Österreich ist das einzige westliche Land, dessen Politiker die Brücke zu Putins Russland nie abbrechen ließen und wo das Gesprächsklima zuletzt noch leicht besser wird. Sebastian Kurz war neulich bei Putin und spricht nun zum zweiten Mal mit ihm während des Wien-Besuchs.
Zu den handfesten Interessen sagte Putin im ORF-Interview:
Österreich ist ein traditioneller zuverlässiger Partner von uns in Europa. Auch in den letzten Jahren ist der Dialog trotz aller Schwierigkeiten nicht abgerissen, weder der politische Dialog noch der Dialog über Sicherheits- oder Wirtschaftsfragen. Im letzten Jahr ist das Handelsvolumen zwischen unseren Ländern um 40,5 Prozent gewachsen. Es gibt immer mehr österreichische Investitionen in Russland. Wir sehen das als Vertrauensbeweis in die russische Wirtschaftspolitik. Wir verwirklichen Großprojekte.
Auf die Frage, warum Putins Partei Beziehungen zu EU-kritischen Parteien wie der FPÖ, der Lega und anderen unterhält:
Wir verfolgen nicht das Ziel etwas oder jemanden in der EU zu spalten. Wir sind vielmehr daran interessiert, dass die EU geeint ist und floriert, weil die EU unser wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner ist. Und je mehr Probleme es innerhalb der EU gibt, desto größer sind die Risiken und Unsicherheiten für uns. Wir müssen im Gegenteil die Kooperation mit der EU ausbauen. Wir entscheiden pragmatisch, ob wir mit jemandem politisch zusammenarbeiten, enger zusammenarbeiten als mit anderen. Wir versuchen, mit jenen zu kooperieren, die selbst öffentlich den Wunsch äußern, mit uns zusammenzuarbeiten. Nur darin sollten Sie die Gründe für politische Kontakte, für Kontakte zwischen unseren Parteien und Bewegungen und jenen in Europa suchen – und nicht im Wunsch, etwas in der EU zu destabilisieren oder zu behindern. […] Ich wünsche mir, dass Österreich und andere EU-Länder sich diese Idee aus dem Kopf schlagen.
Nach dem Verhältnis zu Donald Trump fragt Wolf und Putin antwortet:
Herr Trump ist schon seit eineinhalb Jahren im Amt und es gab noch nie ein bilaterales Treffen zwischen Ihnen, einen bilateralen Gipfel, obwohl Sie Bush und Obama, als sie neu waren als Präsidenten, schon innerhalb eines halben Jahres getroffen haben. Warum dauert es mit Herrn Trump so lange?
Das müssen sie unsere Kollegen in den USA fragen. Meiner Ansicht nach ist das die Folge des heftigen innenpolitischen Kampfes in den Vereinigten Staaten. Erstens sind Trump und ich mehrmals bei verschiedenen internationalen Foren zusammengetroffen. Und zweitens telefonieren wir regelmäßig. Bei einem unserer letzten Telefongespräch hat Donald gesagt, dass er sich Sorgen wegen der Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs macht. Ich bin da ganz seiner Meinung. Diese Entwicklung haben, wie Sie wissen, nicht wir initiiert. Nicht wir waren es, die aus dem ABM-Vertrag, der Raketenabwehrsysteme verbietet, ausgestiegen sind. Wir haben nur auf die Bedrohungen geantwortet, die in diesem Zusammenhang gegen uns entstanden sind. Aber ich bin mit dem US-Präsidenten einer Meinung, dass wir nachdenken sollten, wie man einen neuen Rüstungswettlauf verhindern kann. Und ich hoffe, dass diese Arbeit tatsächlich beginnt – auch zwischen uns Präsidenten persönlich.
Im Interview geht es natürlich auch um die Krim, die Ukraine, den Abschuss der MH17 von Malaysia Airlines, Syrien, Naher Osten, Nordkorea und die behauptete Einflussnahme von russischen Hackern auf den US-Wahlkampf. Alles hier nachzulesen oder zu sehen und hören.
Ein bemerkenswertes Interview schon allein deshalb, weil deutsche TV-Leute Frau Merkel nicht fragen würden wie Armin Wolf und Frau Merkel sich nicht so fragen ließe wie Wladimir Putin.