Krisensituationen machen nicht selten die tatsächlichen Charaktereigenschaften und Befindlichkeiten der Beteiligten sichtbar. So offenbar auch bei unserer Kanzlerin. Nachdem Angela Merkel mit ihrem Alleingang einer unkontrollierbaren Zuwanderung schon präsidialdikatorische Eigenschaften durchblicken ließ, wird die Dünnhäutigkeit und Kritikunfähigkeit der vorgeblich mächtigsten Frau der Welt in der fortwährenden Krise immer offensichtlicher.
Durch die Völkerwanderung vor kaum lösbare Probleme gestellt, regte der bayerische Finanzminister Marcus Söder ein Überdenken des im Grundgesetz verankerten Asylrechts an. Ein solches Überdenken mit dem Ziel einer Änderung zu fordern, ist das gute Recht eines jeden Deutschen. Denn es ist nichts anderes als ein Denkanstoß mit dem Ziel, eine Diskussion über die Anregung zu provozieren – und sich dabei zumindest als Politiker gleichzeitig zu positionieren. Dieses gilt umso mehr dann, wenn der Anregende ein führender Politiker ist, der sehr wohl weiß, dass in der Bundesrepublik Deutschland jede Änderung des Grundgesetzes einer Zweidrittelmehrheit im deutschen Bundestag bedarf. Und selbstverständlich ist Söder nicht so naiv zu glauben, dass er bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen auch nur den Hauch einer Chance hätte, eine Asylrechtsänderung im GG zu erreichen. Also ist des bayerischen Finanzministers Vorstoß letztlich ausschließlich politisch zu verstehen: Er möchte öffentlich aufzeigen, wer sich in der von der Kanzlerin verursachten Situation wie positioniert. Und er möchte gleichzeitig – was in einer um Mehrheiten streitenden Demokratie ebenfalls legitim ist – einige Wähler, die ob ihrer Kritik an der Situation die Neigung entwickeln könnten, sich radikalen Parteien zuwenden zu wollen, im eigenen Stall behalten.
Selbstverständlich mag man darüber streiten, ob der Vorstoß Söders der Sache dienlich ist. Solch ein Streit aber gehört in der Demokratie dazu – er kann im Zweifel nicht nur, er muss ausgefochten werden. Statt nun aber sich mit diesem Vorstoß aus dem deutschen Süden inhaltlich oder auch mit der notwendigen Distanz auseinander zu setzen, begibt sich die Kanzlerin ohne Not in eine Situation, die ernsthafte Zweifel an ihrem Demokratieverständnis aufkommen lassen kann.
Hätte Angela Merkel souverän reagiert, wie es von einer selbstbewussten Bundeskanzlerin zu erwarten gewesen wäre, hätte sie den forschen Landesminister süffisant auf eben jene Zweidrittelnotwendigkeit zur Änderung des Grundgesetzes hingewiesen und ihm bei der Suche nach derselben viel Spaß gewünscht. Söder hätte den Nasenstüber eingesteckt und Merkel die Lacher auf ihrer Seite gehabt.
Statt aber derart souverän zu reagieren holt sie die schon von ihrem Vorgänger vergeblich eingesetzte Basta-Keule aus dem Keller. Eine Änderung des Asylrechts werde es nicht geben, ließ sie verlauten. Basta! Hier spricht nicht mehr die gewählte Bundeskanzlerin, sondern wieder die Präsidialdiktatorin. Denn auch Frau Merkel sollte wissen, dass eine Änderung des Grundgesetzes nicht im Ermessen der Bundesregierung und schon gar nicht im Ermessen des Bundeskanzlers liegt. Das Grundgesetz als fundamentales Recht zur Regelung des Verhältnisses zwischen Bürger und Politik befindet sich uneingeschränkt in der Zuständigkeit der gewählten Abgeordneten. Diese – und niemand sonst – entscheiden mit besagter Mehrheit darüber, was in diesem Gesetz stehen soll.
Entweder also, die Bundeskanzlerin hat uns gerade ihr gar nicht so demokratisches Staatsverständnis demonstriert – oder sie unternahm mit ihrem Basta! den untauglichen Versuch, eine möglicherweise durchaus sinnvolle Debatte über eine Neuregelung des Asylrechts totzuschlagen. Dabei aber hätte sie wissen müssen, dass Kanzler-Bastas in aller Regel das genaue Gegenteil bewirken. Die von Söder gewollte Debatte wird nun erst richtig Fahrt aufnehmen. Und so dokumentiert das Merkelsche Basta nicht nur ihren Mangel an Souveränität, sondern offenbart auch eine ungewöhnliche Dünnhäutigkeit. Merkel ist heftig angeschlagen. Und ihre unsouveräne Reaktion macht deutlich, dass sie bislang noch keinen Weg aus ihrem selbstverursachten Dilemma gefunden hat.