Tichys Einblick
Es geht um Migrationsförderung

Wozu sich Deutschland mit dem UN-Migrationsabkommen wirklich verpflichtet und was das Weltwirtschaftsforum damit zu tun hat

Das Abkommen geht unter anderem auf intensives Lobbying der im Weltwirtschaftsforum versammelten internationalen Großkonzerne zurück, die hochmobile Arbeitskräfte sehr nützlich finden.

© Drew Angerer/Getty Images

Deutschland verpflichtet sich mit dem „Globalen Abkommen für sichere, geordnete und reguläre Migration“ zur Förderung internationaler Wanderungsbewegungen. Das Abkommen geht unter anderem auf intensives Lobbying der im Weltwirtschaftsforum versammelten internationalen Großkonzerne zurück, die hochmobile Arbeitskräfte sehr nützlich finden.

Vor einer Woche haben sich fast alle Mitglieder der UNO-Vollversammlung, auch Deutschland, in New York auf ein Migrationsabkommen namens Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration geeinigt, kurz Global Compact for Migration. Es soll im Dezember offiziell unterschrieben werden. Nur die USA und Ungarn scherten aus. Angesichts der momentanen Debatten und politischen Initiativen in Deutschland in Sachen Einwanderung hätte das ein Riesenaufreger sein können.

Es geht um Migrationsförderung

Es nahm aber kaum jemand Notiz. Denn die deutschsprachigen Medien, bis hin zur sonst so gewissenhaften NZZ, berichteten allenfalls auf Basis dürrer Agenturmeldungen. Und diese gaben brav nur wieder, was offiziell zu dem Abkommen verlautbart wurde. Danach geht es darum, Migrationsströme, die ohnehin da sind, besser zu managen. Zitat aus der NZZ:

„Migration ist eine Tatsache», sagte der Präsident der Uno-Vollversammlung, Miroslav Lajcak. «Aber wir hatten bisher kein Instrument, um diesen Prozess zu lenken, zu steuern.“

Kein Wort von Förderung der Migration. Kein Grund zur Aufregung.

Spiegel Online berichtet:

„Die Uno-Sonderbeauftragte für Migration, Louise Arbour, warnte, die „chaotischen und gefährlich ausbeuterischen Aspekte“ von Migration dürften nicht zur Normalität werden. Zuvor hatte sie gelobt, dass die Gespräche über 18 Monate trotz der oft negativen und böswilligen Fehleinschätzungen über Migranten gut gelaufen seien.“

Auch hier kein Wort von Migrationsförderung.

Schauen wir also selbst in das längliche Vertragswerk. Darin geht es ausdrücklich nicht um Flucht und Asyl (dafür gibt es ein eigenes Abkommen), sondern nur um anderweitig motivierte Wanderungen. Wir finden darin (durchweg meine eventuell unvollkommene Übersetzung):

„Wir erkennen an, dass Migration eine Quelle von Wohlstand, Innovation und nachhaltiger Entwicklung in unserer globalisierten Welt ist. (…) Wir müssen unseren Bürgern Zugang zu objektiven, faktenbasierten und klaren Informationen über den Nutzen der Migration zur Verfügung stellen, um irreführenden Narrativen zu begegnen, die eine negative Wahrnehmung von Migranten erzeugen.“

Es geht also um Pro-Migrationspropaganda, könnte der überkritische Leser hier schließen. Das wäre aber verfrüht. Denn zwar nicht im Abkommen selbst, aber doch immerhin im zugrundeliegenden Bericht des Generalsekretärs, wird anerkannt, dass man Sorgen ernst nehmen muss.

„Wir müssen Respekt zeigen für die Angst von Gemeinschaften, die fürchten auf der Verliererseite der Migration zu stehen. Auch wenn es machtvolle Belege dafür gibt, dass Migranten große Vorteile sowohl für die Gastgeberländer als auch für die Ursprungsländer bringen, können wir nicht blind für die Wahrnehmung und Sorgen der Bevölkerung sein. Gemeinschaften, die unter Ungleichheit und Mangel leiden, machen oft Migranten für ihre Probleme verantwortlich. Es ist zwar nötig, zu erklären, warum das falsch ist, aber es ist wichtig, die zugrunde liegenden Probleme anzugehen, damit Migration für alle funktioniert.“

Sorgen ernst nehmen und dann diskreditieren

Ernst nehmen heißt also: Wenn eine Person denkt, unter Zuwanderung zu leiden, dann muss man ihr erklären, warum sie irrt. An dieser Stelle darf man mit Fug und Recht sagen: es geht um Propaganda. Denn das Abkommen lässt den Menschen nur zwei Alternativen. Entweder sie glauben, dass Migration allen nützt, oder sie sind fremdenfeindlich oder gar Rassisten. Eine dritte Alternative wird weder im Abkommen noch im Bericht des Generalsekretärs angeboten. Dieser schreibt:

„Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass fremdenfeindliche politische Narrative heute sehr weit verbreitet sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese unsere Agenda verzerren. Fortschritte bei der Lösung realer Herausforderungen der Migration zu erzielen, bedeutet auch, alarmistische Darstellungen ihrer Folgen zu verbannen/beseitigen (dispel). Politische Führer müssen die Verantwortung dafür übernehmen, den nationalen Diskurs über das Thema neu zu justieren (reframe).“

Im Migrationsvertrag selbst taucht das unter anderem in Ziel 17 auf, wo es heißt:

„Wir verpflichten uns (…) Ausdrücke, Handlungen und Manifestationen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz gegen alle Migranten zu verdammen und ihnen entgegenzutreten.“

Das soll unter anderem folgendermaßen erreicht werden:

„Förderung unabhängiger, objektiver und hochwertiger Berichtserstattung von Medien, auch indem Medienleute entsprechend sensibilisiert und unterrichtet werden und indem in ethische Berichtsstandards und Werbung investiert wird. Streichung finanzieller Unterstützung für Medienhäuser, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegen Migranten befördern, in vollem Respekt für die Freiheit der Presse.“

Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anzugehen ist ein sehr löbliches Ziel.

Wenn allerdings die Definition so ist, dass alles, was die Förderung der Zuwanderung nicht uneingeschränkt begrüßt, als Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gebrandmarkt werden soll, dann liegt der Verdacht nahe, dass hier abweichende Meinungen und Menschen, die auf echte Probleme hinweisen, durch Bewerfen mit Dreck diskreditiert werden sollen.

Medien als Teil der Pro-Migrationspartnerschaft

Überhaupt sollen die Medien integraler Bestandteil der Strategie sein, was bei einer Propagandakampagne auch nicht weiter verwundert:

„Das Globale Abkommen fördert Partnerschaften mit vielen Interessenvertretern (Stakeholder), einschließlich (…) den Medien. (…) Wir werden das Globale Abkommen in Kooperation und Partnerschaft mit Migranten, der Zivilgesellschaft (..) und den Medien umsetzen.“

Wenn Regierungen in Kooperation mit den Medien die öffentliche Meinung zur Migration verändern wollen, dann wird das schwierig mit dem “Respekt für die Freiheit der Medien”.

Bis hierher könnte man mit sehr viel gutem Willen noch Verständnis aufbringen und sagen: ein gutes Klima für die ohnehin wandernden Menschen herstellen zu wollen, ist Gebot der Menschenfreundlichkeit. Da könnte man geneigt sein, eine gewisse Einseitigkeit als Gegengewicht zur Einseitigkeit der Kritiker von Migration zu verstehen und zu verzeihen, insbesondere da Letztere ja tatsächlich zum Teil auch die Migranten selbst herabsetzen oder gar angreifen.

Aber die Zielsetzung des Abkommens geht eben deutlich weiter. Es geht nicht nur um den Umgang mit ohnehin stattfindenden Wanderungen, es geht um Förderung zusätzlicher Wanderungen. In dem Abkommen verpflichten sich die Regierungen zum Beispiel:

„Wir verpflichten uns, Wege für reguläre Migration so anzupassen, dass Arbeitsmobilität gefördert wird (…) indem wir die Verfügbarkeit solcher Wege erweitern und diversifizieren.“

Ein Migrationsförderungs-Abkommen zerstört jede Legitimität der einseitig positiven Darstellung der Migrationsfolgen und der Charakterisierung aller Kritiker als Rassisten. Denn das nimmt Belasteten die Chance, ihre Belastung zum Thema zu machen und Abhilfe einzufordern. So hat zum Beispiel erst im Januar ein Bundesbank-Studie ganz klar festgestellt, dass die Zuwanderung aus der EU nach Deutschland in den letzten Jahren eine große Rolle bei der sehr schwachen Lohnentwicklung gespielt habe. Arbeitgeber und viele nicht direkt betroffene Arbeitnehmer, sowie Anleger, haben offenkundig einen Vorteil von der Zuwanderung.

Dagegen haben viele von den gedrückten Löhnen stark betroffene Arbeitnehmer oder Arbeitslose vor allem Nachteile. Im Zweifel sind die letzten beiden Gruppen ohnehin diejenigen, denen es weniger gut geht. Wenn das so ist, dann darf man keinesfalls alle, die Zuwanderung für sich oder für Gruppen, denen sie sich zugehörig fühlen, als Nachteil sehen, allein schon deshalb als Rassisten oder Fremdenfeinde brandmarken. Das führt zu der Radikalisierung, die angeblich abgebaut werden soll.

Entwicklung durch Abwanderung, durch Migrationsförderung

Auch als Mittel zur wirtschaftlichen Entwicklung der Herkunftsländer soll Abwanderung gefördert und in die Entwicklungspolitik integriert werden. Die vorgebliche Logik: Die Gastländer profitieren durch zusätzliche Arbeitskräfte, die Herkunftsländer durch Heimüberweisungen. Dass es für ein armes Land in Afrika besser wäre, wenn die dort teuer ausgebildeten Ärztinnen und Ingenieurinnen im Lande blieben, als wenn sie nach Europa gehen und regelmäßig ein paar Euro heimüberweisen, sollte außer Frage stehen. Zumal, wenn sie ihre Familien, wie das Migrationsabkommen fordert, bald nachholen können. Dieses Problem des „Brain Drain“ wird im ganzen Abkommen totgeschwiegen. Abwanderung ist gut für arme Länder. Basta.

Aus Gründen der Länge zum Abschluss nur noch stichwortartig, einige weitere Maßnahmen und Ziele, auf die sich die Bundesregierung im Rahmen des Abkommens rechtlich unverbindlich, aber politisch relevant verpflichten will. Einiges davon passt schlecht zu dem, was Teile der Bundesregierung oder die Regierung insgesamt vorhaben. Anderes untersützt umstrittene Vorhaben, wie etwa den Plan, ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden.


Der Beitrag von Norbert Häring ist zuerst hier erschienen.

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