„Bayern kann es auch alleine“ – dieses „Plädoyer für einen eigenen Staat“ ist drei Jahre alt und plötzlich sehr aktuell, seit es durchaus möglich ist, dass sich die Schotten nach 302 Jahren aus Großbritannien verabschieden.
Autor ist Wilfried Scharnagl, ein ebenso erfahrenes, kluges wie raffiniertes Urviech der Politik; einer der Männer, die einst hinter Franz-Josef Strauß standen. Er rechnet vor, dass Bayern mit über 12 Millionen Einwohnern in der Wirtschaftskraft der EU auf Platz 10 rangieren würde. Also gutes Mittelfeld. Zu klein jedenfalls wäre Bayern nicht.
Die Bumser von Südtirol
Viele denken so: Die Basken, die sich jahrelang einen mörderischen Stadt-Guerilla-Krieg mit dem spanischen Nationalstaat lieferten. Die Südtiroler, ein fettes Beutestück, das sich Italien seit 1918 versucht einzuverleiben. Dort hießen in den 50er Jahren die Separatisten „Bumser“ – weil sie mit einem lauten Bummmmmms die Stromleitungen von den Wasserkraftwerken in den Süden gesprengt haben.
Die Katalanen wollen bumsen, ebenso wie die Bürger im Veneto, die sich nicht mehr länger von Rom kurz halten wollen. Vielleicht auch die Bretonen; die Menschen im Roussillon, das durch brutalste Kreuzzüge Paris unterworfen wurde? Erstaunlich: Es sind die Reststaaten der Kelten, die Bayern, Bretonen, Basken, die bumsen. Eine Million Menschen demonstrieren auch in Barcelona. http://www.nzz.ch/international/katalonien-unabhaengigkeit-demonstration-madrid-barcelona-diada-1.18381718 Geschichte folgt ganz langen Strömen im Untergrund. Wer hat noch nicht? Ach ja, die Korsen und Flamen wollen auch frei sein.
Schottland ist dabei, die Büchse der Pandora zu öffnen. Es ist nicht nur irrational. Untersuchungen zeigen, dass kleinere Staatseinheiten effizient sind. Bei 12 Millionen Bürgern liegt die optimale Verwaltungsgröße, danach explodiert nur die Bürokratie. Man könnte die kleinen Staaten sehr wohl weiter unter dem Dach einer europäischen Union halten – die sich dann um die großen Themen kümmert. Die Duschköpfe und Glühbirnen verbleiben also den Bayern und Schotten, ebenso die Schule und die Universität und die Frage, wo das Vogelschutzgebiet hinkommt. Das wäre eine vernünftige Ordnung – die Weltpolitik bleibt in Brüssel, der Regulierung des Taxis in München. Aber so viel Rationalität hat die europäische Politik längst nicht mehr. Dabei würde ein gemeinsames Europa sogar an Kraft gewinnen: Die Europäische Union aus kleineren Einheiten wäre stärker. Heute blockieren ja die großen Nationalstaaten wie Deutschland und Frankreich oft genug die gemeinsame Politik. Aber das würde voraussetzen, dass die Aufgaben zwischen Zentrale und den Staaten neu, subsidiär geregelt wird – der Kleine macht, was er kann, der Große die großen Themen.
Brüssel steigert durch sein grässliches Bevormunden die Gefahr, dass es wirklich bumst.