Tichys Einblick
Verdacht auf Manipulation erhärtet sich

Bundesverkehrsministerium: Luft-Messstellen werden überprüft

Jetzt will auch das Bundesverkehrsministerium die Positionierung von Messstellen für Luftbelastung überprüfen. Das ist auch ein Erfolg unserer Leseraktion. Danke an alle Mitwirkenden.

© Steffi Loos/Getty Images

In der Debatte um mögliche Fahrverbote für Dieselautos in deutschen Innenstädten, stellt das Bundesverkehrsministerium jetzt die Standorte einzelner Messstationen in Frage. „Einige Standorte von Messtellen werden zurzeit kritisch hinterfragt, ob sie überhaupt den europäischen Vorgaben entsprechen“, sagte der Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) der „Bild“-Zeitung (Samstag). „Zumindest für die Zukunft muss gelten: Neue Messstellen sollten objektive Werte ermitteln und nicht die schlechtestmöglichen.“ Zugleich stellte Bilger geltende Grenzwerte in Frage. „Wenn Grenzwerte unsinnig sind, müssen sie geändert werden. Darüber sollte auf europäischer Ebene diskutiert werden.“

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Wir danken noch einmal unseren Lesern, die sich mit viel Engagement und Mühe um die Bilder bemüht haben. Ohne dies und ohne Sie wäre die Aktion nicht möglich. Denn die Einsendungen zeigen: Viele der Messstellen sind fragwürdig gewählt. Dies können wir nicht im Einzelnen nachweisen, denn dafür fehlt einer Redaktion die technische Kapazität. Aber sichtbar wird: Durch Häuser und Mauern verengte Straßenräume kommt es in vielen Fällen zu einer Verzerrung der Messungen, die doch im Sinne der Verordnung „respräsentativ“ für einen größeren Stadt-Raum und der Belastung für die Einwohner sein sollen. Wer Messstellen unmittelbar an Steigungen oder Ampeln aufstellt, erhält an genau dieser Stelle wegen des notwendigen Abbremsens und Anfahrens Werte, die nicht repräsentativ für eine längere Strecke Straße sind – aber genau das ist erforderlich.

Es ist eine etwas komplexe Materie, vor allem die Vorschriften sorgen leicht für Verwirrung. Sie sollen es auch ein wenig. Es gibt für alle EU-Mitgliedsstaaten die EU-Richtlinien »für saubere Luft«. Sie wird durch deutsche Verordnungen in nationales Recht umgesetzt. Die sind ähnlich, weisen aber doch häufig Unterschiede auf, sind häufig nicht eindeutig und widersprechen sich sogar teilweise.

Anpassung nach oben

Die deutschen Regeln haben die Tendenz, höhere Grenzwerte zu produzieren. So sagt die EU-Richtlinie zum Beispiel, dass der Luftstrom um den Einlass der Messöffnung in einem Umkreis von 270° nicht beeinträchtigt werden darf. Die deutsche Vorschrift macht daraus »Bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie soll die Luft in einem Bogen von mindestens 270 Grad oder 180 Grad frei strömen.«
Eine scheinbar unbedeutende Wortänderung, doch damit eröffnet sich eine Reihe von Messmanipulationsmöglichkeiten. Es ist außerdem keine »Muss«-Vorschrift wie die der EU, sondern eine »Kann«-Vorschrift. Abweichungen sind also erlaubt, Betroffene können dann nicht so ohne weiteres klagen.

Das muss man sich nicht freiwillig antun, deswegen haben wir in der ersten Folge kurz beschrieben und auf einen Text hingewiesen, der sich dieser Problematik politisch gesteuerter Meßverfahren annimmt, auf die jetzt Verkehrs-Staatssekretär Bilger hinweist.

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Dann ist zu unterscheiden zwischen Hotspot-Messungen und repräsentativen Messungen. Selbst der Hotspot sollte für mindestens 100 Meter Strassenlänge gelten. Es gelten weiterhin unter anderem folgende Grundsätze: »Messstationen für den städtischen Hintergrund« sind Standorte in städtischen Gebieten, an denen die Werte repräsentativ für die Exposition der allgemeinen städtischen Bevölkerung sind. Die Probenahmestellen müssen grundsätzlich für ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern repräsentativ sein.

Der Ort von Probenahmestellen, an denen Messungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vorgenommen werden, ist so zu wählen, dass Daten gewonnen werden über Bereiche innerhalb von Gebieten und Ballungsräumen, in denen die höchsten Konzentrationen auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Grenzwerte signifikant ist.

Man kann das so interpretieren, dass die Messwerte nicht repräsentativ sind, wenn sich nicht stets die gleichen Leute stundenlang dort aufhalten – und genau das ist an Verkehrsbrennpunkten der Fall: Niemand wohnt oder arbeitet dort. Wer daran vorbeigeht, ist nur kürzeste Zeit der Belastung ausgesetzt – das ist ein anderer Zustand als eine Dauerbelastung.

Der Ort von Probenahmestellen ist zudem so zu wählen, dass die Messung nur sehr kleinräumiger Umweltzustände in ihrer unmittelbaren Nähe vermieden wird. Das bedeutet, dass der Ort der Probenahmestelle so zu wählen ist, dass die Luftproben – soweit möglich – für die Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 Meter Länge bei Probenahmestellen für den Verkehr repräsentativ sind.
Deshalb ist beispielsweise die Station am Stuttgarter Neckartor ungeeignet und juristisch angreifbar. Schon auf der anderen Straßenseite gäbe es ganz andere Daten.

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Die Vorgaben der EU im Hinblick darauf, dass die Messstationen repräsentativ sein soll, sind eindeutig. In Deutschland dagegen wird ein anderes Ziel verfolgt. Schon 2006 wurden in Baden-Württemberg etwa alle Gemeinden gebeten, sogenannte straßennahe Belastungsschwerpunkte zu melden, an denen dann sogenannte Spotmessstellen eingerichtet wurden.

»Hiervon gibt es allein in Stuttgart vier Stück, das sind 50 Prozent aller städtischen Messstellen. Die »Belastung« der Stuttgarter Bürger wird demnach zu einem geradezu grotesk überproportionalen Anteil aus Daten hergeleitet, die auch an vier räumlich eng begrenzten Hot-Spots erfasst werden. Auch in anderen »schmutzigen« Städten mit angeblich hohen NO2-Werten wurde und wird mit dem gleichen Trick gearbeitet.«

Wohnen auf der Stadtautobahn?

So fand eine internationale Untersuchung 2015 heraus, dass entlang der Berliner Stadtautobahn die stärkste Belastung bei über 60µg/ m3 lag. Betroffen davon seien aber nur 0,02 Prozent der Bevölkerung einer Millionenstadt.

Die Messstelle Fulda ist so ein Fall, den wir in der ersten Folge vorgestellt hatten. Sie verstößt gegen die deutschen Bestimmungen, im 39. Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dort steht ausdrücklich, dass keine Bäume abschattend wirken dürfen. Sie steht unmittelbar am Straßenrand, kein Wunder, dass sie hohe Messwerte liefert – die dann repräsentativ sein sollen? Genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Aus extrembelasteten, kleinräumigen Situationen wird dann eine flächendeckende, repräsentative Belastung ermittelt.

Die Einstufung der Immissionsbelastung vor Ort lautet: hoch. Mit Daten einer solchen Meßstation soll dann eine repräsentative Übersicht ermöglicht werden? Die Bevölkerung wird über die aktuellen Belastungen laufend informiert.

Die Messstellen sollen dort aufgestellt werden, wo sich Menschen aufhalten, also nicht kurz vorbeilaufen. Das ist hier bei der Messstelle in der Petersberger Straße offenkundig nicht der Fall. Es sind auch keine weiteren Messungen bekannt, wie sich die Werte im Abstand der Station darstellen. Denn auch der Abstand hat erhebliche Auswirkungen auf die Konzentration.

Gefummel am Neckartor

Das wurde beispielhaft in Stuttgart untersucht. Daher nochmal zurück zur »berühmtesten« Messstelle Deutschlands, Stuttgart, Neckartor. Dort haben die Messungen von Ingenieuren des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gezeigt, dass die Situation nur ein paar Meter von der Messstation entfernt vollkommen anders aussieht. Jürgen Pfeil vom KIT sagte gegenüber der »Welt«: »Unsere Messungen zeigen, dass sich die Stickoxidwerte schon 20 bis 25 Meter von den Straßen weg halbieren.«

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An den beiden Messtagen ergab sich, verteilt über mehrere Stationen, ein Mittelwert von 35 Mikrogramm NO2, was innerhalb des Zulässigen ist. Und geht man in die Höhe, wird die Luft ebenfalls besser. Auf der Fußgängerbrücke, die die sechsspurige B14 überspannt, seien um ein Drittel geringere Werte als die offiziellen ermittelt worden. »Auch in den Straßen am Neckartor sind die Messwerte deutlich geringer.«

Es gab auch stichprobenartigen Kontrollmessungen der Behörden in der Umgebung des Neckartors. Ergebnis: Die Stickoxid-Konzentration sind in der angrenzenden Schubartstraße 60 Prozent geringer ist als die an der Messstelle Neckartor.

Der Leiter des Institutes, Thomas Koch, zieht das Fazit: »Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung muss man feststellen, dass die prinzipielle Diskussion über den Diesel absolut aus dem Ruder geraten ist und Fahrverbote völlig überzogen sind.«

Wissenschaftler des Institutes für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik der Universität Stuttgart hatten sich ebenfalls mit der »räumlichen und zeitlichen Variabilität von NO2 und Partikeln entlang einer verkehrsreichen Bundesstraße in Stuttgart« befasst. Sie untersuchten auch, wie die Gaskonzentrationen mit jedem Schritt Entfernung von der Messstation abnehmen und ob die Grenzwerte an anderen Streckenabschnitten ebenfalls überschritten werden.

Das Ergebnis überrascht nicht wirklich:

Die Aussage des Umweltbundesamtes ist offenkundig falsch: »Stadtbewohner in Deutschland atmen weiter zu viel gefährliches Stickstoffdioxid ein.« Die Messungen sind zum großen Teil Unsinn! Darum geht es auch kaum. Die Welt zitiert auch Christoph Erdmenger, ursprünglich grüner Landeschef in Sachsen-Anhalt, den es in die oberen Etagen des Stuttgarter Verkehrsministerium gespült hat. Der sagt unverhohlen: »Ich denke nicht, dass wir um Verkehrsbeschränkungen herumkommen, wenn die Grenzwerte überall eingehalten werden sollen.«

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Das sagt der Mensch ganz apodiktisch und man hört richtig seine Freude an Fahrverboten der ungeliebten Autos, und vor allem der freien Mobilität. Der Verkehr wohlgemerkt, trägt nur zu einem Teil der Luftkomponenten bei. Es geht, um das ganz klar zu sagen, nicht darum, keine saubere Luft zu wollen. Man muss jedoch feststellen, dass die Luftsituation hierzulande – abgesehen von den Staustrecken – sehr sauber ist. Es war sehr teuer, das zu erreichen. Jetzt tragen die Autofahrer die hohen Kosten für die aufwendige Chemiefabrik unter dem Wagenboden. Die ist mittlerweile fast so teuer wie der Motor, geht natürlich auch kaputt, verursacht Ausfälle und Kosten.

Da ist sehr die Frage, was man noch zumuten kann und vor allem, welcher Nutzen damit erreicht werden kann. Diese Bilanz ist negativ. Ginge es den NGOs tatsächlich um die Rettung der Welt, wären die Gelder besser in den meisten Städten der Dritten Welt angelegt. Dort könnte mit diesen Mitteln, die hierzulande gerade für kaum messbare, aber teure Effekte herausgeschmissen werden, viel mehr in Sachen »sauberer Luft« erreicht werden.

Politik im Panikmodus

Modernere Fahrzeuge und Feuerstellen würden ziemlich rasch für bessere Luftverhältnisse sorgen. Aber dann könnten die NGOs hierzulande nicht so schön Ihr Panikmodus-Süppchen kochen.

Muss man übrigens dazu sagen, dass merkwürdigerweise 17 Prozent der Messstationen mit höheren Grenzwerten im Regierungsbezirk Stuttgart liegen?

Ein TE-Leser erinnert daran, dass für die Aufstellung der Messstation am Neckartor jener Überzeugungstäter verantwortlich war, der seinerzeit auch für den berühmten Ozonversuch bei Heilbronn verantwortlich war. Zur Erinnerung: Im Juni 1994 wurde die Autobahn bei Heilbronn gesperrt, die Produktion in Fabriken teilweise stillgelegt mit dem Ziel, die angeblich zu hohen Ozonwerte zu besiegen. Das hat natürlich nicht funktioniert, die Ozonwerte dachten nicht daran, sich an grüne Vorgaben zu halten, sondern stiegen teilweise sogar an. Erzeugt wurden Kosten in Millionenhöhe.

Der damals verantwortliche Überzeugungstäter, Geschäftsführer des früheren Zentrums für Umweltmessungen, Umwelterhebungen und Gerätesicherheit (UMEG), die so viel Geld herausgeworfen haben, dass sich sogar der Rechnungshof beschwerte, ist pensioniert, sprach sich natürlich für die Reduzierung, gemeint also Abschaffung, des Individualverkehrs aus, saß bis vor zwei Jahren noch für die Grünen im Ludwigsburger Kreistag, und betätigt sich als freiberuflicher Umweltberater.

Die Substanzen, mit denen Panik erzeugt wird, wechseln im Laufe der Jahre. Das Ziel bleibt gleich. Für Schäden wird niemand zur Verantwortung gezogen.


Schicken Sie uns bitte aus Ihrer Stadt Fotos der Messstationen. Bitte notieren Sie den genauen Standort. Aus einem weiteren Foto sollte das Umfeld der Messstation ersichtlich sein. Bitte schicken sie die Fotos an redaktion@tichyseinblick.de; Sie erteilen uns damit automatisch das Recht, Ihr Foto zu veröffentlichen. Wir freuen uns auch über Beiträge aus der Lokalpresse zu diesem Thema.
Vielen Dank!

Hier geht es zu Teil 1 – Messstationen in Stuttgart, Leipzig, Fulda, Magdeburg, Rostock, Marburg und Tübingen
Hier geht es zu Teil 2 – Messstationen in Ludwigsburg, Hannover, München und Siegen
Hier geht es zu Teil 3 – Messstationen in Hamburg, Wiesbaden, Cottbus, Dortmund und München
Hier geht es zu Teil 4 – Messstationen in Berlin, Hannover, Halle an der Saale, Wuppertal und Göttingen 
Hier geht es zu Teil 5 – Messstationen in Darmstadt, Leonberg, Kiel und Gelsenkirchen
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