Ein Politiker ohne gedruckte oder gesendete Resonanz ist wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ohne Publizität ist er ein Nichts. Angesichts der existenziellen Bedeutung des Journalismus und der Medien für Politiker, ist das Verhältnis beider Berufsstände von starken Spannungen geprägt.
Sehen und Gesehen werden: das alleinige Erfolgsrezept?
Politiker pflegen Journalistenkontakte. Wer über Herrschaftswissen verfügt, geht damit hausieren, um sich bei als wichtig geltenden Journalisten wichtig zu machen. Wer eine Ansammlung von Journalisten oder gar einen Pulk mit Kameras und Mikrofonen sieht, tänzelt so lange in auffälliger Erregung in der Nähe umher, bis sich ein Journalist endlich seiner annimmt. Solche kleinen Auftritte sind immer am Dienstagnachmittag in Bundestags-Sitzungswochen in der obersten Etage des Reichstages zu beobachten, wenn die Fraktionssitzungen zwischen 14.00 und 15.00 Uhr beginnen. Hier haben beim Medien-Schaulaufen auch die weniger Profilierten die Chance, einen Hauch von Bedeutung zu erlangen.
Bei solchen Anlässen spürt man auch die Gleichgültigkeit von Politikerkollegen am stärksten. Man meint, ein intensives Gespräch mit einem Fraktionskollegen zu führen, doch die Augen des Gesprächspartners irrlichtern immer wieder zu den Pulks der auf lohnende Beute lauernden Journalisten. Wird der Gesprächspartner von einem Journalisten erkannt oder erkennt er selbst einen Medienvertreter, dann wird das tief schürfendste Gespräch augenblicklich unterbrochen. Führt man jedoch selbst ein Gespräch mit einem Journalisten, dann drängt sich zuverlässig ein vorwitziger MdB-Kollege dazwischen. Hier erfahren Politiker die Gier nach Öffentlichkeit mit allen Sinnen.
Das enge Beziehungsgeflecht ist zumeist ein reines Zweckbündnis
Doch auch Journalisten sind gnadenlos. Sie unterbrechen Politiker mitten im Satz, sie drängen sie zu vorschnellen Urteilen, sie verführen sie zur Abgabe von Meinungen. Oft locken sie mit Gerüchten und Halbwahrheiten, um von Insidern endlich das ultimative Herrschaftswissen zu bekommen. Häufig werden Geschäfte auf Gegenseitigkeit gemacht. Der Journalist erhält einen vertraulichen Rechnungshofbericht oder eine geheime Sitzungsunterlage. Dafür platziert er ein Zitat des Abgeordneten in einem Beitrag zu einem ganz anderen Thema. Der Informant will ja nicht als Quelle enttarnt werden. Nach vertraulichen Sitzungen in Koalitions-Arbeitsgruppen, Ministerien oder wo auch immer wird so offen getratscht, dass es an ein Wunder grenzt, wenn vertrauliche Verabredungen auf der Berliner Bühne länger als einen Tag vertraulich bleiben.
Kritisch gefragt oder gar berichtet wird über Spitzenpolitiker meist nur dann, wenn einzelne Repräsentanten gerade am Boden liegen oder in den Umfragen zur Wählergunst absacken. Oder wenn sie zu einer nicht etablierten „Schmuddelpartei“ gehören wie derzeit vor allem der AfD. Dann schlägt für die jahrelang geknechteten Journalisten die Stunde der Rache. Dann werden die journalistischen Messer gewetzt, und jene, die man jahrelang nach oben geschrieben oder gesendet hat, lässt man fallen wie eine heiße Kartoffel. Mitleid mit dem politischen Establishment braucht aber niemand zu bekommen. Für Journalisten wie Politiker ist der Medienzirkus ganz einfach Mittel zum Zweck, und der Zweck ist die Karriere.
Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus
Die Angst vor den sensationsgeilen Hyänen mancher Medien erklärt, warum viele Politiker eine Hassliebe zu Journalisten entwickelt haben. Sie brauchen sie, aber sie schätzen sie nicht. Manche Politiker versuchen, sich die Journalisten vom Leib zu halten, und spielen die einsilbigen Sphinxen oder die arroganten Gockel, die Zuwendung nach Gutsherrenart verteilen. Diese Politiker-Spezies trifft die Rache der gedemütigten Journalisten in Phasen der politischen Schwäche am härtesten. Wieder andere versuchen ihr Glück mit Kumpanei. Viele Politiker und Journalisten reden sich mit dem vertraulichen „Du“ an. Doch die Vertraulichkeit ist meist nur Pose, in Wahrheit geht es um den gegenseitigen Nutzen.
Viele Abgeordnete der zweiten und dritten Garnitur meiden den Kontakt zu Journalisten, weil sie panische Angst davor haben, sich zu verplappern und Steilvorlagen für kritische Beiträge über die eigene Partei zu liefern. Aus Angst vor unliebsamen Äußerungen von Hinterbänklern werden häufig vom Parteiapparat Sprachregelungen ausgegeben: Die ganze Fraktion, die ganze Partei soll zu einer bestimmten Sache mit einer Stimme sprechen. Doch das misslingt im Wechselspiel der Profilneurosen so gut wie immer.
Dabei ist es eigentlich wie im richtigen Leben, so einfach. Gute Journalisten machen ihre Arbeit, indem sie für Transparenz sorgen, Ordnung in die gigantische Informationsflut bringen und Machtstrukturen und Lobbyverflechtungen gerade auch in der Demokratie kritisch hinterfragen und durchleuchten. Dabei wollen sie selbstverständlich ernst genommen und mit ihren Anliegen respektvoll behandelt werden. Wer mit ihnen seriös umgeht, wird in der Regel auch nicht aufs Kreuz gelegt. Wie man in den Wald hineinruft, schallt es bekanntlich heraus. Diese Volksweisheit gilt auch für den Umgang mit Medienvertretern.