Anfang der 1980er-Jahre fuhr ich gemeinsam mit einem Freund zu einer großen Buchhandlung. Wir parkten unsere Mokicks direkt vor der Tür, rochen nach Zweitaktmischung, klemmten die Helme unter den Arm und betraten die Buchhandlung wie John Wayne einen Saloon. Wir hatten eine Mission.
Die Buchhändlerinnen wichen zurück, der Inhaber kam die Treppe herunter und stellte sich uns mutig entgegen. Dem hielten wir fordernd einen abgerissenen Zettel vor die Nase, den mein Freund aus Kiel mitgebracht hatte. Darauf stand: „Werner oder so was aus dem Semmel- (bzw. Brösel-)Verlag“. Der Buchhändler guckte, als hätten wir 1 Fiddl Fund Wirbl und 1 Harbsch mit Schronk und Borsz verlangt. Wir wurden ungeduldig.
Mir war das damals nicht klar, aber in der Buchbranche hatte man ernsthafte Vorbehalte gegenüber Menschen mit Stiefeln und Helm. Dieses Buch gibt es nicht, sagte er. Meine Anregung, den Sachverhalt mittels seines dicken Nachschlagewerks zu überprüfen, konterte er mit dem Hinweis, er sehe sich zu weiteren Maßnahmen genötigt, wenn wir den Laden nicht umgehend verließen. Das war schön dumm von ihm.
Und die Entwicklung war enorm. Man besaß damals Freiheitsdrang und im Alter von 16 ein Kleinkraftrad oder wenigstens ein Mofa. Der Motorradführerschein war noch billig, deshalb wurde mit 18 aufgerüstet. Fahrrad und Monatskarte waren für Müslis. Echte Männer hatten ein Fahrzeug mit Motor. Mit starkem Motor. Laut, ungebändigt und frei. Damit fuhr man quer durch Deutschland, durch Europa, durch die Wüste. Die Zeitschriften hießen „Easy Rider“ und „PS“, die Bücher „Schrauberfibel“ und „Zweitakt-Tuning“. Der natürliche Feind war die Polizei. Alles sonst war so sicher, dass eine ihrer Hauptaufgaben darin bestand, Vorschriften-widrige Motorräder aus dem Verkehr zu ziehen.
In Kiel gab es einen arbeitslosen Künstler, der gern in Kneipen herum hing und im Austausch gegen Bier auch mal die Speisekarte malte. Er textete so begnadete Zeilen wie „Hurra, wir verblöden, für uns bezahlt der Staat“. Zusammen mit Benzingesprächen („pedal gezackte Kunstbuttereinstreichung mit zwei Tretobratzen“) war das eine unwiderstehliche Mischung für die Generation der Benzinliebhaber. Dieser Arbeitslose nannte sich Brösel und war bald Bestsellerautor. Seine Comicfigur Werner hatte eine sehr lange Nase, liebte Flachwitze, spielte oft Zündkerzen und Würfel als Folge eines ungehemmten Bierkonsums und fuhr eine Horex, die schon damals ein Oldtimer war. Allerdings neigten Werners Abenteuer dazu, etwas auszuarten, und endeten gern in einem Massenkonflikt in der Öffentlichkeit mit hohem Sachschaden, wie Wikipedia so treffend vermerkt.
Dieser Hang zog sich auch in die echte Welt. Brösel hatte in seiner Stammkneipe gegen den Porsche des Inhabers gestänkert und vollmundig geprahlt, seine Horex könne ihn abledern. Dummerweise hatte die Horex nur mickrige 28 kW. Dann wurde Brösel Bestsellerautor, nahm 280.000 DM seines neu verdienten Geldes und baute den Red-Porsche-Killer: eine Horex mit vier zusammengeschalteten Motoren.
Damit trafen sich die beiden Kontrahenten im Jahr 1988 in Gegenwart von 200.000 Adjutanten auf einem Flugplatz. Brösel verhielt sich exakt wie sein Held Werner. Er verschaltete sich und verlor das Rennen.
Davon handelt auch sein neuestes Buch „Werner, wat nu?“. Eine 128-seitige Werbeschrift in Comicform für die Revanche, die vom 30. August bis zum 2. September 2018 am Flugplatz Hartenholm stattfinden soll. Dafür hat er seinen alten Red-xxxxxxxKiller mit 4 x 550ccm Motor restauriert. Aber Werner ist alt geworden.
Statt Benzin zu lieben, sorgt er sich jetzt um Fracking, versucht sich an Flachwitzen zur längst abgeschafften Kernenergie und konnotiert Skateboards, Fahrräder und Reiskocher positiv. Fast wirkt es, als erwarte er diesmal keine Einwände von Porsche, sondern Maasnahmen aus dem Kanzleramt. Brösel ist ein solcher Warmlöter geworden, dass sogar seine Horror-Horex eine elektrisch unterstützte Schaltung bekommen hat. Ogottogott. Wenigstens soll der Red Killer stationär durch einen Mähdrescheranlasser gestartet werden.
Ob diese Zutaten das Format zu einem ordentlichen Massenkonflikt mit hohem Sachschaden haben? Vermutlich können wir schon froh sein, wenn Brösel genug ungefracktes Bioethanol getankt hat, dass er nicht auf einem Skateboard antreten muss. Aber für die Mofa- und Rasenmäherrennen lohnt sich die Anreise bestimmt.