Tichys Einblick
Nicht jammern, machen!

Blütezeit für Nörgler und „Ma-Mü-Ma-Bürger“

Es scheint in der deutschen Natur zu liegen, dass wir grundsätzlich über alles meckern und jammern können und das auf höchstem Niveau: Über das Wetter, über die Politik und über den Nachbarn von nebenan.

Ich finde, wir leben in einem wunderbaren Land, das Deutschland heißt. Das kann man nicht oft genug betonen. Gerade jetzt, wenn wir uns über gelben Blütenstaub auf unseren Autos und Balkonen stundenlang echauffieren und aufregen können. Es scheint in der deutschen Natur zu liegen, dass wir grundsätzlich über alles meckern und jammern können und das auf höchstem Niveau: Über das Wetter, über die Politik und über den Nachbarn von nebenan.

Wir Deutschen sind ein Volk, das nie mit sich zufrieden ist und immer das sprichwörtliche Haar in der Suppe sucht oder findet. Wir können jammern, schimpfen und kritisieren, oft stundenlang, und übersehen doch das, worüber wir uns freuen könnten. Es ist Blütezeit in Deutschland. Nicht nur die Bäume, Sträucher, Wiesen und Blumen blühen, auch unser Land blüht auf.

Die Wirtschaft floriert, die Arbeitslosenzahlen sinken in den Keller, das politische Fahrwasser ist nach den ewigen Koalitionsverhandlungen stiller geworden und die Fußball-WM steht vor der Tür. Wir sind schon jetzt Exportweltmeister. Kurzum: Uns ging es finanziell und wirtschaftlich noch nie so gut wie heute.

Eine Dankbarkeitskultur felt

Stattdessen beschäftigen wir uns lieber mit Nörgeln und Jammern. Was uns fehlt, ist eine Dankbarkeitskultur. Es gibt mehr als genug, wofür wir überaus dankbar sein könnten. Aber ein Danke, dass die Blumen so schön blühen, das hört man selten. Ärger darüber, dass das Auto jetzt ja schon wieder in die Waschanlage muss und dass der Blütenstaub überhaupt zu einer wahren Qual geworden ist, hört man hingegen an jeder Ecke.

Auf dieser Erde gibt es Millionen von Menschen, über deren Köpfen Gewehrkugeln, Granaten, Raketen oder Feuerbälle regnen und wir beschweren uns, weil Blütenstaub auf unsere Köpfe fällt. Der Herrgott hat uns alles gegeben und geschenkt, was sich ein Mensch wünschen kann: Sicherheit, Meinungsfreiheit, Demokratie, vor allem aber auch genügend Essen und sauberes Wasser zum Trinken. Aber, die Dankbarkeit fehlt.

Vielleicht können und wollen wir gar nicht sehen, wofür wir dankbar sein könnten, sondern viel lieber tadeln und kritisieren. Das ist ja letztlich auch viel einfacher, als sich immer wieder zu bedanken und zu freuen. Das Jammern wurde uns in die Wiege gelegt. Eine Jammerkultur, die weltweit einzigartig ist.

Es ist natürlich bequem, sich aufzuregen, solang man selbst ja keinen Finger krumm machen muss oder gar selbst etwas, oder besser noch sich selbst bewegen muss.
Zur Jammergesellschaft kommt dann also noch die Konsumgesellschaft.

Zur Jammergesellschaft die Konsumgesellschaft

Konsumieren können wir, selber anpacken wird schon kritisch. Das zeigt sich in nahezu jedem deutschen Verein. Es gibt sehr viele, die die Angebote unserer Vereine massenhaft konsumieren. Die eifrig in die Sportkurse gehen, den günstigen Musikunterricht für die Kinder ebenso, wie die kostenlose Lohnsteuererstellung mitnehmen. Die drauf vertrauen, dass die „Gelben Engel“ im Schadensfall vom Automobilclub nicht weit sind und ebenso natürlich die Freiwillige Feuerwehr sofort zur Hilfe bereit steht, wenn es mal brennt.

Der Begriff TEAM ist längst zum Ausdruck für „Toll ein anderer macht’s“ geworden. In vielen Vereinen sind die Bilder, die die Jahreshauptversammlung aller Mitglieder bietet, bedauernswert. Die Stuhlreihen sind meistens karg besetzt, die Liste für Amtsanwärter nur zur Hälfte gefüllt, die Kuchenspenden am Buffet von den Käufern selbst gebacken. Jammern, wenn dann das jährliche Sommerfest ausfallen muss, weil es zu wenig Helfer gibt oder der Vereinsausflug gestrichen wird, weil sich kein Organisator findet, können dann aber nahezu alle Mitglieder im ganz großen Stil.

Was sich auf der Vereinsebene im Kleinen abspielt, zieht sich hoch bis auf die europäische Ebene. Für die EU eintreten? Den stumpfen Parolen von AfD und Pegida Argumente entgegensetzten? Selbst auf die Straße gehen, wenn Rechtspopulisten in Dresden zum Montagsmarsch aufrufen? Lichter- oder Menschenketten nach einem terroristischen Anschlag? Auch Fehlanzeige. Den G20-Protesten in Hamburg, bei denen Linksautonome Steine auf Polizisten warfen und ganze Straßenzüge verwüsteten, mutig entgegentreten? Hausbesetzern in Berlin sagen, dass es nicht rechtens ist, sich in einem Haus zu verkriechen, gegen Polizisten zu pöbeln oder gar gewalttätig zu werden? Für die meisten sind öffentliche demokratische Bekenntnisse unvorstellbar. Wir sind zu Schönwetterdemokraten verkommen, ja sogar teilweise zu „Ma-Mü-Ma-Bürgern“. Das sind für mich diejenigen, die alles kritisieren und sich immer melden mit den Sätzen: Man müsste mal, man könnte mal, man sollte mal.

Häufiger mal ein Danke

Ich möchte mich dieser Gruppe der „Ma-Mü-Ma-Bürger“ nicht hingeben. Ich bin bereit, mich für meine Region, für meine Heimat, für meine Gesellschaft zu engagieren und anzupacken. Ich will meine Fähigkeiten, meine Freizeit und meine Energie in die Waagschale werfen, um für die Gemeinschaft einen Mehrwert zu schaffen und gemeinsam mehr zu erreichen. Dadurch möchte ich auch ein Dankeschön zurückgeben, für alles, was diese Gesellschaft mir gegeben hat, was ich mir vorher nicht vorstellen konnte. Schon der berühmte Präsident John Fitzgerald Kennedy wusste: „Einen Vorsprung im Leben hat, wer da anpackt, wo die anderen erst einmal reden“.

Unser Credo muss also sein: „Nicht jammern und meckern, sondern entschieden anpacken.“ Wir brauchen weniger Nörgler, Kritiker und Jammerer und mehr Macher, mehr Anpacker, mehr Vorweggeher. Das soziale Ehrenamt ist der Kit unserer Gesellschaft. Gemeinschaft kann nur da funktionieren, wachsen und Früchte tragen, wo wir mutig für sie eintreten. Nur wenn wir uns selbst an die eigene Nase fassen, nicht hinter den anderen verstecken, die doch auch mal was machen könnten, können wir auch andere zum Mitmachen und Anpacken aufrufen.

Es müssen ja nicht immer die großen Sprünge sein. Man muss nicht gleich Vorsitzender im Verein werden, auch wenn das Amt natürlich zutiefst löblich und wichtig, gar absolut unabdingbar ist. Sich im Verein zu engagieren, in der Nachbarschaftshilfe die Oma von nebenan zu besuchen, im politischen Dialog mutig die eigene Meinung zu verfechten, das ist es, was unsere Gesellschaft zusammenhält und ihr Kraft gibt.

Nutzen wir doch die Blütezeit im Frühling, um etwas neu zu machen. Gehen wir etwas an. Jeder sein eigenes kleines Projekt, seinen eigenen bescheidenen Beitrag zur Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dann werden wir weniger jammern. Ich weiß, dann öffnen sich auf einmal die Augen und wir sehen, welche Arbeit und aber auch welche große Freude ein gemeinsames Wirken und Walten für die Gesellschaft bedeutet.

Natürlich verdanken wir den Fortschritt auch den Nörglern, denn wie es der Volksmund sagt: Zufriedene Menschen wollen keine Veränderung haben. Wir sollten uns in Zukunft für unsere Heimat, für unsere Gesellschaft und für Deutschland einsetzen. Gerade heute dürfen wir die Menschen nicht vergessen, die sich im Ehrenamt engagieren: Retten, Löschen, Bergen, Schützen. Gerade diese Helden der Gesellschaft brauchen nicht nur unsere Unterstützung, sondern auch unseren Respekt, unsere Achtung und unseren ausdrücklichen Dank.

Deshalb, sagen wir häufiger mal ein Danke. Danke für deinen Einsatz. Danke für deine Arbeit. Danke, dass auch in diesem Frühling die Blumen wieder Blühen.

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