Tichys Einblick
Beschwichtigung in Endlosschleife

Die Story im Ersten – Gewalt gegen Beamte: um den heißen Brei

Hier bleibt der Zuschauer sprachlos zurück. Weiter entfernen von einer sinnvollen Analyse der gegenwärtigen Zunahme von Gewalt gegen Beamte durch eine wachsende Zahl von Zuwanderern kann man sich kaum noch.

© Sean Gallup/Getty Images

Die Story im Ersten widmete sich in der aktuellen Ausgabe am Montag der Gewalt gegen Helfer, gegen Polizisten, Krankenwagenbesatzungen und Amtspersonal. Angriffe, Beleidigungen, Körperverletzungen – die Liste der Grenzüberschreitungen ist lang, heißt es da.

Die Programmvorschauen kündigten die Sendung folgendermaßen an: „Wo liegen die Gründe für die steigende Gewalt und den mangelnden Respekt? Warum müssen Helfer inzwischen Angst vor den Bürgern haben? Eine aufschlussreiche Spurensuche anhand aktueller Fälle.“

Nun ist es doch so: Neben den Alltagserfahrungen der Bürger gibt es eine Reihe von Untersuchungen und Statistiken, die im Prinzip hinreichend Antworten geben, wenn beispielsweise die Hannoversche Allgemeine im Juni berichtet: „Gewalt von Flüchtlingen gegen Polizisten deutlich gestiegen.“ „Im Prinzip“, weil freilich nicht ohne den Nachsatz geschrieben, dass „die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge in Niedersachsen nach wie vor nicht straffällig“ sei.

Der Tagesspiegel schreibt: „Gewalt gegen Polizisten zerstört unsere Gesellschaft.“  Merkwürdig verdreht versucht der Tagesspiegel zunächst die Vorteile solcher Respektlosigkeiten herauszuarbeiten, wenn es da heißt: „Niemandem muss der Schweiß ausbrechen, wenn er nach seinem Personalausweis gefragt wird. Dass Polizisten hierzulande mal autoritär und herrisch aufgetreten sind, wissen bloß noch ältere Leute.“

Im Nachsatz benennt der Tagesspiegel aber doch noch Ross und Reiter an einem Beispiel: „Der Aufstand im Flüchtlingsheim von Ellwangen hat bloß überdeutlich gezeigt, womit Polizisten heute zu rechnen haben: mit robustem Widerstand vieler junger Männer, die nicht interessiert, dass das polizeiliche Vorgehen vom Recht gedeckt war. Ein schräges Beispiel – geht es doch um Flüchtlinge in Existenznot? Tatsache ist, dass diese jungen Männer zeigten: Eure Regeln sind nicht unsere.“ Und die Zeitung verweist im Zusammenhang mit Gewalt gegen Polizisten auf arabische Clans und afrikanische Dealer.

Informationen über Lösungen?

Wer nun am späten Montagabend die Story im Ersten anschaltete, tat dies eventuell auch, um mehr Informationen zu bekommen auch drüber, in welcher Weise der Staat gedenkt, dieser unser aller Sicherheit bedrohenden Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

Laut Statistik sind Migranten überproportional an solchen Gewalttaten beteiligt: In deutschen Großstädten ab 500.000 Bewohner liegt der Anteil von Migranten sogar bei 51,5 Prozent, wie schon 2010, also vor der Zuwanderungskrise das kriminologische Forschungsinstitut von Christian Pfeiffer herausgefunden haben will, der acht Jahre später ermittelte, dass die Zahl der polizeilich registrierten Gewalttaten in Niedersachsen um 10,4 Prozent zugenommen hätte, was laut Pfeiffer wiederum zu 92,1 Prozent Zuwanderern zuzurechnen sei. Die Welt nimmt diese Zahl auf und ergänzt: „Die Kriminalität durch Deutsche geht indes seit vielen Jahren zurück.“

Die Augsburger Allgemeine forderte nun mit Fokus auf Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte, diese müsse „hart bestraft werden.“ Aber auch hier offenbart sich die Faktenlage eher in zwei Nebensätzen, wenn die Zeitung schreibt: „Die Lage ist noch nicht so schlimm wie in Schweden oder Frankreich, wo die Polizei in vielen (muslimisch geprägten) Stadtvierteln längst kapituliert hat. Doch es ist höchste Zeit, dass der Staat massiver gegen die Gewalttäter vorgeht.“

Fakten wegreden

Vieles liegt also auf dem Tisch. Aber solche Fakten haben in der Sendung „Die Story im Ersten: „Das verrohte Land – Wenn das Mitgefühl schwindet““ kaum Gewicht. Wie aber soll dann die Frage beantwortet werden, wo die Gründe für die steigende Gewalt und den mangelnden Respekt liegen, wenn man aus politischen oder welchen Gründen auch immer, nicht gewillt ist, die Dinge beim Namen zu nennen?

Stattdessen arbeitet sich die Sendung ausführlich ab am Messerattentat am Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein, der vom 56-jährigen Werner S. in einem Imbiss mit einem Messer bedroht und dabei am Hals verletzt wurde, nur deshalb wohl, weil sich der Täter angeblich benachteiligt fühlte gegenüber Zuwanderern. Die Sendung beginnt damit, dass Hollstein an ihn adressierte üble Hassbriefe vorliest.

Als Experte und Gewaltforscher wird nun ausgerechnet immer wieder Andreas Zick von der Uni Bielefeld eingeblendet, der allerdings zuletzt vor allem dadurch aufgefallen war, den Medien Fragmente von Studien anzubieten, diese aufzufordern Ergebnisse zu publizieren, ohne bisher je die angekündigte Studie vorgelegt zu haben (wir haben ausführlich berichtet). In den letzten Jahren gab es etliche Studien in Zusammenarbeit mit der Uni Bielefeld, die nach unseren ausführlichen Analysen vor allem auffielen durch tendenziöse und mangelhafte Ausarbeitungen. Wir haben beispielsweise festgestellt: Schon früher ging es darum, die Presse aufzufordern, die Pressemeldungen der Studienmacher zu veröffentlichen, aber bitte nicht die Studie selbst zu lesen. Wir haben es trotzdem gemacht und die Schlechtleistung analysiert und veröffentlicht.

Andreas Zick gibt nun also den Experten in der Story im Ersten. Er soll beantworten: „Was ist nur los in diesem Land?“ Ausführlich besprochen werden zunächst die Gewaltexzesse am Rand des Darmstädter Schlossgrabenfests am 3. Juni diesen Jahres. Dazu hatte ein Polizeisprecher geäußert, bei den zum Teil vermummten Angreifern habe es sich um Deutsche und um Ausländer aus unterschiedlichen Milieus gehandelt. Die Story im ARD erwähnt, die Gewalttäter, die über ein dutzend Polizisten verletzte haben, hätte „All Cops are Bastards“ skandiert.

Erklärungsversuche bleiben aus, ebenso die Überlegung, dass hier anhand des Slogans eventuell bereits von einer Solidarisierung von Linksradikalen und Ausländern ausgegangen werden könnte. Die Story wechselt zu deutschen Gewalttätern auf den Fußballplatz und wieder zum Bürgermeister von Altena.

Dann darf besagter Andreas Zick diesen Fall als TV-Experte analysieren. Seine Psychogramme sprechen von einer „Dehumanisierung“ der Opfer: „Man ist hier nicht mehr nur Opfer einer Person, die wir als Wutbürger bezeichnen, sondern man ist hier Zielgruppe einer Hassgemeinschaft.“ Nun bietet sich Andreas Zick selbst an, einmal entlang seiner Arbeiten und seines Auftretens vor Kamera zu analysieren, welches eigentlich seine Zielgruppe ist, was uns sein persönliches Psychogramm erzählt, wenn Zick im Brustton des Überzeugten vorträgt, woran diese Gesellschaft ebenfalls kranken könnte. Sein Gesamtauftritt, sein Tonfall, Mimik, Gestik und Habitus sprechen hier Bände.

Beim Dreh überholt die Realität die These

Heide Prochaska ist Deeskalationstrainerin. Sie macht Beamte fit gegen Gewalt im Rathaus und anderswo. Sie berichtet von Ostdeutschen, die in die Büros der  Rathäuser urinieren. Nun hat so ein Fernsehteam einen straffen Drehplan. Und als sie Heidi Prochaska bei einer ihrer Schulungen besuchen, muss es dann fast kleinlaut einleitend erwähnt werden: Hier geht es nicht um ein Antideeskalationstraining gegen rechte pinkelnde Ostdeutsche, sondern, so der O-Ton: „Dieses Mal kommen die meisten aus Ämtern, die mit Flüchtlingen zu tun haben.“ Die Realität überholt die These der Sendung, die Andreas Zick so ausführlich bereit ist, mit seinen Psychogrammen zu flankieren. Hier allerdings bleibt Zick sprachlos, er wird später noch einmal intervenieren, gerade rücken dürfen, wo die wirklich Gefahr für die Sicherheit herkommt, derweil lernen Stadtbeamte von Frau Prochaska, wie man sich mit seinem Bürostuhl als Abwehrwaffe gegen randalierende Flüchtlinge zur Wehr setzt.

„Gucken wir uns mal die Beispiele an – und das ist ein Klassiker: Du bist ein Nazi.“, erklärt Prochaska den Seminarteilnehmern. Dieser Anwurf käme ihrer Erfahrung nach in jedem Amt vor, dass mit Migranten zu tun hat. Ihr Tipp, wie so ein Anwurf zu beantworten sei, ohne in die Eskalation zu gehen: Der Beamte soll mit einem kurzen „Aha“ antworten. Einfach „Aha“. Er soll den Ausländer also nicht etwa aufgrund seiner Unverschämtheit der Amtsstube verweisen lassen, sondern stillhalten, um Angriffe gegen ihn zu vermeiden.

Später wird Prochaska noch erzählen, dass Teilnehmer ihr berichtet hätten, aus Angst vor Kunden schon aus dem Amtszimmer gesprungen zu seien. Die Trainerin erklärt weiblichen Beamten weiter, wie diese zu reagieren hätten, wenn ihnen gesagt würde, man würde nicht mit Frauen reden oder wenn sie „Schlampe“ genannt würden. Ihr Tipp zu letzterem, die beleidigte Beamtin soll in die Selbstsuggestion gehen und sich sagen: „Du hast mit diesem Wort Schlampe überhaupt nichts gemeinsam.“

Das alles zu verstehen, muss den Zuschauer der Sendung tatsächlich schwer fallen, denn die natürlichste Reaktion wäre es doch, dass Gespräch sofort abzubrechen und die Karte „Beamtenbeleidigung“ zu ziehen. Nichts davon wird hier hinterfragt. Weiter der O-Ton: „Die Beamten sollen, so will es Prochaska, ihren Bürgern künftig breitbeiniger gegenüber treten.“ Und dann üben also die Beamtinnen im Kurs, wie man sich breitbeinig aufstellt gegenüber den Bürgern namens Asylbewerbern. Dafür allerdings müsste man von Schreibtisch aufstehen und die Konfrontation direkt aufnehmen. Wer würde das wollen?

Drumrumreden statt Klartext

Verglaste Pförtnerlogen, Notknöpfe, Security-Mitarbeiter – all das entdecken die Filmemacher. Dass es so etwas mittlerweile wegen Gewalt gegen Beamte durch Migranten vermehrt gibt, dass der deutsche Bürger nun ebenfalls mit diesen neuen Sicherheitsmaßnahmen konfrontiert wird – hier wird es nicht thematisiert. Es wird sogar zum Balanceakt der einstündigen Sendung, diesen Sachverhalt möglichst zu umschiffen. Lapidar heißt es da: „Die Mitarbeiter treffen zunehmend auf aggressive Bürger.“ Sicher ist das nicht einmal gelogen, aber wenn die entscheidende Antwort ausbleibt, um welche Neubürger es sich hier zunehmend handelt, dann kann auch die Fragestellung der Sendung nicht beantwortet werden: „Wo liegen die Gründe für die steigende Gewalt und den mangelnden Respekt?“

„In einer Zivilgesellschaft braucht man Ziviltugenden“, steuert Andreas Zick bei und rudert dabei mit den Händen. „Dazu gehört hilfreiches Verhalten, dazu gehört Gewaltprävention und –repression, dann muss man die vermitteln.“ Und Zick weiter: „Wir kommen auf die Welt als Menschen, die Gewalt ausüben können. Und Gewalt macht auch Vergnügen.“ Hier bleibt man als Zuschauer sprachlos zurück. Weiter entfernen von einer sinnvollen Analyse der gegenwärtigen Zunahme von Gewalt gegen Beamte durch eine wachsende Zahl von Flüchtlingen und Migranten kann man sich kaum noch.

Ja, das ist nicht nur unanständig, sondern sogar grob fahrlässig. Denn wenn Gewaltforscher angetreten sind, mit ihrem Wissen Gewalt zukünftig zu verringern, dann gehört es elementar dazu, den Ort der Gewalt ebenso zu benennen, wie den vornehmlichen Täterkreis. Hier in Endlosschleife beschwichtigend festzustellen und mit Beispielen zu unterfüttern, dass auch Deutsche gewalttätig sein können – in wie weit soll das hilfreich sein? Ergebnis: Eine Verschleierung der Probleme. Ein fahrlässiges Verhindern von Lösungsansätzen. Aber ein Gutes hat es dann doch noch: Zukünftig noch mehr ungelöste Probleme, also noch mehr Fragen an Gewaltforscher. Denn ohne diese Fragen wäre der Gewaltforscher arbeitslos.

Beschwichtigung in Endlosschleife

Aber hören wir noch einmal kurz rein bei Andreas Zick von der Uni Bielefeld, dann wird es noch klarer: „Wir in der Wissenschaft verfolgen Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit, vorurteilsbasierte Hasstaten, und haben sie in einem so hohen Ausmaß, wie wir sie in den 90ern selbst nicht prognostiziert hätten und gleichzeitig gucken wir, in welchem Kontext ist unsere Gesellschaft. Und wir sehen jetzt, wir leben als Deutschland als eine sehr wohlhabende Nation, die viel tun könnte, mit einer sehr stabilen Demokratie, auf einmal in einem Kontext wo sehr gewaltorientierte Politiken sich durchsetzen.“ Das ist tatsächlich selbsterklärend.

Immerhin kann sich Zick noch dazu durchringen, festzustellen, dass bestimmte Gewaltformen punktuell ansteigen. Welche, warum, weshalb … man arbeitet wohl noch dran, diese „punktuellen“ Erscheinungen zu verifizieren, mit der „gewaltorientierten Politik“ in Einklang zu bringen. Irgendwie.

Der Bürgermeister von Altena hat dann das letzte Wort. Ganz zum Schluss erzählt er den Zuschauern dann doch noch, wenn wir wieder Respekt vor Polizeibeamten, vor Ordnungsamtmitarbeitern „bei Asylbewerbern aber auch bei normalen Bürgern erreichen wollen, dann müssen wir zeigen, dass die Menschen, die für den Staat arbeiten, auch einen Schutz des Staates verdienen. Und denn müssen wir auch aktiv einfordern.“

Aber wie soll das gehen, wenn so um den heißen Brei herumgeredet wird wie in dieser Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens? Die Deeskalationstrainern hat einen Vorschlag gemacht im Training für Beamte, die mit Asylbewerbern zu tun haben: Wer Nazi genannt wird, sagt „Aha“, wer „Schlampe“ genannt wird, geht schnell in sich und sagt sich innerlich: Ach, da bin nicht gemeint. Wenn das ein Lösungsansatz sein soll, dann darf Andreas Zick sicher sein, dass er noch bis zur Rente seine Philosophie vom multikulturellen Vergnügen der Gewalt unters Volk bringen kann.

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