch Nichtregierungsorganisationen um diese Migranten dann in Köln, Düsseldorf und Bonn anzusiedeln. Wohl wissend, das weder die Bürgermeister noch die Kanzlerin hier direkte Entscheidungsbefugnisse hätten.
Ich bin für Wohlstand für alle und Glückseligkeit weltweit. Also sollte ich der Kanzlerin jetzt aber sofort einen offenen Brief schreiben?
Wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie diese Form des Journalismus. Unterstützen