Alexander Kraus ist Vorstandsvorsitzender beim Bund der Steuerzahler Berlin e.V. Der studierte Volkswirt schaut also für uns in der Hauptstadt nach dem Rechten, wenn es um die Verringerung von Bürokratie, Steuerverschwendung und Staatsverschuldung geht. Die Presse meldet dann auch immer mal wieder, was dem Bund aufgefallen ist, was er öffentlich gemacht hat, wo die Bürokraten besonders üppig und willkürlich mit jenen Einnahmen haushalten, welche Unternehmen, Arbeiter und Angestellte erwirtschaftet und an den Staat abgeführt haben.
Nun könnte man denken, Kraus und seine Mitstreiter hätten in den letzten Jahren wenig zu tun. Die sprudelnden Steuereinnahmen, niedrige Zinsen und ein sinkender Schuldenberg könnten den Eindruck erwecken, Problem wäre eher, sinnvolle Ideen davon zu entwickeln, wie das viele Geld überhaupt auszugeben sei, als nur akribisch darüber zu wachen, wofür. Tatsächlich läuft die Schuldenuhr am Vereinshaus in Berlin-Steglitz gerade rückwärts. Jede Sekunde um minus fünf Euro.
„Es sieht tatsächlich paradiesisch aus, der Schuldenberg sinkt, der Senat verkündet Überschüsse im Haushalt, die investiert werden sollen. Aber das alles ist nur vordergründig ein Gewinn.“, weiß der Volkswirt mit dem markanten, akkurat gestutzten Henriquatre. Wenn man intensiver in die Materie einsteigen würde, wäre erkennbar, das dem Wähler etwas vorgemacht wird.
Als Beispiel nennt er einen Sonderfond des Landes, für den sich der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hätte feiern lassen. Dafür, das Berlin nun auf Basis dieses Sonderfonds ordentlich investiert. Die Überschüsse wären in diesen Fonds eingeflossen und böten nun Raum für zusätzliche Investitionen. Für Kraus ist das eine Mogelpackung: „Denn was finanziert werden soll, muss auch aus dem normalen Kernhaushalt bezahlt werden. Schulrenovierungen beispielsweise sind keine Investition in die Zukunft, sondern Nachholung unterlassener Ausgaben der Vergangenheit.“
Der Trick hier sei: „Man ruft einen Sonderfonds aus, der dann Aufgaben bewältigt, die sowieso zu erledigen sind. Also fast so, als hätte man es mit einer Ausnahmesituation zu tun, wenn getan wird, was längst hätte getan werden müssen. So wird eine sowieso komfortable Ausgangssituation wie ein Geschenk an den Bürger verpackt.“
Viel schlimmer für Kraus ist aber die generell immer offener zu Tage tretende Überforderung der Berliner Verwaltungen spätestens ab Ende 2015. So wurde das zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Kontrolle der Unterbringungskosten für Flüchtlinge und Migranten nicht ausgeschöpft. Menschen wurden in Hostels untergebracht auf Basis von Kopfpauschalen. „Wir sind der Überzeugung, dass bei dem damaligen Unterbringungsengpass das hoheitliche Preisprüfungsrecht anwendbar gewesen wäre. Antworten auf unsere Anfragen bei den zuständigen Landesbehörden haben bei uns den Eindruck hinterlassen, dass die Vorschriften entweder nicht bekannt waren oder nicht der politische Wille bestand, diese anzuwenden.“
Dabei würde es im Wirtschaftssenat längst eine solche Prüfstelle geben, die bei Auftragsvergaben, wenn kein Markt zustande kommt, schaut, was da passiert um ggf. entsprechend nachzubessern. „Der Staat hat das Recht und die Pflicht, zu schauen und Kosten zu senken.“ Die entsprechende Preisprüfungsverordnung existiere seit 1953. Allerdings müsse der Staat auch 2018 noch bereit sein, zu prüfen. Kraus erzählt, dass das alles kein Geheimnis wäre. Es gibt also keine böhmischen Dörfer für die Verwaltung, „wenn Empfehlung vom Städte- und Gemeindebund schon im Oktober 2015 auf diese Möglichkeit hinwiesen. Passiert sei indes nichts. „Der Senat hatte in einer Abgeordnetenhausdrucksache die Meinung vertreten, dass Vermietungen nicht unter das Preisprüfungsrecht fallen würden. Wir halten das auch nach Gesprächen mit Preisprüfern für falsch.“
Alexander Kraus sagt es deutlich: „Es mangelt an Sachverstand. Bis hinunter in die Berliner Bezirksverwaltungen ein großes Nichtwissen oder nicht wissen wollen. Was hier fehlt ist ein professionelles Erhaltungsmanagement.“ So seien Brücken und Straßen sanierungsbedürftig, aber es gäbe keinen Plan. „Die Bezirke sind riesige Immobilienbesitzer, die mit ihren Immobilien überfordert scheinen. Null Überblick.“
„Wir melden regelmäßig Vorgänge an den Rechnungshof, die wir für Steuergeldverschwendung halten. Leider werden nicht alle Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofes veröffentlicht, so dass wir nicht immer von Ergebnissen erfahren. Aber auch die vom Rechnungshof veröffentlichten Steuergeldverschwendungen führen nicht zwangsläufig dazu, dass sich etwas ändert. Die Senatsverwaltungen sind dann eben „anderer Auffassung“ oder „teilen nicht die Ansicht des Rechnungshofes“, wie man aus deren Stellungnahmen gelegentlich herauslesen kann.“
Konkret schaut der Bund der Berliner Steuerzahler gerade kritisch auf eine Reihe neuer Großprojekte wie den zentralen Omnibusbahnhof. „Hier waren die Planungen schon zu Baubeginn überholt. Weitreichende Umplanungen haben bislang schon zu einer Terminverschiebung um zwei Jahre und einer Verdopplung der Baukosten geführt.“ Ähnliches gelte auch für die Staatsoper. Und da sind wir im Gespräch mit Alexander Kraus noch nicht einmal auf der Flughafenruinenbaustelle angekommen.
Jedenfalls fällt das Fazit des studierten Volkswirtes ernüchternd aus:
„Es wirkt immer öfter so, als würden die Verantwortlichen da wie ungezogene Kinder herangehen.“ Klaus Wowereit hätte 2008 im Abgeordnetenhaus ausgeführt, dass nicht jede Putte durchgeplant werden müsse, den Planern weniger Zeit eingeräumt und Lösungen für Probleme mit dem Haushaltsrecht gefordert. „Konsequenz dieser „Lösungen“: Mehrkosten von 200 Millionen Euro zulasten des Berliner Landeshaushalts und vier Jahre Terminverzug. Die gesetzlichen Regelungen sind da; Regierung und Verwaltung dürfen sich nur nicht darüber hinwegsetzen.“ Wenigstens über die Grundbedingungen und eine irgendwie sinnvolle Aufgabenstellung sollte man sich einig sein, meint Kraus. Und die Kompetenz besitzen, Sachverstand und Aufgabe zum Wohler Aller in Einklang zu bringen. Berlin sei weit davon entfernt.