Gleich vorweg: Die Wahrheit ist, dass wir den EU-Einlagensicherungsfonds de facto schon haben. Er greift sowohl in die Taschen der deutschen Sparer wie auch der Steuerzahler. Der Zugriff auf die Sparer geschieht über den Umverteilungseffekt der Geldpolitik, der Zugriff auf die Steuerzahler über den ESM. Beides stützt Staaten, die in Schwierigkeiten kommen, eventuell auch nachdem dies durch nationale Bankenrettungen verursacht wurde.
Eine neue Geldpipeline über die Alpen
Nun kann man den Instituten in Deutschland nicht vorwerfen, sie hätten ihre Hausaufgaben mit den eigenen Sicherungswerken nicht gemacht. Nein, sie haben sie sogar so gut gemacht, dass es genau dieses „Nest-egg“ ist, welches die Begehrlichkeiten jenseits der Alpen geweckt hat. Die Erfahrung der letzten Jahre hat dabei gezeigt, dass solche Fleischtöpfe früher oder später in die Verfügungsmasse politischer Kompromisse wandern. Jetzt hat die Kanzlerin in ihrer unendlichen Weisheit diese Erfahrung einmal mehr bestätigt, indem sie einer EU-„Einlagensicherung“ im Prinzip bei Herrn Macron zugestimmt hat. Ihrem Ruf, mit dem Geld der Bürger so freihändig umzugehen, kann das ja nur zuträglich sein. Die paar Kautelen, die sie noch als Bedingungen genannt hat, darf man getrost als Rückzugs-Scheingefechte bezeichnen.
Die Erfahrung lehrt, dass ein Versicherungspool umso sicherer ist, je größer er ist. Das ist ja gerade das Prinzip der Versicherung. Man fasst Risiken zusammen und glättet auf diese Weise ihren Schadensverlauf. So fassen Versicherungen die Risiken ihrer Kunden zusammen, und Rückversicherungen fassen in einem zweiten Schritt die Risiken der Versicherungen zusammen, und beide Industrien machen das seit über 150 Jahren privatwirtschaftlich sehr erfolgreich, nutzbringend und auf globaler Ebene.
Dieses Beispiel freier und innovativer Marktwirtschaft zeigt uns aber auch, wie es geht und wie es nicht geht. Wir können uns mit 100%iger Sicherheit darauf verlassen, dass ein EU-Sicherungssystem unter Verwaltung der Bürokratie keinen erfolgreichen Risikoausgleich im Sinne dieses Versicherungsprinzips schaffen wird. Stattdessen wird ein verstecktes Transfersystem etabliert werden, bei dem die Umsichtigen die Leichtsinnigen subventionieren werden.
Die politischen Diskussionen, die dazu führen, kann man jetzt schon voraussehen. Da wird dann von „Beitragsgerechtigkeit“ und Bemessung der Beiträge zum Sicherungssystem nach Leistungsfähigkeit gezwitschert werden. Dann kommt die Forderung nach Solidarität, und wenn das nicht ausreicht, wird das europäische Friedensprojekt bemüht: Geld oder Leben, Einlagensicherung oder Schützengraben.
Ganz allgemein ist es übrigens ein verlässlicher Rat, seinen Geldbeutel besser festzuhalten, wenn irgendjemand das Wort Gerechtigkeit zu oft, eindringlich und vor allem in Verbindung mit anderen Redeversatzstücken wie Solidarität, Gemeinwohl und Verantwortung für das Ganze im Munde führt. Von den Umverteilungspolitikern sind das alles nur Wieselworte.
Der Markt hat eine bessere Antwort
Besser ist es, wenn man ein sauberes marktwirtschaftliches Konzept einer EU-Einlagensicherung als Alternative vorrätig hat.
Das Prinzip der Einlagenversicherung ist relativ simpel. Die erste „Verteidigungslinie“ der Einlagensicherheit ist immer die Bank, bei der die Einlagen von den Sparern angelegt sind. Sie muss durch kluge Risikopolitik, Transparenz und das Vorhalten von angemessenen Risikopuffern in Form von Eigenkapital sicherstellen, dass sie in der Lage ist, das geliehene Geld an die Sparer zurückzuerstatten.
Erst wenn diese Barriere versagt, kommt ein anderer Zahler in Frage. Nehmen wir nun an, wir haben eine Gruppe von 10 Banken in einem Land, die sich zusammenschließen, um den Sparern aller dieser Banken wechselseitig ihre Spareinlagen zu garantieren, so führt dies dazu, dass die Spareinlagen sicher sind, solange nicht alle Banken unabhängig voneinander oder in Folge der überwälzten Garantien insolvent werden. Um diese Garantie funktionsfähig zu machen, gibt es zwei unterschiedliche Wege:
Weg Nr. 1 ist die simple wechselseitige Garantie. Die Spareinlagen sind dann so sicher wie eine gedachte fusionierte Bank, die aus allen Beteiligten besteht.
Diese Vorgehensweise führt, wie unschwer zu erkennen ist, dazu, dass die Sparer, die ihre Groschen bei schwachen Banken angelegt haben, genauso sicher sind, wie die Sparer, die das bei sehr sicheren Instituten tun. Es findet also offenbar eine Umverteilung statt. Die Nivellierung des Sicherheitsniveaus wird im Markt zu einer Anpassung der Sparzinsen führen, weil es keinen Grund mehr für die Sparer gibt, von einer der beteiligten Banken eine höhere Risikoprämie als Teil des Zinses zu verlangen, als von den anderen. Ergebnis: Die starken Banken subventionieren die schwachen.
Um dies zu vermeiden, gibt es Weg Nr. 2. Man kann einen gemeinsamen Pool einrichten, also so etwas wie eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, die über eigene angesparte Mittel verfügt, mit denen sie im Schadensfall, also bei Pleite einer der beteiligten Banken, einspringt. Es ist klar, dass dieser Pool angesparter Mittel eine gewisse Mindestgröße braucht, damit er im Fall der Fälle nicht ebenso wie die untergehende Bank den Weg alles Irdischen geht. Die beteiligten Banken zahlen eine Versicherungsprämie in diesen gemeinsamen Topf, den sogenannten Sicherungsfonds, ein.
Ob dieses Konstrukt zu einer Umverteilung führt oder die Lasten und Vorteile gerecht zuteilt, hängt davon ab, ob die Versicherungsprämie risikogerecht kalkuliert wird oder nicht. Was bedeutet das? Ganz einfach: Es gibt zwei Haupttreiber des Risikos für dieses Produkt. Da ist zum einen die versicherte Summe an Spareinlagen, deren Existenz geschützt werden soll, und zum anderen das Risiko, ausgedrückt in einer Pleitewahrscheinlichkeit der Bank. Je höher die Spareinlagen und je schlechter die Bonität der Bank, umso höher der Versicherungsbeitrag, den die Bank bezahlen muss.
Ähnlich wie beim System von Versicherung und Rückversicherung gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, einen Sicherungsfonds der Sicherungsfonds zu schaffen. Also eine Art Superfonds, der dann einspringt, wenn ein einzelner Sicherungsfonds, der von einer Gruppe von Banken in einem Land oder einem Sektor betrieben wird, durch einen Großschaden an seine Grenzen stößt.
Will man den Versicherungsbeitrag am Risiko orientieren, so gibt es einen kalkulatorischen Weg und einen marktbasierten Weg, dies zu tun. Der kalkulatorische Weg erfordert in erster Linie die Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit einer Bank, also ihr Rating. Wir haben bereits in der Vergangenheit gesehen, was wir von einem Rating halten können, wenn die Transparenz der ihm zugrundeliegenden Daten so ist, wie sie ist. An diesem Problem sind bisher alle gescheitert: Die Bankenaufsicht und die Ratingagenturen, eben weil die Staatsgarantien den Banken den Anreiz nehmen, wirklich transparent zu sein.
Welche Alternative bleibt dann noch? Diese beinhaltet die Etablierung mehrerer europaweit tätiger privater Einlagensicherungssysteme, die untereinander im Wettbewerb stehen. Jede Bank muss sich für eines der angebotenen Sicherungssysteme entscheiden. Die Systeme müssen ihre Kalkulationsgrundlagen veröffentlichen und dabei den Grundsätzen der Versicherungsmathematik folgen. Damit bestünde ein Wettbewerb, bei dem Preis, aber auch Sicherheit entscheidend sind.
Die Vollkaskomentalität des alkoholisierten Fahrers
Klar ist, dass jede Risikoeinschätzung zwei Elemente berücksichtigen muss, deren Existenz von der Aufsicht lange geleugnet wurde, die aber nunmehr offen zutage getreten sind: Dies ist die Existenz von 1.000 Mrd. Euro ausgefallener Kredite im Eurosystem und die Existenz von ca. 1.500 Mrd. Euro Zombiekrediten, die bei einer Zinswende oder einem anderen gesamtwirtschaftlichen Schockereignis ausfallgefährdet sind. Klar ist auch, dass die korrekte Zuordnung dieser Risiken viele Banken bzw. deren Einlagen als nicht in diesem Sinne versicherbar erweisen werden, weil die Bereinigung der Bilanz um diese Faktoren ihre nicht mehr gegebene Solvenz offenbar machen wird. Diese Banken sind schon pleite. Niemand kann sie noch versichern, ebenso wenig wie man eine KFZ-Vollkaskoversicherung nach einem Totalschaden abschließen kann.
Für die, die noch solvent sind, gilt: Die Sicherungswerke hätten in gewisser Weise die Rolle von Rückversicherungen in diesem Markt. Rückversicherungen müssen sehr genau darauf achten, dass sie ihre Prämien risikogerecht kalkulieren, sonst verlieren sie sehr schnell ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr eigenes Rating, welches für das Überleben in diesem Markt entscheidend ist.
In dieser Welt werden es die privatwirtschaftlich organisierten Sicherungswerke sein, die im Wettbewerb den Banken Daumenschrauben anlegen, damit endlich Risikotransparenz geschaffen wird.
Wenn man das so macht, verhindert man nicht nur die Ausplünderung der gut dotierten nationalen Sicherungswerke, sondern schafft darüber hinaus Anreize für alle anderen Banken, es einem gleichzutun.
Dann wird es eine Gemeinschaft der Starken. Aber auf solchen marktwirtschaftlichen Kram werden ja bekanntlich weder Merkel noch Macron hören. Das schafft nämlich weder Posten für Bürokraten in Brüssel, noch legt es eine weitere Geldpipeline über die Alpen, durch die der treudoofe Michel seine Dummheitssteuer entrichten kann.