Tichys Einblick
Dokumentation

Rundfunkgebühr: ARD und ZDF vor dem Bundesverfassungsgericht

Rundfunkgebühr vor Gericht: Mittwoch und Donnerstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Modalitäten des Gebühreneinzugs. Wir dokumentieren das Verfahren und einen offenen Brief, der sich gegen den Umfang und die Größe der Sender richtet.

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Die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG in dieser Woche betrifft vier separate Verfahren zur Rundfunkgebühr. In diesen geht es (nur) um die Modalitäten der Festlegung des Beitrages. Die Beschwerdeführer sind etwa der Autovermieter Sixt, der nach der Umstellung auf eine „Haushaltsgebühr“ für jede Servicestation und jedes „Dienstkraftzeug“ riesige Summen entrichten muss.

Juristisch geht es darum bei der Rundfunkgebühr:

Nach Ansicht der Kläger hat die Rundfunkgebühr keine gültige gesetzliche Grundlage. Die Landesgesetze, mit denen er eingeführt wurde, sind unzulässig, weil die als „Beitrag“ bezeichnete Zahlung tatsächlich eine Steuer im Sinne des Art 105 Grundgesetz sei. Für die Erhebung von Steuern ist aber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung der Bund zuständig. Daran wird deutlich, warum die Anstalten so genervt auf jeden reagierten, der von einer Rundfunksteuer sprach: Sie fürchten wohl nicht ganz zu Unrecht, dass der „Beitrag“ eine Steuer ist – und dafür gelten andere Regeln: Steuern dürfen nicht zweckgebunden eingesetzt werden, sondern fließen in den Haushalt ein. Und jährlich bestimmt dann der Bundestag über die Verwendung.

Außerdem sagen die Kläger: Die Berechnungsmethodik der Rundfunkgebühr verstößt gegen die Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 3 GG, weil:

Damit greifen die Kläger an, wie großzügig und ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung die Sender beim Kassieren der Rundfunkgebühr zugreifen. Dabei könnte man heute Nutzung einfach messen.

Sixt auf Gegenkurs zur Rundfunkgebühr

Ein Beschwerdeführer, die Autovermietung Sixt, will wissen:

Ergebnis der Verfahren könnte sein, dass die Rundfunkgebühr in manchen Fällen anders berechnet werden muss; der „Steuer-Theorie“ geben Rechtskundige wenig Chancen. Da wird man die Worte hin- und her drehen, bis es den Anstalten gefällt.

In der Vergangenheit war das Bundesverfassungsgericht sehr rundfunkfreundlich. Im ersten Urteil 1961 hat man die Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk damit begründet, dass es wegen der knappen Kanäle keinen Wettbewerb gäbe, wie etwa bei Zeitungen und Zeitschriften. Das technische Monopol müsse öffentlich organisiert werden, um die Meinungsvielfalt auf diese Weise zu sichern. In weiteren Urteilen haben die Richter die Begründung immer weiter ausgedehnt bis hin zu einer „Bestands- und Entwicklungsgarantie“. Denn die ursprüngliche Knappheit der Kanäle ist mit Kabel und Internet einer Vielzahl von Verbreitungsmöglichkeiten gewichen. Das hat schon was: Der eigentlich Grund entfällt, und dann erfindet man schnell neue. Das Gericht entscheidet eben sehr politisch.

Wissenschaftler kritisieren: zu teuer, zu fett, überflüssig

Diese Haltung des Gerichts hat bereits 2014 der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen scharf kritisiert und das Gericht direkt angegriffen:

„Das Gericht selbst geht jedoch der Sache nach kaum noch wirklich von Alternativen aus. Zur Problematik dieser Rechtsprechung gehört es, dass die Basis der rechtsdogmatischen Folgerungen ausschließlich mit Eigenzitaten belegt wird und weder ökonomische, sozialwissenschaftliche oder sonstige Fachliteratur einbezieht, der Begründungsduktus mithin zunehmend selbstreferentiell erscheint.“ 

ARD und ZDF sind damit Schöpfungen des Gerichts, und ihre mangelnde Bereitschaft zur Reform ist auch auf diesen absoluten Schutz zurückzuführen. Sie haben längst ihren ursprünglichen Auftrag hingegeben und sind ununterscheidbar von den privaten Trash-Sendern. Das Urteil der Wissenschaftler ist verheerend:

„Diese Sender sind von außen praktisch ununterscheidbar von ihren privaten Pendants. Selbst die Namensgebung von Radioprogrammen (beispielsweise „Jump“, „N-Joy“, „YouFM“, „Fritz“) verschleiert oft deren öffentlich-rechtliche Herkunft. Zweitens kann man auch im TV-Bereich kaum die große Zahl an Unterhaltungssendungen als „Lead- in“ zu den gelegentlichen Nachrichten- und Informationsformaten rechtfertigen.“ 

Insgesamt seien ARD und ZDF zu groß, zu unwirtschaftlich, inhaltlich zu wenig vom Privatfernsehen unterscheidbar, weitgehend überflüssig und für die tatsächlich erbrachten Leistungen viel zu teuer. Deutschland hat danach das zweitteuerste Rundfunksystem der Welt. Die Schweiz allerdings wird nach einem Volksbegehren seinen öffentlichen Rundfunk stark abschmelzen – dann sind ARD und ZDF das teuerste Rundfunksystem.

Trotzdem betreiben ARD und ZDF massive Lobbyarbeit, um den Rundfunkbeitrag von derzeit 210 €/Jahr massiv zu erhöhen.

Weitreichende Klage gegen Meinungsdominanz

Eine weitere Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Verstoß gegen die Freiheit der Verbreitung von Meinungen nach Art. 5 GG. Der öffentlich rechtliche Rundfunk habe ein Ausmaß, welches faktisch die freie Verbreitung von Meinungen durch die Bevölkerung unterdrückt bzw. unzulässig behindert. Die Sender seien zu staatsnah, politisch gesteuert. Darin liege eine Gefahr für die Demokratie – schon in der Weimarer Republik sei der Rundfunk von den Nazis erobert und zum Propagandainstrument umfunktioniert worden: die Struktur der staatlichen Sender habe das begünstigt. Auch heute drohe eine staatsnahe Einheitsmeinung. Da die Institution verfassungswidrig ist, ist auch jede Art von Finanzierung verfassungswidrig, nicht nur die Rundfunkgebühr. Es ist ein massiver Angriff, die weiter reicht als die Klage darüber, ob die Gebühr nicht doch eine Steuer ist. Dabei geht es nicht um Finanzierungsdetails sondern die Frage, wie groß der öffentlich-rechtliche Meinungsmachersektor sein darf – braucht Deutschland diese wuchernde Vielzahl von Kanälen, Radiostationen, Internetangeboten, wie sie derzeit öffentlich finanziert werden? Reicht auch weniger, und ist weniger nicht doch mehr für die Demokratie? Der Kläger, der Frankfurter Anwalt Helge Gondesen, hat dazu an die Richter einen offenen Brief gerichtet, den wir in Auszügen hier dokumentieren. Er strebt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, das bislang die Meinungsfreiheit verteidigt hat. Durch ihre Dominanz sieht Gondesen dieses Recht in Deutschland beeinträchtigt.


Dokumentation: Offener Brief

Sehr geehrte Damen und Herren Richter am Bundesverfassungsgericht,

ich habe Verfassungsbeschwerde gegen den Rundfunkbeitrag eingelegt. Nicht wegen der €17.50 im Monat, denn ich zahle gern €17,50 mehr für unser Land, wenn das erforderlich sein sollte, sondern wegen des öffentlichen Rundfunks. Man muss sich Sorgen machen um unsere Zukunft, unsere Freiheit, unser Recht und unsere Demokratie. Diese Errungenschaften unserer Zivilisation sind in Gefahr! Eine Gefahr, die von mehreren Generationen von Richtern aus Ihrem Haus nicht entschieden genug bekämpft wurde.

Sie haben eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Ihnen ist das letzte Wort in unserem Lande anvertraut. Sie haben die Macht der endgültigen Entscheidung. Sie können die von unserem Parlament beschlossenen Gesetze aufheben. Sie können Akte der Regierung zunichte machen und jedes beliebige Urteil eines deutschen Gerichts verändern. Aber diese Macht kann Ihnen langfristig nur überlassen bleiben, wenn Sie zugleich Diener sind. Diener der Verfassung und Diener des Volkes, wie unsere Verfassung es vorschreibt. …

In einigen Jahrzehnten Rundfunk-Rechtsprechung haben Sie diverse Wendungen vollzogen und Unsicherheit gefördert: Anfangs wurden zur Rechtfertigung der Öffentlichen „technische Gründe“ angeführt und diese 25 Jahre danach wieder verworfen. Später haben Sie einen Auftrag des Staates zur „Grundversorgung“ entdeckt und uns belehrt, Grundversorgung bedeute Totalversorgung. Sie haben die Freiheit der Berichterstattung in eine Freiheit der Meinungsbildung umgedeutet. Sie haben einen „freien publizistischen Wettbewerb“ zwischen Staat und Bürgern ausgerufen. Sie haben die „funktionsgerechte Ausstattung des Rundfunks gefordert und zugleich bestätigt, dass diese nicht bestimmt werden kann. 1992 meinten Ihre Vorgänger, weil unser Grundgesetz zu unbestimmt sei, könne leider nur ein „möglichst grundrechtskonformes Ergebnis“ angestrebt werden. Sie haben gemeint, der öffentliche Rundfunk müsse „staatsfern“ sein, dürfe aber nicht „den Kräften des Marktes anvertraut“ werden. Man könne ihn nicht den „gesellschaftlichen Mächten“ überlassen. Der Rundfunk soll nach ihrer Rechtsprechung eine „ausgewogene“, vom Staat kontrollierte „Vielfalt“ widerspiegeln, aber nur „relevanten Meinungen“ zugänglich gemacht werden.

Auch von der Regierung abweichende Meinungen sind relevant

Man fragt sich, wem steht die Freiheit der Berichterstattung zu, wenn nicht der Gesellschaft? Auch die nach Ansicht des Staates „nicht-relevanten“ Meinungen sind von unserer Verfassung geschützt. Es gibt keinen Fortschritt in der Gesellschaft, wenn nur das verbreitet werden kann, was die jeweilige Regierung im Augenblick für „relevant“ erachtet. Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, das gleiche Wahlrecht, die Gleichstellung von Mann und Frau; dies alles waren einmal nach Ansicht der Herrschenden „nicht-relevante“ Meinungen, die nach Ihrem Konzept im öffentlichen Rundfunk keinen Platz gehabt hätten. Schließlich haben Sie 2014 ein Drittel der Stimmrechte in den Rundfunkanstalten offiziell dem Staat überschrieben. Ein Stimmgewicht, mit dem praktisch jedes pluralistisch zusammengesetzte Gremium kontrolliert werden kann.

Ihre Vorgänger haben es einst betätigt: „das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist eines der vornehmsten Menschenrechte und für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend. Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“. Starke und richtige Worte, denen aber leider keine Taten folgten.

Der vom Staat organisierte Rundfunk ist im Wesentlichen Ihre Schöpfung. Wenn das Bundesverfassungsgericht beseitigt wäre, könnte die Regierung den öffentlichen Rundfunk in seiner gegenwärtigen Struktur ohne weiteres übernehmen. Es wären dann vermutlich nur noch ein paar Personen auszuwechseln und schon hätte man den Rundfunk gleichgeschaltet und niemand könnte sich mehr darüber beschweren. (…)

Der staatliche Rundfunk hat eine bedenkliche Geschichte

Leider verschließen Sie sich bisher dieser Erkenntnis. Ihre Vorgänger haben 1961 aus den Verhältnissen in der gescheiterten Weimarer Republik einen Zwang zur staatlichen Organisierung des Rundfunks abgeleitet, obwohl gerade diese Strukturen mitgeholfen haben, die Macht der Nationalsozialisten erheblich zu befestigen. Sie schrieben damals: „Die Zeit von 1933 bis 1945 muss außer Betracht bleiben“. Aber das Gegenteil ist der Fall. Diese Zeit muss sehr genau betrachtet werden. Sie zeigt die extreme Gefährlichkeit eines staatlich organisierten Rundfunks. In allen Diktaturen versuchen die Machthaber zunächst den Rundfunk unter ihre Kontrolle zu bringen. Ein staatlich organisierter Rundfunk leistet einer erneuten „Machtergreifung“ Vorschub. Es ist offensichtlich, dass das Grundgesetz kein „weiter so“ beabsichtigte, sondern die Rechte des Individuums gegenüber dem Staat stärken wollte, der sich in der Zeit von 1933 – 1945 als abscheuliches, massenmordendes, den Einzelnen zum willenlosen Sklaven degradierendes Ungeheuer gezeigt hat.

Nur selten sind Ihnen bisher Zweifel gekommen: „Die Absicht, Äußerungen mit schädlichem oder in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlichem Inhalt zu behindern, hebt das Prinzip der Meinungsfreiheit selbst auf und ist illegitim“. „Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien“.

Wie staatsfern sind Rundfunkräte wirklich?

Die Gefährlichkeit eines staatlich organisierten Rundfunks war Ihren Vorgängern wohl bewusst, als sie schrieben: „Die Beiräte des Rundfunks sind schon 1927 als „Instanzen der Zensur“ bezeichnet worden. Es ist bezweifelt worden, dass diese Verwaltungspraxis mit dem Recht der freien Meinungsäußerung vereinbar war“.
In den letzten Jahren ist Ihnen nicht entgangen, wie Ihr Geschöpf nach und nach ins Unermessliche gewachsen ist und Sie haben die Beachtung der Grundsätze von „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ angemahnt, doch zugleich den Ausbau des öffentlichen Rundfunks zur weltweit größten und teuersten Organisation ihrer Art wohlwollend begleitet. Und dies, obwohl er, statistisch gesehen, nur noch von Zuschauern über 60 genutzt wird. Zu einer wirklichen Begrenzung des immer weiter ausufernden öffentlichen Rundfunks konnten Sie sich bisher nicht entschließen.
Wohlwollend und wohl gemeint ist auch die von Ihnen postulierte Pflicht zur „Wahrheit“. Aber, wie anders sieht leider die Realität aus! Beseelt von dem Wunsch, das Volk zum „Richtigen und Guten“ zu bilden, nimmt der öffentliche Rundfunk auf Tatsachen nur noch gelegentlich Rücksicht. Das fängt bei der Auswahl der zu sendenden Informationen an und endet bei zahllosen vorsätzlichen Falschmeldungen, die dann Tage später im Internet im Bereich „Korrekturen“ zurückgenommen werden.

Sehr verehrte Richterinnen und Richter,

nur die Freiheit der Menschen in unserem Land, wirtschaftlich unbedrängt von zwangssubventionierten öffentlichen Anstalten einen vielfältigen privaten Rundfunk zu schaffen, kann eine Diktatur vielleicht nicht verhindern, würde sie aber erheblich erschweren. Dazu müsste jedoch der allgegenwärtige und übermächtige öffentliche Rundfunk auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Zeigen Sie dem Staat Grenzen auf und geben Sie Rundfunkfreiheit.

Noch ist Zeit!

Frankfurt am Main, April 2018

Helge Gondesen

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