Tichys Einblick
Marokkos Tauziehen um Geld und Macht

Wie Marokko die EU mit Drogen und Migranten unter Druck setzt

Die Spannungen zwischen Südeuropa und Marokkos Mohammed VI steigen: Mohammed erpresst die EU und Spanien durch Schmuggel mit Migranten und Drogen. Und die EU zahlt brav die geforderten Schutzgelder.

Members of the Spanish Guardia Civil look at would-be immigrants sitting atop a border fence separating Morocco from the north African Spanish enclave of Melilla in the first attempt to jump in on February 19, 2015 since the camp on Mount Gurugu burned down. Morocco on February 11, 2015 vowed further crackdowns on illegal migrants after rounding up hundreds of foreigners close to the Spanish enclave of Melilla, in a move criticised by local rights groups.

ANGELA RIOS/AFP/Getty Images

Bei der Fussball-WM ging die Partie zwischen Marokko und Spanien unentschieden aus. Im politischen Leben aber hat Marokko derzeit alle Asse in der Hand: Tausende von Immigranten, die darauf warten, von Einheimischen für ein paar Tausend Euro rübergebracht zu werden auf die andere Seite nach Cádiz; das von ihnen produzierte Cannabis, mit dem sie die Halbinsel überschwemmen und dann haben sie noch reichhaltige Gewässer, wo die Europäer gerne fischen wollen. Wieder einmal hat es der marokkanische König Mohammed VI geschafft, bei diesem Poker die Oberhand zu behalten. Schmuggel mit Drogen und Migranten sind seine Waffe, mit der er Schutzgelder erpresst.

Gerade wurde der Fischerei-Deal mit Brüssel in der ersten Runde abgeschlossen. Insgesamt 128 EU-Schiffe dürfen in den kommenden vier Jahren für eine jährliche Zahlung von 52 Mio. Euro vor Marokko fischen. Aber sie müssen dafür marokkanische Häfen und mehrheitlich heimisches Bootspersonal nutzen. Wer sich nicht daran hält, muss zukünftig noch höhere Strafen zahlen als bisher. Damit haben der König und seine Regierung jährlich nicht nur 12 Mio. Euro mehr rausgeschlagen können als beim letzten Vertrag mit der EU, sondern es wurde auch erreicht, die von Marokko beanspruchte West-Sahara in das Agrar-Abkommen mit einzubeziehen. Dieser Teil wurde jedoch vom Europäischen Gerichtshof inzwischen abgeschmettert, weil die EU das Wüstengebiet aufgrund der UN-Regelungen nicht als marokkanisches Hoheitsgebiet anerkennt.

An dem aktuellen Drama in der Meeresenge von Gibraltar ist Marokko schuld

Das bedeutet, das Problem mit Marokko ist für Spanien nicht ausgestanden und diese Spannungen spiegeln sich in der Küstensicherheit wider. „Gibt es Ärger zwischen den beiden Kontinenten kommen immer mehr Drogen und Menschen zu uns“, sagt Juan Franco, Bürgermeister der Stadt „La Linea de la Concepción“ in der Meeresenge von Gibraltar, wo der Konflikt in diesen Sommermonaten am meisten zu spüren ist. 22.500 Migranten sind in diesem Jahr bereits über die Meeresenge von Gibraltar von Afrika nach Spanien gekommen. Das sind drei Mal so viele irreguläre Einwanderer als im Vorjahreszeitraum. Auf die letzten drei Jahre gesehen waren die meisten von ihnen nicht Schwarzafrikaner, sondern Marokkaner (siehe Grafik). Allein im vergangenen Jahr machten sie gemäss des spanischen Innenministeriums fast 20 Prozent aller irregulären Einwanderer aus. Erwachsene können, wenn sie erwischt werden, zurückgeschickt werden, Minderjährige jedoch nicht. „Das wird derzeit ausgenutzt“, sagt Franco. Gemäβ der „International Organization for Migration” kommen derzeit fast 40 Prozent der europäischen Einwanderer über Spanien.

SPANISCHE EXKLAVE CEUTA
Ceuta - Gewalt an Europas Außengrenze
Auch der Druck auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla und die Kanarischen Inseln steigt. Am vergangenen Donnerstag kam es zu einem gewaltvollen Sturm auf die Grenzzäune von Ceuta. 800 Afrikaner versuchten, mit Molotov-Cocktails und anderen Mitteln nach Europa zu kommen. 600 schafften es, spanischen Boden zu betreten. Der neue spanische Premier Pedro Sánchez, der noch kein Treffen mit Mohamed VI ausmachen konnte, hat das Spielchen der Marokkaner satt, weiβ aber auch keine andere Lösung, als auf die Erpressung einzugehen und sich in Brüssel für ihre Belange einzusetzen. Nach Zeitungsberichten hat der spanische Innenminister Marokko gefragt, was sie brauchen, um zu verhindern, dass Tausende jede Woche, in Richtung Spanien aufbrechen. Der Nachbar hat demnach eine Liste aufgestellt und verlangt 60 Mio. Euro von der EU.
Frontex hält aktuelle Lage vor Spaniens Küste für sehr gefährlich

Grenzen können nur durch die Polizei geschützt werden. Das spanische Innenministerium investiert deswegen jetzt 5,5 Mio. Euro in Sicherheits-Personal im Campo de Gibraltar, wo es die meisten Probleme mit den marokkanischen Banden gibt. Zwar arbeitet die Polizei in der neben Gibraltar liegenden Hafenstadt Algeciras seit neustem Hand in Hand mit den nordafrikanischen Kollegen, aber das konnte bisher nicht viel bewirken. Drogen- und Immigrantenhandel haben in den vergangenen Monaten eher zugenommen – auch der Gewaltpegel. Deshalb wurden jetzt weitere 1,5 Mio. Euro in die Ausrüstung investiert: in Boote, Waffen und Streifenwagen. „Vielleicht muss man diese Zahlungen einfach wie eine Art Entwicklungshilfe sehen. Wem es gut geht, der wandert nicht aus und wo es keine Armut gibt, gibt es auch weniger Kriminalität“, sagt der sozialdemokratische Abgeordnete in der Provinz Cádiz, Salvador de la Encina.

Kaum jemand kennt das Problem der Region mit Marokko so gut wie er. Zügiges Handeln ist seiner Meinung nach notwendig, auch ein Treffen von Mohammed VI und Sánchez: „Denn die europäische Küstenwache Frontex erklärt die aktuelle Situation in der Region von Gibraltar inzwischen für sehr gefährlich“. Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Hilfsorganisationen auf dem Meer und 249 Menschen sind in diesem Jahr bei der Überfahrt über die Meeresenge bereits tot geborgen worden. Weitere Hunderte sind vermisst. Die Zusammenarbeit mit dem Nachbarn funktioniert nicht. Die marokkanische Küstenwache hat in diesem Jahr nur rund 4.000 der aus dem Meer gezogen, Spaniens Polizei dagegen 19.000. 23 spanische Küstenboote sind derzeit in Huelva, Cádiz, Tarifa, Algeciras und Almería im Einsatz, neben den ebenfalls verstärkten Frontex-Einheiten der EU. Seit dem Regierungsantritt Sánchez wird zudem der Eindruck erweckt, die spanische Regierung sei solidarischer mit dieser irregulären Einwanderung als die Vorgänger. “Auch deswegen ist Spanien derzeit Anlaufstelle Nr.1“, sagt Ana Dodevska, spanische Repräsentatin der „International Organization for Migration”.

Dodevska warnt auch davor, dass viele der auf dem Meer Geretteten versuchten zu flüchten, um nicht zurückgeschickt zu werden, das gelte vor allem für die Marokkaner. Spanien hat ein Rückführungsabkommen mit dem Nachbarn unterzeichnet, das weitgehend funktioniert. Dennoch geht die spanische Nachrichtenagentur EFE derzeit von 250.000 Marokkanern aus, die in Spanien ohne Aufenthaltsgenehmigung leben. In Tarifa, wo in den vergangenen Wochen auch immer wieder Hunderte Migranten in Schlauchbooten ankamen, wird die Geduld der Einwohner auf eine harte Probe gestellt: „Natürlich wollen wir helfen, aber es gibt keinen Platz mehr in den Auffanglagern und wir haben hier einfach auch eine hohe Arbeitslosigkeit“, sagt José Pérez, der in der Provinz Cádiz wohnt, wo 35 Prozent der Erwerbsfähigen keinen Job haben.

Marokko und Spanien müssen sich an einen Tisch setzen

Der 33jährige Marokkaner Omar Elkammoni kam dort auch vor fünf Jahren an. Er weiß, wie der Menschenhandel in seiner Heimat funktioniert: “Ich bin selber mit einem gröβeren Boot von Tanger nach Tarifa übergesetzt. Ich hatte keine Einreisegenehmigung. Die Beamten, Spanier und Marokkaner, waren bestochen worden von denen, die mir vorher 5.000 Euro abgeknöpft hatten“. Unter den vielen, die legal mit dem Schiff übersetzten, war Elkammoni und eine Handvoll anderer: „Mit dem Schlauchboot über den Meeresweg ist es billiger, aber natürlich auch viel gefährlicher“, sagt Elkammoni, der gebürtig aus dem Rif kommt, wo Marokkos Cannabis-Anbau angesiedelt ist. Jetzt arbeitet er als Gärtner in einem Reichenvorort von Madrid und hat inzwischen auch eine Aufenthaltsgenehmigung.

Auch ihm macht Angst, dass nach Schätzungen der Hilfsorganisationen 50.000 Subsaharianer in Marokko auf dem Sprung sind. Hinzukommen die eigenen Landsleute, die Spanien, Frankreich und Belgien immer noch als die bessere Zukunft betrachten und deswegen nach Europa wollen. Rund 750.000 Marokkaner leben inzwischen legal in Spanien. Der kulturelle Austausch im Land funktioniert, aber es bleibt ein groβe Unwissenheit über die Kultur des arabischen Staates und es bestehen immer noch viele Vorurteile auf beiden Seiten. „Aber Spanien hat durch seine Geschichte eine privilegiert Stellung in den arabischen Ländern. König Juan Carlos I hat immer exzellente Beziehungen zu Marokko gepflegt. Wir können dieses Land das gegenüber von uns wie eine Bedrohung liegt, nicht ignorieren. Wir müssen uns mit Marokko verstehen“, sagt de la Encina. In diesem Sommer wird immer klarer, dass, was für Deutschland und die EU die Türkei darstellt, präsentiert im Süden Europas Marokko: ein Pulverfass, was schwierig zu kontrollieren ist.

Mehrheit der illegalen Einwanderer kommen aus Marokko

Herkunftsländer der irregulären Einwanderer nach Spanien 2016-2018


Quelle: Spanisches Innenministerium und El Confidencial

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