Gut, manches wiederholt sich schon, wenn Journalisten bei Österreichs Kanzler Sebastian Kurz in dessen holzgetäfeltem Büro ankommen und erst einmal über die schlichten skandinavischen Möbel staunen. Als journalistische Warmmacher gelten dann auch für die Welt am Sonntag Fragen nach dem Alter und der unvermeidliche Vergleich Kurz mit Macron.
Beides beantwortet der Bundeskanzler nach dem Baukastenprinzip mit Sätzen wie aus der Retorte. Viel interessanter ist hier die Virtuosität, mit der Sebastian Kurz mit den Medien spielt. Gibt es etwas zu verlautbaren, das von ihm nicht mal eben via Twitter in die Welt geschickt werden kann, werden schnell ein paar Journalisten ins Allerheiligste vorgelassen – die richtigen Fragen kommen dann schon automatisch, irgendwann.
Und wenn Macron und Merkel ein gemeinsames Papier über die Reform der Euro-Zone auf den Tisch legen wollen, dann rät er den beiden, zu bedenken, was passieren könnte, wenn „25 Mitgliedsstaaten den Eindruck gewinnen, dass sie keine Möglichkeit mehr haben mitzugestalten, dann könnte die Stimmung auch kippen.“
Kurz lässt im Übrigen gegenüber der Welt am Sonntag erneut keinen Zweifel daran, was nach wie vor für die größten Spannungen innerhalb der EU verantwortlich ist: Die „Flüchtlingskrise”. Und ohne, dass es noch nötig wäre, Merkels Namen zu nennen, folgt der Frontalangriff à la Kurz: „Es gibt in der EU immer die moralisch Überlegenen, die glauben, andere erziehen zu müssen.“ Diesen Zustand zu beenden, wird der kommende EU-Vorsitz Österreichs als Aufgabe betrachten, so der Bundeskanzler des Nachbarlandes.
Angela Merkels Zuwanderungspolitik, ebenso wie einer Verteilung der Zugewanderten nach Quoten, erteilt Kurz erneut eine Absage. Jetzt gelte es, die Grenzen zu schützen: Was wirklich wichtig sei, ist der „Schutz der EU-Außengrenzen.“ Die Quotenreglung sei insbesondere schon deshalb unrealistisch, wenn der „Zustrom der Vorjahre nicht berücksichtig(t)“ würde.
Nun will sich auch Kurz dafür einsetzen, die EU-Grenzschützer von Frontex auf 10.000 Mann auszustocken, aber er meint es ernst, wenn er moniert, „das angepeilte Zieldatum 2027“ sei viel zu spät dafür. Besser kann man den Irrsinn und die Trägheit Brüssels kaum auf den Punkt bringen, wenn es fast ein Jahrzehnt dauern soll, ein paar tausend Grenzschützer aufzubringen, während weiterhin hunderttausende Zuwanderer unbehelligt die weitestgehend ungeschützten Grenzen hinein in die europäischen bzw. in die deutschen Sozialsysteme überschreiten.
Mindestens ebenso wichtig wie eine viel schnellere Umsetzung, ist Kurz ein „klares politisches Mandat“ für Frontex, wenn die EU „effektiv gegen illegale Migranten“ vorgehen will. Illegale sollen laut Kurz gestoppt, versorgt und dann „unverzüglich in das Herkunfts- oder Transitland zurückgeschickt“ werden. Schlepperboote dürfen sich nach Kurz überhaupt nicht mehr über das Mittelmeer auf den Weg machen. Über das Mittelmeer allerdings machen sich zur Zeit fast ausschließlich europäische NGOs auf den Weg, die Schlepper schicken lediglich Schlauchboote maximal ein paar hundert Meter hinaus in internationale Gewässer.
Nun ist Österreich eines der kleineren Länder der EU. Schon deshalb betont Kurz die Funktion seines Landes als Brückenbauer, die nicht unterschätzt werden sollte: Wir nehmen „unsere Rolle als Brückenbauer zu unseren Partnern im Osten und Südosten ernst.“ Allerdings plädiert Kurz auch für beschleunigte Aufnahmeverhandlungen mit dem Balkan, speziell mit Serbien, Albanien, Mazedonien und Montenegro. Seine Begründung: Der Einfluss der Türkei und Russlands dürfe hier nicht noch größer werden. Erdogans jüngster Auftritt in Sarajevo hat also auch für Sebastian Kurz durchaus mehr als nur eine symbolische Bedeutung gehabt. Kurz wird sie als Drohung verstanden haben.
EU-Europa darf daher durchaus auf eine österreichische Ratspräsidentschaft 2018 gespannt sein, die am ersten Juli dieses Jahres beginnt und bis zum 31. Dezember Zeit hat, die versprochene Wirkung zu entfalten. Nun, allzu große Hoffnungen müssen damit nicht zwangsläufig verbunden sein, bedenkt man, dass aktuell die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft 2018 besteht, von der wenig bis kaum Signale ausgegangen sind.
Wird es Österreich routinierter und besser hinbekommen, seine Zielmarken zu verfolgen und mit maximal möglichem Druck einen deutlicheren Fingerabdruck zu hinterlassen?