Nun hat Seehofer bekommen, was er wollte: Die Zustimmung der Bundeskanzlerin zu einer entschiedenen Bekämpfung des Asylmissbrauchs. Es gibt eine „Einigungsvariante“.
Einigung im spannenden Spiel
Eine Einigung, mit der Seehofer nach eigenem Bekunden „sehr zufrieden“ sein soll. Der Minister bleibt also Minister. „Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns nach sehr intensiven Verhandlungen zwischen CDU und CSU geeinigt.“, informiert Seehofer, kurz nachdem die Japaner in letzter Minute trotz 2:0 Führung gegen Belgien noch die Segel streichen müssen. Ja, so ist Fußball. In der Politik sollten solche Überraschungen nicht passieren.
So weit es bisher klar ist – und in diesen Tagen ist nichts wirklich länger sicher als 90 Minuten plus Nachspielzeit – wird es genau jene Tranisitzonen geben, die in der Union schon 2015 diskutiert wurden: Asylbewerber, die schon anderswo einen Antrag gestellt haben, werden in Grenznähe zusammengefasst und ihr Antrag kann dann schnell bearbeitet und entschieden werden. Damit entfällt die Möglichkeit, über ein Hinauszögern und Nicht-Erscheinen die Entscheidung zu unterlaufen, weil nach drei Jahren ohnehin die Duldung und damit der dauerhafte Zugang zum Sozialstaat inklusive lebenslanger Rente garantiert ist. Es gibt dafür unterschiedliche Namen, mal hießen sie „Hotspots“ und sollten in Griechenland eingerichtet werden, zuletzt „Ankerzentren“ und jetzt also wieder auf Anfang. Und zwar wirklich. Denn es könnte eine wirkungsvolle Variante sein, um den Missbrauch zu stoppen: Noch kann man sich den Daueraufenthalt buchstäblich ersitzen. Jetzt gibt es ein Signal, das als Anti-Selfie zu Merkels Einladung an Alle wirkt: So einfach ist das nicht mehr mit dem Zugang nach Deutschland. Auch wenn es nur einige Wenige vorerst betrifft. Es zeigt sich, wie mühsam es ist, Merkels Grundfehler der Einwanderung zu korrigieren – ein großer Fehler kann nur in Mini-Schritten korrigiert werden. Man kann es ja auch jämmerlich nennen. Vor allem, weil das Spiel noch nicht zu Ende ist.
Der Ball und das Problem liegen jetzt bei der SPD
„Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern.“, so Seehofer weiter, er sei froh, dass diese Einigung gelungen sei. Im Hintergrund steht Edmund Stoiber fast so, als hätte er den jüngeren der beiden Älteren ein bisschen hingeschoben ans Mikrofon, hingeschoben zum Kompromiss. Aber Stoiber ist an Erfahrung kaum zu überbieten – und nicht emotional so angegriffen wie Seehofer nach diesem Drama.
Dabei bleiben ein paar Fragen offen:
Die SPD hatte damals die Transitzentren abgelehnt. Möglicherweise bleibt sie dabei. Dann hat sie den schwarzen Peter. Denn während 2015 noch viele Bürger begeistert von dieser Zuwanderung waren – mittlerweile zeigen sich die Nachteile: Steigende Kriminalität, steigende Kosten, Belastung in den Schulen, auf dem Wohnungsmarkt und bei der Job-Suche, wo schwer vermittelbare, wenig qualifizierte Einheimische jetzt mit Zuwanderern um Mindestlohn-Jobs konkurrieren müssen.
Die Begeisterung hat sich abgeflacht. Gerade bei der Kernwählerschaft der SPD, was sich in ihren katastrophalen Wahlergebnissen und noch schrecklicheren Wahlprognosen niederschlägt.
Damit hat Seehofer das Spiel doch noch verändert. Denn der Vorwurf an ihn war, dass Angela Merkel ja nicht der wirkliche Gegner sei – sondern die SPD. Wenn es dabei bleibt, was wir jetzt wissen, dann liegt der Ball nun bei der SPD. Blockiert sie das Vorhaben, schnell Asylentscheidungen herbeizuführen und Rückführungen anzuschließen, dann ist es die SPD, die diese Regierung verlassen müsste. Aus ist es mit der Rolle des stillen Beobachters, der sich über das Desaster der CDU freut.
Müssen jetzt SPD-Minister zurück treten?
Allerdings scheint es eine Lösung zwischen Merkel und Seehofer gegeben zu haben, die im gemeinsamen Koalitionsausschuss mit der SPD noch keineswegs die Zustimmung sicher hat. Wie auch? Und so sieht es aus: Werden nun also als nächstes die SPD-Minister ihre Posten vakant stellen? Wird Heiko Maas seinen Reiseposten ebenso wagemutig wie couragiert in die Waagschale werfen wie Seehofer? Kaum vorstellbar. Und die Parteivorsitzende Andrea Nahles hat ja schon vorgebaut: Man könne halt nicht alle aufnehmen, hat sie gesagt – in den Entrüstungssturm ihrer Partei hinein.
Und so gibt sich Seehofer siegessicher. „Es hat sich wieder einmal gezeigt, es lohnt sich für eine Überzeugung zu kämpfen.“, so begründet der Innenminister das teilweise chaotische Hin und Her der letzten Tage. „Das, was jetzt vereinbart ist, ist wirklich eine klare, für die Zukunft sehr, sehr haltbare Übereinkunft.“ In allen drei Punkten entspreche die Übereinkunft der Vorstellung des CSU-Parteivorsitzenden. Dieses Ergebnis erlaube es ihm, das Amt des Innenministers weiter zu führen.
Auch Merkel scheint mitzuspielen. Merkel und Seehofer nennen es gemeinsam einen „letzen Baustein in einer Asylwende“. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer verkündet die Einigung: „Wenn diese Verwaltungsabkommen nicht realisiert sein können … dann wollen wir die direkte Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze vornehmen. Allerdings auch auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich. Ich glaube, dass dies in einer hervorragenden Art und Weise eine Lösung ist, die sicherstellt, das wir die Migration nach Deutschland begrenzen und dass wir auf der anderen Seite die gute Nachbarschaft mit Europa wahren.“
Na gut. Es scheint sich etwas zu bewegen. Und Seehofer kann noch einen Verdienst für sich verbuchen, den man nicht zu gering schätzen darf: Er hat offengelegt, wie zäh und verbissen und mit welcher passiven brutalen Gewalt Merkel ihre Positionen durchzuringen bereit ist. Seit diesen Tagen wird diese Frau niemand mehr für eine unschuldige Selfie-Fee des humanitären Imperativs halten können. Denn die Auseinandersetzung geht weiter: Wenn es jetzt zum Streit mit der SPD kommt – an wessen Seite wird Angela Merkel stehen?
Und auch das Spiel um die Asyl-Wende geht weiter: Unmittelbar nach den Erfolgs-Pressekonferenzen der CDU/CSU tritt der Koalitionsausschuss mit der SPD zusammen – und die hat heute in ihrem 5-Punkte-Programm genau jene Transitzentren ausgeschlossen. Die SPD will keinerlei Reform in dem Bereich … Ich wette keinen Cent auf diese Regierung.