Es war einmal eine schöne Vision. Und es sah sogar aus, als könnte sie Schritt für Schritt Realität werden. Ein Europa der Regionen hätte bedeutet, dass zusammenwächst, was zusammengehört. Doch seit der Einführung des Euro läuft es umgekehrt, es wird zusammengezwungen, was nicht zusammenpasst.
I.
Die Gegend, in der ich aufwuchs zum Beispiel: Jahrhundertelang war die Bodenseeregion ein kulturelles Zentrum, ein Herzzentrum Europas, da saßen sie in Berlin noch lange auf den Bäumen. Heute zerschneiden Grenzen, auch EU-Außengrenzen, den See und die Region, die zusammengehört, aber deren gemeinsame Entwicklungschancen durch nationale Grenzen behindert werden.
II.
Richtig, die EU leidet am Brüsseler Zentralismus. Aber der kommt nicht von selbst. Er gründet auf der hirnrissigen Vorstellung, man könne den Zusammenhalt zwischen Nationalstaaten dadurch vertiefen, dass man einen Super-Nationalstaat darüber setzt. Nationalstaaten haben die EU gegründet – das ist ein unvermeidbarer Geburtsfehler gewesen – und ist noch immer das Dilemma der EU. So entkommt sie nicht der Logik des Zentralstaats.
III.
Ein Europa der Regionen wäre ein hochmodernes Konzept. Vernetzung statt Hierarchie. Die EU entstünde von unten statt von oben. Bürgernähe statt Bürokratie, ohne Demokratiedefizit. Subsidiarität würde ernst genommen. Europa entwickelte sich in ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten, niemals gegen die Bürger, immer unter einander vertrauten Nachbarn. Brüssel kümmerte sich nur noch um die wenigen großen, übergeordneten Dinge, äußere Sicherheit zum Beispiel.
IV.
Es gibt kein Europa der Regionen. Die Regionen spielen in der EU so gut wie keine Rolle, sind völlig machtlos. Entwickeln sie eigene politische Ambitionen, werden sie von Brüssel verraten. Die Nationalstaaten halten zusammen, wenn es gegen den Selbstbehauptungswillen von Regionen geht, die sich ihren Nationalstaaten nicht mehr länger bedingungslos unterwerfen wollen. Es ist ein europäischer Skandal sondergleichen, dass die EU und fast alle ihre Nationalstaaten, Spaniens polizeistaatliche Unterdrückung Kataloniens unterstützt. Eine EU, die auf dem Fundament seiner Regionen entstünde, müsste auf der Seite Kataloniens stehen, statt dessen demokratisch gewählte Repräsentanten strafrechtlich zu verfolgen. Es dürfte abgespaltenen Regionen nicht mit Ausschluss aus der EU drohen. Statt dessen werden Freiheit und Demokratie mit Füßen getreten. Die katalanische Freiheitsbewegung wird des Separatismus geschmäht. Eine innere Erweiterung Europas – von Schottland bis Katalonien – wäre sinnvoller als die selbstzerstörerische Ausdehnung um Staaten, die nie und nimmer zu Europa gehören.
V.
Der Landtag des Freistaats Bayern lehnte 1949 als einziges Landesparlament das Grundgesetz der Bundesrepublik ab. Und zwar nicht knapp: 101 Nein-Stimmen gegen 64-Ja-Stimmen und neun Enthaltungen. Als zu zentralistisch wurde das GG empfunden, als Angriff auf die Eigenständigkeit Bayerns. Allerdings kam es juristisch nicht mehr darauf an, da bereits zwei Drittel der deutschen Länder dem Grundgesetz zugestimmt hatten; gegen die Zwangsvereinigung auf Befehl der Alliierten war kein Kraut gewachsen. Das Grundgesetz enthält noch nicht einmal eine Ausstiegsklausel. Würde Bayern um mehr Eigenständigkeit kämpfen und etwa ein Plebiszit fordern, wäre dies Verfassungsbruch. Ein bayerischer Puigdemont ist ohnehin nicht in Sicht. Gäbe es ihn, könnte ihn Merkel – aus bayerischer Sicht eine Fremdherrscherin, da ihre Partei nicht einmal zur Wahl stand – per europäischem Haftbefehl verfolgen. Er wäre allerdings in Österreich sicher. Kurz ist nicht Merkel – um es auf eine Kurzformel zu bringen.
VI.
Das mindeste, was die CSU entschieden fordern müsste, wäre so viel Autonomie für Bayern, wie Südtirol von Italien zugestanden wird. Ich mache den Verfassungsschutz gerne auf mich aufmerksam. Ja, ich plädiere für einen friedlichen Anschluss Bayerns an Österreich. Denn ich kann mich mit der BRD unter einem Dach mit dem failed state Berlin nicht identifizieren. Ich war gern Bundesbürger der Bonner Republik. Das bescheidene Bonn stand für einen Bundesstaat selbstbewusster Regionen. Bayerns Bürger werden in der realsozialistischen Blockparteienrepublik um den Lohn ihrer Tüchtigkeit gebracht. Die CSU hat dem nichts entgegenzusetzen. Seit dem dämlichen Spruch von Franz Josef Strauß, notfalls müssten die Bayern die letzten Preußen sein, opfert die CSU für einen Zipfel der Berliner Macht ihre Selbstachtung.
VII.
Ein Europa der Regionen wäre der Ausweg aus der katalanischen wie der bayerischen Unterjochung. Beide Regionen (deren Staatlichkeit gleichwohl älter ist als der Madrider und Berliner Zentralismus) müssten nicht einmal ihre Nationalstaaten verlassen. Das Nationale würde nur überwölbt von stärkeren, im Alltag wirkungsmächtigeren und entwicklungsfähigeren Bindungen.
Ein Europa der Regionen würde Bayern stärker an die Alpenregion binden, mithin an Österreich, dem Bayern seit jeher historisch, kulturell und mental weit näher steht als dem bundesrepublikanischen Norden und Osten. Historisch gesehen ist es nicht so lange her: 1866 noch kämpften bayerische Truppen an der Seite Österreichs und Sachsens gegen Preußen. Aber im Augenblick gibt der französische Zentralismus den Takt an in der EU. Die protestantisch-sozialistische Preußin M hängt an neonapoleonischen Lippen.