Tichys Einblick

Anne Will: Antisemitismus? Im Integrationskurs wird über Mülltrennung geredet.

Kleiner geht’s nicht: „Skandal um Echo-Verleihung, Attacke auf Kippa-Träger – verliert Deutschland den Kampf gegen Antisemitismus?“ Eher nicht, denn Kauder plant einen Kippa-Flashmob!

Screenshot ARD

Ganz schön viel Holz für ein Stündchen. Da wollen wir mal versuchen, das auseinanderzuklamüsern und die Aspekte einzeln durchgehen. Fangen wir mit der „Attacke auf Kippa-Träger“ an. Laut der Moderatorin Anne Will „soll“ es sich bei dem Gürtelschwinger um einen Syrer gehandelt haben. Dass der sich längst gestellt, die Tat gestanden hat, und ihm sein schlauer Rechtsanwalt wohl einschärfte, das Ganze als die übliche Rauferei unter jungen Leuten darzustellen, die nichts, aber auch gar nichts mit irgendeiner Kopfbedeckung zu tun hat, ist der studierten Journalistin und ihrem Team in der Vorbereitung wohl entgangen. So weit, so immer. Der Strolch wird dann nur am Ende noch einmal thematisiert, denn irgendwie ging alles durcheinander und gleichzeitig um Gott und die Welt.

Antijüdisch das neue antisemitisch?
Antisemitismus: Zweifel an Statistik nehmen zu
Zunächst durfte Ulf Poschardt („Welt“) darauf hinweisen, dass „unser Haus“, „sehr genau beobachtet“, „seit Jahrzehnten“, „deutsche Geschichte“ „null Toleranz“, „AfD“ – mindestens dreimal erwähnte er, dass er mit seinem Autor Henryk M. Broder gesprochen habe. Wir dachten Ulf sei geladen, weil er über Diskjockeys promovierte, zahlreiche Musikmagazine betreute, daher zum Thema „Echo“ eine Grundkompetenz mitbringt. Brachte er aber nicht.

Noch besser ums Thema herum schwurbelte Volker Kauder, der da saß wie auf einer Beerdigung: „Zunägscht einmal“ … haben er und die Seinen „mehrere Anträge gestellt“, und auch „eine ganze Menge unternommen“. Und sich langsam steigernd, beklagte er, dass „keine jüdischen Einrichtungen ohne Polizeischutz“ auskommen. Gegen dieses Internet hätten wir jetzt Gottseidank nun Heikos Gesetz. Aber „wir müssen in unseren Schulen und pädagogischen Einrichtungen mehr tun.“

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Der neue Antisemitismus und seine Relativierer
Seit 43 Jahren beobachtet der ehemalige Botschafter Israels in der BRD (2001 bis 2007), Shimon Stein, unser Land und stellt fest, es habe „keine Stunde Null“ gegeben nach dem Krieg, der Antisemitismus sei „nicht neu“, und eine „gesamtdeutsche Aufgabe über Generationen“. „Vorurteile gegen Juden“ gebe es seit „Jahrzehnten“, ja, „Jahrtausenden“, und diese abzubauen sei eine „Daueraufgabe“. Kauder, Poschardt und Will nickten betreten. Sie hätten vielleicht zart andeuten können, dass Deutschland und Berlin bis 2015 ein besonders beliebtes Einwanderungsland für Juden geworden ist, es sehr lebendige jüdische Viertel in der alten Reichshauptstadt gibt – wohl nicht wegen, sondern trotz alltäglicher Lippenbekenntnisse aus Politik und Medien.

Schließlich beklagte Stein mit ernstem Gesicht, dass in den „Schulbüchern in Deutschland die Juden keine Kapitel“ haben, „die tauchen erst 1933 auf.“ Zugegeben, wir wissen nichts über den Schulkanon der Generation Schneeflöckchen, aber unsereiner lernte von Pogromen im Mittelalter und besprach Lessings Ringparabel noch im Unterricht.

Näher am eigentlichen Thema der Sendung war erwartungsgemäß Ahmad Mansour, der Psychologe mit der erstaunlichen Lebensgeschichte vom Muslimbruder zum israelischen und deutschen Philosemiten. Antisemitische Ausfälle seien in letzter Zeit schlimmer geworden. „Wir sagen Migranten nicht, was wir von ihnen wollen.“

Willkommen im Land der Müllsortierer
Integration: Deutschsein lernen mit Staatsreligion Mülltrennung
Aber Shimon blieb seiner Agenda treu, für ihn ist das „eine Ablenkung mit den Muslimen“. Ulf sprang ihm bei: „Möllemann“, „AfD“, „die Linke“ und „Erdogan“. Die Linke? Ja, Katja Kipping war auch da und hätte einiges, quatsch, endlos, über linken Antisemitismus sprechen können. Doch in der linken Gehirnhälfte ist Ebbe bei der roten Katja. Durch sie lernten wir dafür: „In vielen Ländern wird gar nicht über den Holocaust unterrichtet“. In Thüringen, Katja? Oder Pakistan? Und wir bräuchten „im Land des Holocaust keinen Antisemitismusimport“. Die Linke sei mitnichten antisemitisch, denn „die Regierung in Israel zu kritisieren ist legitim“. Das habe der Herr Schuster vom Zentralrat auch gesagt. Nur das Existenzrecht Israels müsse anerkannt werden. Gut, soweit wäre die Linke d’accord. Shimon Stein malte hingegen ein komplexeres Bild: Es gebe in Deutschland 6% „klassischen Antisemitismus“, 20 % „sekundären Antisemitismus“ und 40% Israelkritik (quasi eine Art camouflierter Antisemitismus?).

Ulf rettete Katja, die er irgendwie mag (die meisten Journos schwärmen für Grün oder Rot) und kam auf den jetzt plötzlich „syrischen Palästinenser“ mit dem Gürtel zurück. „Was passiert jetzt mit dem Täter?“ Anne Will gab das Bällchen dem Kauder: „Ausweisen?“ Kauder: „Ähm…wir… ich kann… wäre zu klären… Ich habe damals den Martin Homann aus der Partei ausgeschlossen… .“

Ahmad versuchte noch einmal auf das eigentlich Thema zurückzukommen: Ihre Entschiedenheit gegen Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft ist gut, aber „bei Muslimen zeigen Sie diese Entschiedenheit nicht.“ Der peinliche Volker lobte sich, er habe schon dieses „in der BamS gesagt“, und jenes anderswo formuliert. Wir finden, hier ist die richtige Stelle, mal wieder das schöne Wort Kauderwelsch zur Anwendung zu bringen.

Muslimischer Antisemitismus wird geduldet
Zugewanderter Antisemitismus in Deutschland
Mansour beklagte, alle Maßnahmen „kommen bei den Migranten nicht an. In Integrationskursen wird stattdessen über Mülltrennung geredet!“ Das ist natürlich die Überschrift! Aber den besten Scherz lieferte, trotz der Schwere des Abends, ausgerechnet die humorlose Anne: „Frau Kipping, wie gelingt die Vermittlung eines liberalen Weltbildes?“ Eine Kommunistin vermittelt ein liberales Weltbild? Da kriegen wir eher eine kleine Eiszeit! Kipping hatte stattdessen eine Gegenfrage parat: „Ist der Welt geholfen, wenn wir einen Antisemiten abschieben?“ Sie schlug vor, alle Kinder auf Besuch ins KZ zu schicken.

„Nein, es reicht nicht, nach Ausschwitz zu fahren“, so Ahmad Mansour. Er träumt von einer Schulreform. Lehrer müssten auch über den Nahostkonflikt und Verschwörungstheorien sprechen können, aber da würden sie von den Schulbehörden allein gelassen. Nun ist das ja so, Ahmad, dass das, was die vielen roten Pädagogen über den Nahostkonflikt dozieren würden, nicht so hilfreich wäre. Ganz abgesehen von Verschwörungstheorien. Außerdem wird bei Schulproblemen – jetzt ging es um einen 14-jährigen jüdischen Schüler, der nach Dauermobbing die Schule verlassen hat – eher nach der altdeutschen Methode Kauder verfahren: „Ich möchte, dass an jeder Schule einer meldet…“ Der gute, alte Pedell!

Ulf, klug: „Das Ergebnis ist immer: Der jüdische Schüler geht. Zunehmend mehr Eltern in Kita und Schule sagen, wir nehmen unsere Kinder raus.“ Darauf entspann sich folgender, unfreiwillig komischer Schlagabtausch.

Mansour: Die Schule hat versagt! Ihr Ruf ist der Schulleitung wichtiger als das Kind.
Kauder: Wir brauchen Mentoren für die jüdischen Kinder.
Stein: Die Juden sind nicht das Problem, die sind die Opfer
Kauder: Stimmt. Deshalb machen wir jetzt eine Demonschtration mit Kippa in Berlin.
Stein: Die Nicht-Juden brauchen Mentoren …
Kauder: Unsere jüdischen Mit-Bürger …
Stein: Bürger, nicht Mit-Bürger …
Ahmad: Kippa-Flashmob ist ein gutes Zeichen, aber bringt nichts.
Ulf: Der 14-Jährige müsste bleiben, alle anderen müssten raus.
Herrlich!

Zum „Echo“ sagte am Ende Katja, dass die Rapper nur im „rechten Zeitgeist“ segelten. Da solltest du mal was in der „Welt“ drüber schreiben, Ulf, das kommt uns ein wenig gewagt vor. Man muss am Ende dankbar sein, dass das Thema Brutalität und Mobbing gegen Nichtmuslime (Kinder und Jugendliche!) überhaupt mal dezent angesprochen wurde im TV. Nachdem ein Kind im Ruhrgebiet erstochen wurde, weil es angeblich die Mutter eines Migranten „komisch angesehen“ hat, wurde das Thema nicht mit einer Gesprächsrunde bedacht!


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