Was soll das eigentlich sein, wenn tausende oder hunderttausende von Menschen von europäischen, von deutschen und Beamten der UN auf der Landkarte willfährig hin- und her geschoben werden, wenn doch schlussendlich sowieso fast alle in Deutschland anlanden? Eine Reissbrett-Immigration mit gewissem Ausgang?
Nun agieren diese mehrsprachigen Kartentischler auch noch auf besondere Weise stümperhaft. Denn wenn sie zusätzlich zur Moralkeule noch den Weg der maximalen Verschleierung wählen, dann sollten die dafür angewandten Strategien doch wenigstens ein Maß an Logik, Dialektik, Stringenz und Überzeugung haben, die den lieben Michel ruhig schlafen lässt.
Aber selbst dieser deutsche Restschlaf vor dem Morgengrauen wird missgönnt, wenn monatelang großkoalitionär um eintausend Immigranten pro Monat gerungen wird, wenn Sozialdemokraten die maximale Ausschöpfung dieser Zahlen verlangen: Notfalls müsse eben von Monat zu Monat verschoben werden, damit es auch sicher zwölftausend im Jahr sein sollen. Wenn diese monatlich eintausend Familiennachzügler zu Angehörigen auswandern, die sich zwar in Deutschland als subsidiär Geschützte aufhalten, aber als Asylbewerber längst abgelehnt wurden, also eigentlich gar keinen Familiennachzug erhalten dürften. Man streitet hier allerdings nur um die Kirsche auf der Torte. Die Torte selbst lässt die Konditormeisterin aus Berlin längst anderswo backen. In Brüssel und Genf (New York), in den Backstuben der EU und des UNHCR (UN). Hier werden noch über die aufgeweichtesten Asylgesetze hinweg, über die sperrangelweit offenen deutschen Grenzen hinaus, Menschen verschoben, hingeschoben, nach Deutschland abgeschoben aus den vielen Flüchtlingslagern der Welt.
Dimitris Avaramopoulos, EU-Kommissar für Migration, nennt den Forderungskatalog sogar selbstbewusst beim Namen: Einerseits fordert er Berlin auf, die innerdeutschen Grenzkontrollen rasch zu beenden (welche Grenzkontrollen?). Andererseits wird Deutschland aktuell verpflichtet erneut 10.000 Immigranten via EU-Resettlement-Programm aufzunehmen. Zwei bemerkenswerte, miteinander harmonierende Sachverhalte.
Fangen wir bei den zehntausend Personen an: Eigentlich sind es fünfzigtausend. Andere EU-Staaten sollen auch aufnehmen. Aber nicht für lange. Denn dafür steht dann die Forderung an Deutschland, schnellst möglich zum Schengensystem der offenen innereuropäischen Grenzen zurückzukehren. So wird dann der Weg nach Deutschland auch für die restlichen vierzigtausend Immigranten dieser neuerlichen Resettlement-Charge frei.
Statt eine Verschärfung der Sicherung auch der innereuropäischen Grenzen, fordert der griechische Eu-Kommissar (im Interview mit dem Journalisten Christian Kerl) das genaue Gegenteil: „Wir alle haben die Verantwortung, die europäische Einheit zu sichern.“ Und dieser Verantwortung gerecht zu werden, soll nun am besten funktionieren, wenn eindringlich daran erinnert wird, dass die staatliche Souveränität Deutschlands unvollständig zu bleiben hat, wenn die EU-Kommission über Zuwanderung entscheidet und Deutschland an diese Entscheidungen gebunden ist. Und deutsche Politiker im Zweifel sagen können: Sorry, lieber Michel, uns sind die Hände gebunden.
Ebenso proaktiv für mehr Zuwanderung nach Deutschland wirkt übrigens auch der UNHCR, das Haus des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nation mit Sitz in Genf. Die Quote liegt zwar noch im überschaubaren Bereich, aber wenn erst einmal die Akzeptanz für dieses System implantiert, wenn es ausreichend mit Merkels humanitären Imperativ verwoben ist, steht auch einer Anhebung dieser Quoten nichts mehr im Wege. Dickes Bonbon für die Betroffenen: Diese Resettlementflüchtlinge erhalten umgehend einen Aufenthaltstitel nach §23 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz samt Arbeitserlaubnis und müssen also kein Asylverfahren durchlaufen.
Kommissare wie Dimitris Avramopoulos haben mehr Macht als ein deutscher Durchschnittsminister, mal ganz abgesehen von obszönen Gehältern bis hin zu einer fetten Entourage, von der kleine und mittlere Könige früher geträumt hätten. Aber wie lächerlich wirkt es dann eigentlich, wenn die große Koalition über Monate ein Scheingefecht aufführt, um die Aufnahme von grundsätzlich nicht einreiseberechtigten läppischen eintausend Immigranten im Jahr zu diskutieren?
Wie verlogen ist das, wenn die CSU hier vorgibt, um jeden angeblichen Härtefall zu ringen? Wenn der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), erklärt: „Die Kriterien für die Auswahl dieser Personen werden wir noch im Detail bestimmen, aber in jedem Fall sollen humanitäre Gründe besonders berücksichtigt werden.“ Humanitäre Gründe im Modus der großen Ausnahme? War aber nicht schon die Einreise von über einer Million vornehmlich außereuropäischer Muslime humanitär begründet? Und war es nicht ausgerechnet der UNHCR, der jetzt Resettlement-Quoten für Deutschland bestimmt, der aber im Jahr 2015 die Lebensmittelrationen u.a. in den türkischen Flüchtlingscamps zu syrischen Grenze faktisch halbierte und damit den Flüchtlingsstrom Hunderttausender nach Deutschland erst losgetreten hatte?
„Gemeint ist“, so Niggemeier, „die Menge an Zuwanderung, die nötig ist, um den Bevölkerungsrückgang und die Überalterung von Gesellschaften vor allem in Europa, Japan und den USA auszugleichen.“ Da ist so unglaublich doof wie Oldschool. Besser noch: Niggemeier macht Matussek hier zu etwas vergleichbarem, wie einem Verfechter der „Protokolle der Weisen von Zion“ (antisemitische Fälschung), wenn er Matussek vorwirft, dieser würde einen „dunklen Plan“ zur „Umvolkung“ Europas verbreiten. Er würde absichtlich falsch interpretieren, wenn er der These anhinge, die Völker Mitteleuropas würden heimlich durch muslimische Zuwanderer ersetzt werden.
Ein alberner Anwurf um Begrifflichkeiten, eine zickige Einforderung einer Interpretationshoheit, wo der Streit um die Intention massenhafter Zuwanderung nachgereicht sein kann, wenn sie doch faktisch passiert. Wenn deutsche Politiker einer großen Koalition um das Maximum an Familiennachzug für nur subsidiär geschützte abgelehnte Asylbewerber streiten, während eine EU-Kommission für Deutschland gerade ein Vielfaches dieser Quote beschließt: 50.000 Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten sollen per „Umsiedlungsprogramm“ nach Europa kommen. Zehntausend davon nach Deutschland. Der große Teil der verbleibenden 40.000 wird folgen. Und damit das noch unkomplizierter funktioniert, müssen die paar Fetzen innereuropäischer deutscher Restgrenze bitte auch noch weichen.
„Damit haben wir unser Ziel erreicht. Und werden es, wie es aussieht, sogar noch übertreffen.“, sagt Avramopoulos.
Na klar, denn 50.000 Flüchtlinge sind eben auch 50.000 Menschen, die weitere Familienmitglieder haben, die dann ebenfalls aus humanitären Gründen nachreisen werden dürfen. Härtefälle halt. Aber solche Härtefälle gibt es weltweit fast eine Milliarde. Menschen, die nicht etwa nur keine Perspektive mehr haben, sie haben auch Hunger. Und sie sterben, weil es nichts zu essen für sie gibt. Die Kinder zuerst. Dafür braucht es nicht einmal die grausamen Bilder eines veritablen Kriegsschauplatzes. Diese Bilder machen das Elend und Sterben nur noch dramatischer. Und von denen, die hungern, schafft es niemand nach dem Gelobten Westen. Und nun?