Tichys Einblick
Blume brachte Farbe in Maischbergers Grau

Maischberger: Einer alleine gegen die Macht der Betroffenheit

Markus Blume, der oft so stocksteif und aalglatt wirkende CSU-Generalsekretär, zauberte mit wenigen Sätzen eine große Bedröppelung auf die Gesichter der Teilnehmer einer öffentlich-rechtlichen Plauderrunde und geht als Sieger vom Platz.

Screenprint:ARD/maischberger

Viele hätten es kaum für möglich gehalten, einmal vor Markus Blume den imaginären Hut ziehen zu müssen. Jedenfalls zauberte der oft so stocksteif und aalglatt wirkende CSU-Generalsekretär mit wenigen Sätzen eine große Bedröppelung auf die Gesichter der Teilnehmer einer öffentlich-rechtlichen Plauderrunde. Wir steigen gemeinsam mit dem 43-jährigen direkt bei Maischberger ein, wo der Asylstreit zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer diskutiert werden soll. Nach einem erwartbar ermüdendem Geplänkel und einer Reihe banaler Küchenpsychologien rund um Grenzabweisungen von Zuwanderung zwischen Bundeskanzleramt und Innenministerium reicht es Blume:

„Wir führen gerade eine absolute Elitendiskussion: Wer überlegt sich gerade, was und aus welchen taktischen Momenten und welche Strategie ist dahinter. (…) Ich glaube, man sollte die Frage einfach als das behandeln, was sie ist: Nämlich für die ganz große Mehrheit der Bevölkerung eine, die nach wie vor ungelöst ist. Und ich bitte einfach zu akzeptieren, dass sich Politiker jetzt an diese Aufgabe machen, das nicht mehr wegmoderieren, auch nicht zulassen, dass es einfach irgendwie im Raum steht, sondern sagen: Wir haben ein dickes Thema. Viele Menschen haben in den letzten Jahren das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates verloren. Haben Zweifel, ob wir auch an der Grenze mit der notwendigen Konsequenz unterwegs sind, ob wir denjenigen, die kein Bleiberecht in unserem Land haben, auch mit der notwendigen Konsequenz des Rechtsstaates begegnen. Viele Fragen, die da zusammenkommen. Und es ist doch offenkundig so, dass die große Mehrheit in diesem Land nach wie vor nicht das Gefühl hat, das wir diese Sache im Griff haben. Wenn man dann antritt und sagt, wir lösen das jetzt, dann kann man doch jetzt nicht ständig eine Diskussion darüber führen, welche parteilichen Motive liegen da noch dahinter.“

Besagte von Blume düpierten weiteren Gäste bei Maischberger sind der Grünen-Parteichef Robert Habeck, Journalist Gabor Steingart, Rolf-Dieter Krause, der einmal ARD-Studioleiter in Brüssel war, Spiegel-Journalistin Melanie Amann und Elmar Brok (CDU), Methusalem im Europa-Parlament, der – man will es kaum glauben – seit 1980 in Brüssel Politik macht.

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Nun sprach Blume und Brok bekam sofort Schnappatmung. Ebenso wie Krause vermisst er bei Blume die Begeisterung über einen Rückgang der „Flüchtlinge“. Brok beherrscht also die einfachsten Rechenarten nicht, die besagen, dass ein plus immer ein mehr ist und dass weniger nicht in Summe weniger bedeutet, sondern eben einfach immer mehr, wenn kaum jemand abgeschoben oder an der Grenze zurückgewiesen werden kann, wenn keine Bleibeperspektive vorliegt. Ebenso ignoriert Brok prominente Warnungen über neue Flüchtlingswellen bzw. gleich die gesamte Debatte, um die es ja bei Maischberger gehen soll: Die Grenzen sind nicht gesichert, es kann kommen, wer will. Wir stehen gerade einmal am Anfang der Diskussion, dann, wenn sich die Politik noch nicht einmal einig darüber ist, ob Migranten, die schon anderswo Asyl beantragt haben, das in Deutschland nach Belieben wiederholen dürfen. Brok hat sogar noch die Traute, von einer „dramatischen Verbesserung der Situation durch verschiedene Maßnahmen“ zu sprechen. So etwas darf man wohl als Nachdenken „Made in Brüssel“ bezeichnen.

Für Maischberger bringt die CSU den Streit in die Eskalation. Wenn schon sie es nach etlichen hässlichen Diskussionsrunden nicht besser wissen müsste, wer hier was und wann eskaliert hat, wer dann? Die CSU braucht die Krise, um sich abzugrenzen, sagen Brok und Krause. Zwei Motivationsforscher im Rentenalter, die, was sich aus diesem Staatsversagen in der Zuwanderungsfrage für Deutschland ergeben wird, demografisch gar nicht mehr erleben werden. Darf man das verantwortungslos nennen?

Angela Merkel bittet Macron darum, seine Asylbewerber, die in Frankreich Antrag gestellt haben, zurück zu nehmen, sie bittet also um nichts anderes, als die Einhaltung von Vereinbarungen, dafür soll sie ihm dann als Gegenleistung ein Budget für die Eurozone zugesagt, ohne das freilich mit ihren Koalitionspartnern abgesprochen zu haben oder im Parlament diskutieren zu lassen. Die CSU protestiert. Der ehemalige ARD-Studioleiter bestätigt Maischberger noch darin, dass die Partei Seehofers damit nur die Krise am köcheln halten will.

Einfach gedacht
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Und wenn man einem wie Brok zuhört, dann darf man sich schon die Frage stellen, woran das eigentlich liegt, dass dort, wo vielleicht über die Jahrzehnte hinweg Altersweisheit hätte entstehen können, nur  eine lähmenden Mehltau-Sturheit verpackt in einfachsten, in Slow Motion vorgetragenen Sätzen erkennbar ist. Nein, so etwas braucht niemand. Und nein, dass ist kein Altersrassismus, nur eine traurige Beobachtung. Robert Habeck nickt immer wieder geflissentlich dazu. Aber es wirkt kaum zustimmend, eher so, wie Altenpfleger hilfreich nicken, wenn die Sätze der Betreuten doch allzu zäh dahinplätschern. Eine aufmunternd empathische Geste. Mehr nicht.

Immerhin weiß Krause: „In der Migrationsfrage wird die Vereinbarung mit Frankreich nicht so viel bringen. Die wenigsten Flüchtlinge kommen über die Grenze aus Frankreich, da kommen sehr viel mehr über die österreichische Grenze.“ Sehr viel mehr? Eben noch hieß es doch von Brok, es gäbe dramatische Rückgänge. Nun ja.

„Die Frage ist, wie können wir in dieser in Auflösung befindlichen Welt, wo finden wir unseren Halt, wo finden wir unsere Bundesgenossen …“ Herrje, man schafft es kaum zuzuhören. Ein Sound, wie nach der Apokalypse, dann, wenn die liebe Sonne einfach nicht mehr scheinen will. Das Euro-Zonenbudget sei doch lange nicht das, was Macron ursprünglich wollte, das sei doch nur ein wenig Entgegenkommen Deutschlands. Bisher wohl zweistellige Milliardenbeträge werden von Krause erzählt, als würde es sich nur um so etwas wie die Flasche trüben Bio-Apfelmost handeln, die Krause unaufgefordert zum Enkelgeburtstag mitschleppt. Bezeichnende Szene, als die Kamera die Hände von Brok einfängt: Der dreht zu Krauses Ausführungen perfekt Däumchen. Daumen kreist um Daumen in Vollendung. Brüssler Schule?

Das Merkel-Ultimatum
Auch Spiegel-Journalistin Melanie Amann, die wie Blume einer anderen Generation angehört, kann es kaum noch aushalten und beendet die Märchenstunde: „Aber jetzt muss man noch einmal fairer Weise sagen, dass durch die CSU eine Bewegung auf europäischer Ebene rein gekommen ist, die auch Herr Brok in Jahrzehnten seiner Karriere im europäischen Parlament nicht angestoßen hat.“ Und dann lacht sie herzerfrischend. Ja, man kann diesen ganzen Wahnsinn auch mit Humor nehmen, sollte man vielleicht sogar.

„Die Willkommenskultur ist erloschen. Viele Deutsche sehen, es gibt große Schwierigkeiten bei Behörden und Gerichten, mit der Flüchtlingspolitik umzugehen und es besteht bei vielen der Eindruck, dass das von der CDU zu sehr beschönigt wird, unter den Teppich gekehrt wird.“, sagt Melanie Amann. Allerdings hält Amann die Diskussion der CSU um Zurückweisungen an der Grenze für einen „Mini-Popanz“. Amann glaubt schon, dass die CSU das größere Problem ist, denn sie würde den Leuten suggerieren, dass, „wenn wir nur zurückweisen an der Grenze, dann wäre alles in Ordnung.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Oder doch: Amann findet es einen Skandal, dass um einen 63-Punkte-Plan gestritten wird, den überhaupt noch niemand kennt.

Habeck findet, dass man die „Ängste, Sorgen und Nöte“ der Menschen anerkennen muss, auch, wenn sie keinen objektiven Grund haben, wenn sie „eine subjektive Wirklichkeit darstellen“. So etwas Arrogantes wie Freches muss man sich trauen. Wie ein Faustschlag ins Gesicht derjenigen, die der ideologischen Leitlinie der Grünen und der grünen Bundeskanzlerin nicht mehr folgen wollen. Aber natürlich auch ein Faustschlag ins Gesicht der Eltern der von Zuwanderern Ermordeten, der vergewaltigten und gedemütigten Mädchen. Also dieser täglichen „Einzelfälle”. Habeck findet im Übrigen, wenn man diese „Ängste, Sorgen und Nöte“ thematisiert, dann stärkt man damit automatisch die AfD. Er will nicht, dass beschönigt wird, aber er will beschönigen, um die AfD nicht noch größer werden zu lassen. Gefangen also im Hamsterrad des selbst konstruierten Irrsinns.

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Für Habeck ist die Zeit, die wir gerade erleben, nicht etwa existenziell wegen der Folgen der anhaltenden Massenzuwanderung ab 2015, sondern wegen Trump und Europakrise. Den kolateralen Schaden hätte die CSU verursacht, dass hätte dazu geführt, dass die Leute sagen, „die haben den Schuss nicht mehr gehört.“ Dass nun seine Wahl zum Parteichef der Grünen auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass der kolaterale Schaden, den seine Vorgänger(innen) in der Beurteilung der Zuwanderungskrise verursacht haben, dem Bürger nicht mehr vermittelbar war, blendet er aus. Und wird so also ebenfalls unvermittelbar jenseits einer ideologiegläubigen grünen Stammwählerschaft.

Nun aber Steingart nach Amann mit der nächsten Watsche gegen Brok und Krause. An Brok gerichtet: „Das war die charmanteste Art (…) von Fake-News, die ich gehört habe, dass wir bei 95 Prozent dessen sind, was in der Spitze der Flüchtlingswelle war. Wir reden von 200.000 Leuten, die pro Jahr rein kommen, das ist drei Mal Marburg oder einmal Kassel oder Rostock, was dazu kommt und das bekümmert die Leute.“ Blume ergänzt: „Am Ende kann Politik nicht anders, als einfach mal zu liefern.“

Nun wirft Habeck Blume mit Recht vor, dass dieser einem Papier zugestimmt hätte innerhalb der CSU, dass er selbst nicht einmal lesen durfte. Klar, es kann ja nicht sein, dass Seehofer seinen Generalsekretär in eine Talkshow „schickt“, ohne dass dieser gelesen hat, was hier diskutiert wird. Nun wollte Seehofer sein 63-Punkte-Masterplan-Papier schon vor Tagen öffentlich präsentieren, bevor die Kanzlerin dazwischengrätschte. Also muss es den Entwurf mindestens geben. Aber kann Blume deshalb der Kanzlerin den schwarzen Peter zuschieben? Das immer irgendwie schmerzverzerrte Gesicht, dieses Leiden an der Welt und die feuchten Augen des Herrn Habeck sind schon beeindruckend. Ist das echt? Oder Method Acting?

Das ganze Chaos der Bundesregierung wird da deutlich, wo Krause Blume widerspricht, der gerade erläutert, dass Zuwanderer, die in einem anderen europäischen Staat schon Asyl beantragt hätten, schon an der Grenze abzuweisen seien. Krause findet das ganz und gar nicht. Wenn es nach Krause ginge, müssten diese Migranten auch hier erst einmal in ein geordnetes Verfahren durchlaufen, um eben feststellen zu können, was Sache ist. Absurdistan. „Es gibt da durchaus Ausnahmen und Fälle, dass die eben doch reinkommen dürfen.“ Herr Krause will also diskutieren, dass es durchaus Argumente gibt, die Erde sei eine Scheibe. Das mag in seinem beschaulichen Geburtsort Lüneburg tatsächlich so aussehen, wenn er über die Felder schaut, aber wenn er sich einmal der Küste annähern würde, wäre zu erkennen, das die Schiffe am Horizont im Meer versinken – der Rest ist dann nur noch logisches Denken. Und der Mann hat nun ausgerechnet in der Gaußschule sein Abitur gemacht, in Braunschweig!

„Wir überfordern damit die Behörden und die gesellschaftliche Akzeptanz.“, widerspricht Blume diesem offensichtlichen Unsinn. Habeck stimmt Krause trotzdem zu. Natürlich. Der wittert daraufhin wieder Oberwasser und erwidert: „Sie stellen es wider einfacher da, als es ist.“ Die Welt sei komplexer, als die CSU es darstellt.

Null Aufrichtigkeit
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Brok beschreibt dann wider Willen diesen Turmbau zu Babel aus EU-Bestimmungen und nationalem Recht und was auch immer noch dazu kommt auf UN-Ebene: „Wenn man jetzt sagt, man macht das einseitig allein, dann ist große die Gefahr, dass das gesamte komplexe Werk zusammenbricht.“ Na klar, weil die Bürokratie aus Brüssel so kompliziert ist, weil so viele Player ihre Pfründe sichern wollen, rührt man die ganze Thematik der Massenzuwanderung einfach nicht mehr an. Besser kann man kaum erzählen, warum die Aufregung um ein paar simple Lösungen der CSU allenthalben so groß ist. Auch wenn er es ganz anders meinte, wollen wir an der Stelle einen Punkt machen. Die Sendung ging zwar noch weiter, aber was zu hören war, soll an dieser Stelle ausreichen.

Vielleicht so viel noch: Markus Blume weist noch darauf hin, dass der Bundesinnenminister bereits Zweifel dran angemeldet hat, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Obergrenze zu halten sei, wenn nichts Entscheidendes passieren würde. Und Blume ergänzt weiter, dass Deutschland im Vergleich zu den übrigen europäischen Staaten nach wie vor überproportional viele Zuwanderer aufnehmen würde. Zu wünschen wäre gewesen, er hätte noch viel expliziter drauf hingewiesen, woran das eigentlich liegt. An der tollen Fußballmannschaft jedenfalls nicht. Wohl doch eher an den für viele Menschen aus ärmeren Ländern wie ein Schlaraffenland wirkenden Sozialstaat.

Und damit ist dann ebenfalls klar: Grenzabweisungen reichen nicht. Folgen muss die Umwandlung der Bargeld- in Sachleistungen und Lebensmittelscheine. Denn erst, wenn die Anreize für eine Migration in das deutsche Sozialsystem ausbleiben, wird sich herauskristallisieren, wer wirklich einen Asylgrund hat und wer aus wirtschaftlichen Gründen vorstellig wird.

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