In einem Welt-Interview vom vergangenen Dienstag (29.9.2015) ist der neue Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jens Spahn deutlich geworden. Und hat doch gleich wieder Zweifel gesät. Gefragt, ob die Bundesregierung darüber nachdenke, die jetzt mit bis zu 10.000 über die deutsche Grenze strömenden Migranten täglich etwa in zuvor beschlagnahmten Privatwohnungen unterzubringen, antwortete Spahn: „Eine Beschlagnahme genutzten Wohnraumes plant niemand.“ Wobei man auf die Qualifizierung „genutzten Wohnraumes“ achten muss. Soll das etwa heißen, Zweitwohnungen oder derzeit leerstehende Mietobjekte könnten von der Beschlagnahme nicht ausgenommen sein? Oder zu große Wohnungen und Häuser? Die Asylkrise verschärft sich. Die Kanzlerin weilt derweil in New York, um mit den Größen der Welt wie Marc Zuckerberg zu sprechen.
Die Länder preschen vor
Aus Hamburg können zukünftig Hallen beschlagnahmt werden und es ist zu hören, dass der dortige Senat durch eine Gesetzesänderung auch die gesetzlich „garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung“ einschränken lassen will, um Immobilien zu requirieren. Und die in Rheinland-Pfalz an der Regierung beteiligten Grünen erörtern eine ähnliche Einschränkung des Eigentumsrechts. Der Druck der Asylkrise lastet auf den Ländern, die mit den ankommenden Menschen zurecht kommen müssen, die von den Worten und Bildern der Kanzlerin nach Deutschland gelockt werden. Kein Wunder, dass die Länder das Vakuum, das Diktat der Notwendigkeit wie das Schweigen und die seltsame Abstinenz der Kanzlerin nutzen, um langgehegte Wünsche und Vorstellungen in die Tat umzusetzen – wie die weitere Schwächung des Eigentumbegriffs bei Immobilien zu Gunsten staatlicher Lenkungsbehörden.
Zur Bestätigung des Spahn-Satzes wird auf die Bundeskanzlerin verwiesen, die in der Finanzkrise 2008 erklärte: „Die deutschen Sparbücher sind sicher“. Wohl wahr: Sie sind nicht abgewertet oder sonst wie herangezogen worden. Aber wenn man die staatlich verordnete Nullzinspolitik und deren Auswirkung auf die Sparbücher betrachtet, welche auch eine Konsequenz der damaligen Finanzkrise ist, dann bekommt das Merkel-Versprechen doch einen bitteren Beigeschmack. Die Immobilie ist sicher. Die Frage ist nur: Wie viel?
Ist Merkel amtsmüde?
Überhaupt sollte das Vertrauen in die Kanzlerworte nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Denn noch ist gar nicht sicher, ob Angela Merkel im weiteren Verlauf der Krise überhaupt noch Kanzlerin ist. Schon vor zwei Wochen ließ sie wissen, dass eine Politik in Deutschland, die zur Abschreckung der Flüchtlinge führt, von ihr nicht mehr getragen würde.
Bei ihrem jüngsten New York-Besuch wurde sie gegenüber Vertrauten noch deutlicher, hören wir von Beteiligten. Diese vernahmen zu ihrem großen Erstaunen, dass sie beim Scheitern ihrer Migranten-Politik nicht mehr Kanzlerin sein will.
Ob sie mit einer an die Sache geknüpften Vertrauensfrage ihren möglichen Ausstieg vorbereiten wollte, bleibt der Polit-Astrologie überlassen. Aber wenn die unkontrollierte Masseneinwanderung so weiter flutet wie bisher, könnte es schnell dazu kommen, dass es gar nicht mehr auf eine Willensäußerung von Angela Merkel ankommt, sondern dass der Ansturm auf Deutschlands Grenzen (frei nach dem Merkel-Motto:„ Wir schaffen das!“) und die nicht zu schaffenden Folgen sie aus dem Amt treibt – wenn sie nicht bereit ist, den Ansturm zu stoppen.
Deutliche Absetzbewegungen aus dem Feld der vertrauten und bisher mit unmittelbarem Machtzugang privilegierten Minister werden schon sichtbar. Schon bei der Griechenland-Krise hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble gegen den ausdrücklichen Wunsch der Kanzlerin sehr deutlich bis zum Schluss auf einem Grexit beharrt. In der derzeitigen Flüchtlings-Krise schweigt Schäuble eisern und überlässt es dem anderen prominenten baden-württembergischen CDU-Politiker und Fraktionsvorsitzendem Volker Kauder, Angela Merkel gegen den CDU-Innenminister Thomas de Maizière zu verteidigen. Kauder agiert hölzern und unglücklich – und verschlimmert den Schaden. In der jüngsten Fraktionssitzung hat Kauder seine Erfahrung als Landrat herangezogen. Bei einem Hochwasser sei er gefragt worden, wie lange das noch gehe. „So lange es regnet“, war seine Antwort. Aber sofort brüllte ein erzürnter Abgeordneter dazwischen: „Gegen Regen kann man nichts machen, gegen Zuwanderung schon“. Die Stimmung in der Fraktion ist gereizt.
Minister setzen sich ab
Auch andere setzen sich ab. So ergänzt Innenminister Thomas deMaizière Merkels „wir schaffen das“ um ein „nicht ohne weiteres“ und lässt kühl vernehmen, bei der Grenzöffnung seien die Dinge „außer Kontrolle“ geraten. Das klingt ähnlich wie CSU-Chef Horst Seehofer, der seit geraumer Zeit auch öffentlich eine harte Anti-Merkel-Politik fährt. Noch hat sich die andere selbst gekürte potentielle Kanzlerin-Nachfolgeaspirantin Ursula von der Leyen nicht zu Wort gemeldet. Sollte diese – wenn auch verhalten – in den Kritikerchor einstimmen, spätestens dann weiß Angela Merkel, dass es zur Sache geht – sprich um ihr Amt.