Tichys Einblick
Wolfsburg schreibt rote Zahlen

VW: Das Fracksausen des Stephan Weil

Neuer Kreislauf: Deutsche kommen durch Zuschüsse billiger an neue Autos. Händler exportieren die gebrauchten Diesel ins Ausland zu dort günstigen Preisen. Einem dient es nicht: der beschworenen Umwelt.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Bekommt der Ministerpräsident von Niedersachsen langsam Fracksausen? Stephan Weil lehnt jetzt vehement schärfere CO2-Auflagen für die Autoindustrie ab. »Man darf den Bogen nicht überspannen«, sagt der SPD-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er äußert jetzt die Befürchtung, dass die Automobilindustrie durch Abgas-Grenzwerte überfordert werde.

Stephan Weil versucht zwar, in TV-Sommerserien zu zeigen, »wie schön es im Land ist« (trotz von Windanlagen gründlich zerstörter Landschaften), ihm müssen die absehbaren gewaltigen Verwerfungen auf dem Automobilsektor zunehmende Sorgen bereiten.

Dem Aufsichtsrats-Chef von VW dürfte schon länger ungemütlich werden. Immerhin darf man ihm unterstellen, recht genau über die aktuelle Lage bei VW informiert zu sein. Weniger, weil er sich schon einmal seine Regierungserklärung von VW »faktenchecken« ließ, sondern weil sein Land mit 20 Prozent der Stimmrechte einer der größten Anteilseigner von VW ist und von dort mehr und mehr Hiobsbotschaften kommen, die einen Landesvater hellhörig werden lassen müssen. 2014 weist die Bilanz zwei Milliarden an Steuern Inland aus, 2015 nur noch 800 Millionen Euro und für 2017 nur 614.

Wolfsburg schreibt rote Zahlen

Die Lage in den Autostädten wird zunehmend kritisch. Wolfsburg zum Beispiel schreibt vor allem wegen fehlender Steuereinnahmen durch VW tiefrote Zahlen, die Stadt gehört jetzt nicht mehr zu den wenigen schuldenfreien Städten Deutschlands. Die Schulden steigen auf 200 Millionen an. Da wird es eng für neue 100 Erzieherinnen-Stellen.

Nicht viel besser sieht es in Braunschweig, Salzgitter und Osnabrück aus. Emden meldet Kurzarbeit, die meisten VW-Werke verlängern ihre Werksferien. Rund 120.000 Mitarbeiter sind in den sechs Werken Niedersachsens beschäftigt. Dazu kommen noch die Arbeitsplätze bei den Zulieferern. Da werden die Kommunen in ihrem Einfallsreichtum verstärkt dem Bürger ins Portemonnaie greifen und Gebühren für Kitas, Parken, Friedhöfe, Bäder und Hundesteuer erhöhen.

VW ist langsamer

Zudem dauert es offenbar bei VW wesentlich länger als bei anderen Herstellern, ihre Modelle auf den neuen Abgas-Prüfzyklus WLTP umzustellen. Das bedeutet eine »Angebotslücke bei ihren Marken«, wie die »Automobilwoche« die Lieferunfähigkeit nett um-schreibt.

Nur neun VW Modellvarianten sollen bisher die neueste Abgasnorm 6d-Temp erfüllen. Bei Mercedes sollen dagegen bereits 123, bei BMW 110 Modellvarianten freigegeben sein. Eine VW-Sprecherin verteidigte die Verzögerung: »Im Volkswagen-Konzern müssen für mehr als 260 Motor-Getriebe-Varianten neue Werte in kürzester Zeit ermittelt werden.« Dafür habe man seit Inkrafttreten des Gesetzes nur 13 Monate Zeit.

Der Autohandel befürchtet gravierende Auswirkungen. »WLTP ist ein Riesenthema, das wahnsinnig frustriert, weil wir nichts wissen«, sagte Franz Hirtreiter, Chef der VW-Handelsgruppe AVP, der Automobilwoche: »Wir können den Kunden nicht sagen, wann ihre Fahrzeuge lieferbar sein werden.« Daimler nennt übrigens WLTP neben höheren chinesischen Einfuhrzöllen ausdrücklich als Grund für seine Gewinnwarnung.

Zudem haben ganze Anwaltskohorten die Messer gewetzt. Es gilt herauszufinden, ob es noch eine Rechtssicherheit gibt. Die jetzt beanstandeten Autos entsprachen zum Zeitpunkt des Kaufs den gesetzlichen Vorgaben. Plötzlich sollen sie das aufgrund windiger Propaganda nicht mehr tun? Unter die juristische Lupe werden vermutlich auch die Messstellen genommen, die zum Teil nicht vorgabengerecht messen.

Exporterfolge: Gebrauchte Dieselfahrzeuge

Dafür feiert ein anderer Zweig ungeahnte Exporterfolge. Gebrauchte Dieselfahrzeuge werden verstärkt exportiert. So sind die Exporte deutscher Diesel in die EU-Länder um 20,5 Prozent gestiegen, in die Ukraine gab es eine Steigerung um 137 Prozent. Das innerhalb eines Jahres. Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Die Exporte nach Kroatien weisen eine Steigerung von 89 Prozent aus.

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Christian Kille vom Institut für Angewandte Logistik der Hochschule Würzburg-Schweinfurt gibt einen »Export-/Import-Seismografen« (ESD/ISD) heraus: »Neben den EU-Ländern Kroatien, Slowenien, Bulgarien und Rumänien gehen ältere Dieselfahrzeuge auch in die Ukraine.« Grund seien offenbar die »lockeren Einfuhrbestimmungen und der relativ niedrige Zollsatz von 7,3 Prozent für Gebrauchtwagen aus der EU.«

Schöner neuer Kreislauf: Autokäufer in Deutschland kommen günstig an neue Autos, weil die Hersteller ihren Verkauf mit Zuschüssen anzufeuern versuchen. Hersteller und Händler erhöhen so ihren Umsatz wie jetzt im Juni um 4,2 Prozent. Gebrauchtwagen-Exporteure hierzulande erleben einen Boom, ebenso Gebrauchtwagen-Händler im Ausland, dort freuen sich Autokäufer über ziemlich neue und gut erhaltene Autos zu einem Superpreis.

Kurbelt man so Wirtschaft an? Nur: Was ist mit den exportierten Schadstoffen? Dieselfahrzeuge, die hierzulande in grüner Lesart für Zehntausende von »vorzeitigen Toten« verantwortlich waren, sind dies jetzt in anderen Ländern.

Gut, dort stehen die Messstationen so weit von den Straßen entfernt, dass man nichts davon merkt. Die Luft ist dort also sauber. Und gut, dass wenigstens der Klimawandel an deutschen Grenzen halt macht.

Heh, Grüne und DUH-Resch, habt ihr euch das ungefähr so gedacht?


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