Tichys Einblick
Selig und selbstgewiss

Joschka Fischer wurde kürzlich 70: „Immer auf der besseren Seite“

Überschwängliches Lob für Angela Merkel, harschen Tadel für Politiker, Heiligsprechung seiner selbst, gepaart mit Altersweisheit und Vortäuschung von Bescheidenheit.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Joseph Martin „Joschka“ Fischer vertraute dem Stern nach seinem Siebzigsten reinste Sottisen an: überschwängliches Lob für Angela Merkel, harschen Tadel für Politiker,  Heiligsprechung seiner selbst, gepaart mit Altersweisheit und Vortäuschung von Bescheidenheit.

Merkel: „Sie hat gewaltig gelernt mit den Jahren und ist eigentlich ein Glück für das Land“.

Politiker: „Sie haben in der Politik mit vielen Idioten zu tun und werden selbst von vielen als Idiot oder sogar Ober-Idiot angesehen.“

Fischer: „Ich wollte nicht Außenminister werden. Ich bin es nur geworden, weil ich wollte, dass die Grünen regieren“.

Fischer: „Ich wurde ja oft verhöhnt: Das Einzige, was er hat, ist ’n Taxischein. Stimmt. Bin ich stolz darauf. Ich habe das Leben kennengelernt, wie es wirklich ist.“

Bei Götz Aly in seinem Buch von 2007: „Unser Kampf 1968″ findet sich im Kapitel „Immer auf der besseren Seite“:

„Wer heute zu den 60. oder 65. Geburtstagen der einstigen Protestgenossen von 1968 eingeladen wird, trifft auf eine muntere, von sich selbst überzeugte Gesellschaft. Viele verklären ihre Vergangenheit als heroische Kampfesphase … rechnen sich einer engagierten, stets den Schwachen, der weltweiten Gerechtigkeit und dem Fortschritt verpflichteten »Bewegung« zu, die das Klima der Bundesrepublik insgesamt positiv beeinflusst und die lange beschwiegene nationalsozialistische Vergangenheit thematisiert habe.

Wenige teilen die Einsicht, dass die deutschen Achtundsechziger in hohem Maß von den Pathologien des 20. Jahrhunderts getrieben wurden und ihren Eltern, den Dreiunddreißigern, auf elende Weise ähnelten. Diese wie jene sahen sich als »Bewegung«, die das »System« der Republik von der historischen Bühne fegen wollten. Sie verachteten – im Geiste des Nazi-Juristen Carl Schmitt – den Pluralismus und liebten – im Geiste Ernst Jüngers – den Kampf und die Aktion.”

Über eine Frankfurter Gruppe von 68ern schreibt Götz Aly:

„Viele der Revoluzzer hatten ein oder gar zwei Jahrzehnte hindurch ihr Glück in einer selbstbestimmten Gegenwelt vermutet. Sie betrachteten sich als subversive Karriereflüchtlinge, als Aussteiger. Erst seit den frühen Achtzigerjahren versuchten viele, die verlorene Lebenszeit aufzuholen. Exemplarisch dafür steht der politische Aufstieg der lange in der linken Schattenwirtschaft tätigen Frankfurter Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit, Tom Koenigs und Thomas Schmid.” 

Fischer gründet bei seiner politischen Karriere bis heute auf seine in der Schule des Lebens, im Taxi, erworbene Weisheit:

„Im Taxi habe ich erkannt, dass der Mensch von extremer Ambivalenz ist: großmütig und hundsgemein in einem.”

Und vom Lohn des Kapitel-Titels bei Aly wird Fischer nach so viel Erfolg aller Voraussicht nach in seinem Leben nie mehr lassen: „Immer auf der besseren Seite“.

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